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Reform mitten in der Coronakrise? Gesundheits­­ministerium stoppt Neuanfang für die BZgA

Eingang der BZgA
© Horst Galuschka / picture alliance

Im Herbst hatte das Haus von Bundesgesundheitsminister Jens SpahnSpahn Spahn, Jens; Bankkaufmann und Politologe, war 2018 bis 2021 Bundesminister für Gesundheit. Seit 2002 ist er Mitglied des Bundestages. die Leitung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgABZgA Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), hat – wie der Name schon sagt – die gesundheitliche Aufklärung in Deutschland als Ziel und Aufgabe. Die BZgA nimmt dies auf Bundesebene als Fachbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) wahr. Zu ihren Aufgabengebieten gehört die Erarbeitung von Grundsätzen und Richtlinien für Inhalte und Methoden der praktischen Gesundheitserziehung. Sie koordiniert und verstärkt z.B. die gesundheitliche Aufklärung und Gesundheitserziehung im Bundesgebiet, wie Sexualaufklärung und Familienplanung, Aufklärung zum Thema Organ- und Gewebespende sowie Aufklärung über Blut- und Plasmaspende. Sie leistet auch Beiträge zur Entwicklung und Umsetzung auf nationaler Ebene, wie Prävention von Infektionskrankheiten und Sucht sowie die Förderung der Kinder- und Jugendgesundheit.) neu ausgeschrieben – und hierbei eine Reform der Behörde angekündigt. Nach Informationen von MedWatch wurde der Prozess nun gestoppt und der BZgA-Vize als kommissarischer Leiter bestellt.

Weitgehend unbemerkt hat das BundesgesundheitsministeriumBundesgesundheitsministerium Das Bundesgesundheitsministerium, oder auch Bundesministerium für Gesundheit, erarbeitet Gesetzesentwürfe, Rechtsverordnungen sowie Verwaltungsvorschriften. Zu seinen Aufgaben gehört es die Leistungsfähigkeit der Gesetzlichen Krankenversicherung sowie der Pflegeversicherung zu erhalten, zu sichern und weiterzuentwickeln. Es ist zuständig für die Reform des Gesundheitssystems. Wichtige Punkte sind zudem die Bereiche Gesundheitsschutz, Krankheitsbekämpfung und Biomedizin. Auch kümmert es sich und die Rahmenvorschriften für Herstellung, klinische Prüfung, Zulassung, Vertriebswege und Überwachung von Arzneimitteln und Medizinprodukten, sowie um die Sicherheit biologischer Arzneimittel wie Blutprodukte. Berufsgesetze für die Zulassung zu den bundesrechtlich geregelten Heil- und Gesundheitsberufen gehören ebenso zu seinem Aufgabenspektrum. (BMGBMG BMG ist die Abkürzung für das Bundesministerium für Gesundheit. Es erarbeitet Gesetzesentwürfe, Rechtsverordnungen sowie Verwaltungsvorschriften. Zu seinen Aufgaben gehört es die Leistungsfähigkeit der Gesetzlichen Krankenversicherung sowie der Pflegeversicherung zu erhalten, zu sichern und weiterzuentwickeln. Es ist zuständig für die Reform des Gesundheitssystems. Wichtige Punkte sind zudem die Bereiche Gesundheitsschutz, Krankheitsbekämpfung und Biomedizin. Auch kümmert es sich und die Rahmenvorschriften für Herstellung, klinische Prüfung, Zulassung, Vertriebswege und Überwachung von Arzneimitteln und Medizinprodukten, sowie um die Sicherheit biologischer Arzneimittel wie Blutprodukte. Berufsgesetze für die Zulassung zu den bundesrechtlich geregelten Heil- und Gesundheitsberufen gehören ebenso zu seinem Aufgabenspektrum.) im September eine Reform der BZgA angekündigt: „Die BZgA braucht ein Update“, begann die Aufgabenbeschreibung für die Nachfolge der BZgA-Leiterin Heidrun Thaiss – „im Auftreten, im Selbstverständnis, in der Kommunikation“. Mitten in der Coronakrise kommunizierte das Haus von Minister Jens Spahn (CDU) auf diesem Weg, dass die bisherige Direktorin in den Ruhestand gehen wird – wie auch eine Reform der Bundesbehörde an, wie MedWatch exklusiv berichtet hatte. Der Nachfolger sollte den Anspruch haben, die Behörde „zur zentralen Vertrauensinstanz in Gesundheitsfragen und einer echten Kommunikationsagentur zu machen“, hieß es in der Ausschreibung.

Thaiss und ihre Vorgängerin Elisabeth Pott waren Ärztinnen aus dem Bereich des Öffentlichen Gesundheitsdienstes – für die Nachfolge suchte das BMG einen Geistes- oder Sozialwissenschaftler, der „umfassende Berufserfahrung im Bereich der Kommunikation und im strategischen Kampagnenmanagement“ haben sollte – „idealerweise mit journalistischem Hintergrund“. Die Ausschreibung erweckte durch ihre kurze Bewerbungsfrist und da sie offenbar nicht in großen Medien veröffentlicht wurde den Eindruck, dass das BMG bereits einen Kandidaten in der engeren Auswahl hatte. Die Stellenausschreibung habe einen ganz anderen Zuschnitt ergeben, „die wissenschaftliche Arbeit scheint sehr zurückgedrängt“, erklärte der Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Rolf Rosenbrock. Dieser war auch viele Jahre Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der BZgA. Er fürchte „Schlimmes – dass ein Marketing-Typ die BZgA leiten wird“, sagte Rosenbrock.

Auswahlverfahren „vorübergehend eingestellt“

Doch nun kommt es erstmal ganz anders: Der stellvertretende Leiter der BZgA, Martin Dietrich, sei „in der Zwischenzeit zum Kommissarischen Direktor bestellt worden“, erklärt der Sprecher Spahns auf Nachfrage von MedWatch. Das Auswahlverfahren sei „vorübergehend eingestellt worden“ – über dessen Wiederaufnahme „wird frühestens im Sommer kommenden Jahres entschieden“.

Wie kam es, dass das Ministerium zuerst – mit einem Affront gegen die bisherige Leiterin – die Stelle ausschreibt und eine Reform ankündigt, und den Prozess dann plötzlich stoppt? Auf Nachfrage nach dem Grund für die vorübergehende Einstellung des Auswahlverfahrens schreibt ein Sprecher Spahns: „Das BMG hat im guten Kontakt mit dem Personalrat und dem aktuellen Leitungspersonal der BZgA diesen Weg gewählt, weil die Behörde in der gegenwärtigen Belastungssituation am besten durch jemanden aus dem Haus selbst geleitet wird.“ So als ob die „Belastungssituation“ dem Ministerium nun erst bekanntgeworden sei, und noch nicht im Herbst.

Dietrich passt dabei nicht wirklich zur Ausschreibung: Er hat Volks- und Betriebswirtschaftslehre studiert und nun eine Honorarprofessur für Betriebswirtschaftslehre an der Universität des Saarlands inne – insbesondere dreht sich diese ums Management des Gesundheitswesens. Während der Coronapandemie war die BZgA unter der Leitung von Thaiss und auch Dietrich vielfach von Experten kritisiert worden, da sie während der Krise kaum präsent war. So hat das BMG die Kampagnen „Zusammen gegen CoronaCorona Mit Corona bezeichnet die Allgemeinbevölkerung zumeist SARS-CoV-2 (Severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2). Es ist ein neues Beta-Coronavirus, welches zu Beginn des Jahres 2020 als Auslöser der Krankheit COVID-19 identifiziert wurde. Coronaviren waren schon vor 2020 altbekannt. In Menschen verursachen sie vorwiegend milde Erkältungskrankheiten (teils auch schwere Lungenentzündungen) und auch andere Wirte werden von ihnen befallen. SARS-CoV-2 hingegen verursacht wesentlich schwerere Krankheitsverläufe, mit Aufenthalten auf der Intensivstation bis hin zum Tod. Der Virusstamm entwickelte und entwickelt seit seiner Entdeckung verschiedene Virusvarianten, die in ihren Aminosäuren Austausche aufweisen, was zu unterschiedlichen Eigenschaften bezüglich ihrer Infektiosität und der Schwere eines Krankheitsverlaufes führt. Seit Dezember 2020 steht in Deutschland ein Impfstoff gegen SARS-CoV-2 zur Verfügung.“ sowie jene zur „AHA“-Regel selbst federführend entwickelt – da es notwendig gewesen sei, „schnell Informationskampagnen zu entwickeln, um die Bevölkerung rasch und umfassend zu informieren“, wie der Sprecher Spahns erklärte. „Ich war total entsetzt, als es diesen März mit Corona losging und nur top-down und ziemlich patriarchalisch in eine Richtung kommuniziert wurde“, hatte Rosenbrock kritisiert.

Grüne kritisieren, BMG siehe keine Fehler

Die Vorgänge um die BZgA thematisiert die Grüne-Bundestagsfraktion nun auch in einer Anfrage an die Bundesregierung. „Warum hat die BZgA in der Corona-PandemiePandemie Pandemie bezeichnet eine globale Epidemie, eine zeitlich begrenzte und zugleich weltweit stattfindende Infektionskrankheit. Fehlende Grundimmunitäten gegen, z.B. neu mutierte, Bakterien- oder Virenstämme erhöhen Infektions- und Todesraten. Während einer Pandemie mit schweren Krankheitsverläufen sind Überlastungen von Gesundheitsversorgungsstrukturen und des öffentlichen Lebens schnell erreicht. Bekannte Beispiele für durch Viren hervorgerufene Pandemien sind HIV (seit den 80er Jahren), das Influenza-A-Virus (H1N1) von 2009 sowie Corona (seit 2019). Der weltweite Handel, eine globale Mobilität sowie immer weniger Rückzugsorte für andere Lebewesen begünstigen nicht nur die Entstehung von Infektionskrankheiten, sondern auch deren Ausbreitung. Die WHO kontrolliert in einem ständigen Prozess das Auftreten und die Verbreitung von Infektionskrankheiten, die potentiell epidemisch oder pandemisch werden könnten. nicht an ihre großen Erfolgserfahrungen in der Bekämpfung der AidsAids AIDS ist die Abkürzung für Acquired Immunodeficiency Syndrome, was mit »Erworbenes Immunschwächesyndrom« übersetzt werden kann. Durch eine Infektion mit dem HI-Virus kommt es zu einer Schwächung des körpereigenen Immunsystems, so dass zumeist unproblematisch verlaufende Krankheiten zu einem Problem werden. Eine Infektion mit HIV wurde zum ersten Mal 1981 diagnostiziert und hat sich seitdem zu einer Pandemie entwickelt. Die Therapie wurde in den letzten Jahren massiv verbessert, so dass Infizierten ein wesentlich längeres Leben mit hoher Qualität ermöglich wird.-Epidemie angeknüpft und eine alle Medien und Kanäle nutzende, professionell gestaltete und partizipativ in die Lebenswelten diffundierende Kampagne zum Verständnis und zur Prävention von Covid-19Covid-19 COVID-19 ist ein Akronym für die englische Bezeichnung Coronavirus Disease 2019, was so viel wie Corona-Virus-Krankheit 2019 heißt. Sie wird von dem neuen Beta-Coronavirus SARS-CoV-2 und seinen Varianten ausgelöst. Eine Erkrankung mit COVID-19 äußert sich zumeist – ca. vier bis sechs Tage nach Infektion – relativ unspezifisch durch Husten, Schnupfen, Halsschmerzen und Fieber sowie Störungen des Geruchs- und/oder Geschmackssinns. Atemnot, Kopf- und Gliederschmerzen, allgemeine Schwäche oder auch Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Appetitlosigkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfall können hinzukommen. Die Symptome können je nach Virusvariante variieren. Auch schwere Verläufe mit Aufenthalten auf der Intensivstation bis hin zum Tod sind möglich. organisiert“, will sie etwa wissen.

Außerdem stellen die Grünen auch einige Frage zum Ausschreibungsverfahren. „Warum wurde sich gegen eine Vertragsverlängerung mit der derzeitigen Direktorin entschieden“, heißt es in der Kleinen Anfrage etwa – oder: „Warum wurde die Stellenausschreibung nicht in einer renommierten Tageszeitung veröffentlicht?“ Die Fraktion fragt auch nach der Anzahl der Bewerbungen – auf Nachfrage von MedWatch ließ der BMG-Sprecher dies offen. „Wie wird die Bundesregierung vermeiden, dass eine Weiterentwicklung der BZgA in Richtung einer ‚echten Kommunikationsagentur‘ nicht zulasten ihrer Wissenschafts- und Forschungstätigkeiten geht“, fragen die Grünen außerdem.

Auswahlverfahren sei „äußerst undurchsichtig“

Das BMG dementiert, dass ihm Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ausschreibung gekommen sind. „Die Ausschreibung war rechtsfehlerfrei“, erklärt Spahns Sprecher. Dieser ließ jedoch auch Fragen offen, wann das Auswahlverfahren eingestellt und Dietrich zum Kommissarischen Direktor bestellt wurde, und auf welcher Rechtsgrundlage das Auswahlverfahren vorübergehend eingestellt worden ist.

Das Auswahlverfahren sei „äußerst undurchsichtig“, erklärt Kirsten Kappert-GontherKirsten Kappert-Gonther Kirsten Kappert-Gonther, Medizinerin und Politikerin (Bündnis 90/Die Grünen) ist seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages. Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie ist in ihrer Fraktion Berichterstatterin für seelische Gesundheit, Bioethik sowie für die Legalisierung von Cannabis. Seit Januar 2022 ist sie stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses (Stand 2022)., Sprecherin für Gesundheitsförderung der Grünen-Bundestagsfraktion, gegenüber MedWatch. „Die Art der Ausschreibung erweckte nicht den Eindruck, als wäre Gesundheitsminister Spahn an einer breiten Auswahl an geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern interessiert.“ Es sei wichtig, dass die BZgA als gesundheitliche Aufklärungsbehörde politisch möglichst unabhängig bleibe. „Eine Vergabe der Leitungsposition muss daher an transparente Kriterien geknüpft werden“, sagt Kappert-Gonther. Unabhängig von dem Auswahlverfahren müsse die BZgA schon jetzt viel stärker in Maßnahmen zur Covid-19-Prävention eingebunden werden.