Mehr Transparenz, aber nicht automatisch verlässliche Gesundheits-Infos im Netz: Auf die Siegel von HONHON HON – Health On the Net Foundation – zertifiziert vertrauenswürdige Webseiten mit medizinischem Inhalt. Die HON wurde in den 90er Jahren gegründet und arbeitet mittlerweile als NGO (Nichtregierungsorganisation), mit Sitz in der Schweiz. Sie hat den HONcode, einen Standard für die selbstverantwortliche Überwachung und Darstellung von Inhalten im Internet, speziell für medizinische Inhalte, erarbeitet. So soll die Qualität medizinischer Information auf Webseiten bezüglich Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit, sichergestellt werden. und afgis für Internet-Seiten zum Thema Gesundheit sollten sich Nutzer nicht blind verlassen.
Bei Gesundheitsinformationen im Internet den Durchblick zu behalten, ist gar nicht so einfach. Bekannte Anbieter qualitätsgesicherter Angebote bieten vielleicht nichts zum gesuchten Thema an. Die Trefferlisten der Suchmaschinen geben keine Hinweise, welche Informationen zuverlässig sind und welche nicht.
Klar ist jedoch: In den Weiten des Internets tummeln sich jede Menge Scharlatane und irreführende oder sogar gefährliche Informationen – mit oder ohne kommerzielle Absichten. Wie lassen sich diese von verlässlichen Informationen unterscheiden?
Siegel von HON und afgis
Orientierung versprechen etwa die Qualitätssiegel von HON oder afgis, die inzwischen eine ganze Reihe von Internet-Seiten zu Gesundheitsthemen tragen. HON steht für Health on the Net Foundation. Es handelt sich dabei um eine internationale Stiftung mit Sitz in der Schweiz. Im Aktionsforum Gesundheitsinformation (afgis) haben sich verschiedene deutsche KrankenkassenKrankenkassen Eine Krankenkasse ist der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Krankenkassen stellen den Versicherten Leistungen zur Verfügung, die nach Vorlage der elektronischen Gesundheitskarte in Anspruch genommen werden können. Die meisten dieser Leistungen sind im SGB V festgeschrieben. Krankenkassen sind organisatorisch sowie finanziell unabhängig und unterstehen der Aufsicht von Bund oder Ländern. Im Gegensatz zu gesetzlichen Krankenversicherungen sind private Krankenversicherungsunternehmen Aktiengesellschaften oder Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG)., medizinische und therapeutische Fachgesellschaften und Berufsverbände, Kliniken, Selbsthilfegruppen, Institutionen und Anbieter von Gesundheitsinformationen zusammengeschlossen.
Bevor ein Anbieter das Logo auf einer Website nutzen kann, muss er Auskunft zu definierten Kriterien geben. Beide Zertifizierungen sind kostenpflichtig. Bei HON kostet das Siegel zwischen 50 und knapp 400 Euro, bei Afgis zwischen 690 und 990 Euro. Die Zertifikate sind jeweils für ein Jahr gültig und müssen danach erneuert werden.
Welche Kriterien gelten bei HON und afgis
Die Anforderungen für die Zertifizierung sind bei HON mit acht Prinzipien und afgis mit zehn Transparenzkriterien relativ ähnlich, unterscheiden sich aber etwas in den Details:
Beide fordern zum Beispiel Angaben zum Anbieter der Gesundheitsinformationen, Kontaktmöglichkeiten und Datenschutz. Außerdem sollen die zertifizierten Seiten erklären, an wen sich die Website eigentlich richtet und dass die Informationen nicht als Ersatz für einen Arztbesuch gedacht sind. Es soll deutlich werden, welche Qualifikation die Autor:innen besitzen, aus welchen Quellen die Informationen stammen und wie alt die erstellten Texte sind. Verpflichtend ist es auch, Finanzierung und Sponsoring offenzulegen und Inhalte von Werbung zu trennen.
Abgrenzung von Werbung?
Bei der konkreten Umsetzung gibt es aber offenbar ziemlich viel Spielraum. Beispiel Trennung von Beiträgen und Werbung: Hier heißt es zwar, dass redaktionelle Inhalte und Anzeigen klar abzugrenzen sind. Die Praxis zeigt aber, dass es auch viele Graustufen gibt. Erlaubt sind bei afgis offenbar Advertorials, die zwar am Anfang das Wort „Anzeige“ und am Ende einen kurzen Sponsoren-Hinweis enthalten, aber dennoch das gleiche Layout wie die redaktionellen Beiträge haben.
Auch offensichtliche Widersprüche in den Erklärungen der Anbieter sind wohl kein Hindernis. Auf einer Seite zum Thema diabetisches Auge heißt es: „Die Inhalte dieser Webseite basieren auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und sind frei von Werbung oder kommerziellen Anzeigen.“ Die Seite wird aber von einem PharmakonzernPharmakonzern Ein Pharmakonzern ist ein Großunternehmen, in dem mehrere Pharmaunternehmen zu einem Verbund zusammengeschlossen sind. Hier werden Arzneimittel erforscht, entwickelt, produziert und / oder vermarktet. Es kann sich hierbei um eigens neu entwickelte Medikamente oder um Generika (Nachahmungen) handeln. Für die Herstellung von Arzneimitteln oder Arzneistoffen brauchen pharmazeutische Unternehmen eine behördliche Erlaubnis und unterliegen speziellen arzneimittelrechtlichen Verpflichtungen, um Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit ihrer Produkte zu gewährleisten. Zu dem Produktsortiment der Pharmaunternehmen gehören verschiedenste verschreibungspflichtige und rezeptfreie Arzneimittel für die Human- und Veterinärmedizin, wie z.B. Medikamente, Blutprodukte und Impfstoffe. betrieben, der „zufällig“ auch ein Medikament für diese Erkrankung anbietet, zur Redaktion gehören unter anderem Marketing-Mitarbeiter.
Interessenkonflikte egal?
Sehr groß ist offensichtlich auch die Bandbreite an dem, was beim Umgang mit Interessenkonflikten von medizinischen Fachleuten akzeptabel ist. Bei den HON-Kriterien heißt es explizit, dass Interessenkonflikte aufgeführt werden müssen. afgis formuliert: „Vertrauenswürdige Anbieter:innen prüfen, ob sich Autor:innen möglicherweise in finanziellen oder wirtschaftlichen Interessenkonflikten befinden und publizieren diesbezügliche Angaben im Grundsatz oder mit jedem einzelnen Beitrag.“
Ein Blick in die Realität ist dann aber etwas ernüchternd. In der afgis-Datenbank zum Beispiel finden sich einerseits Anbieter, die keine Autor:innen mit Interessenkonflikten akzeptieren. Andererseits aber auch welche, bei denen es lapidar heißt: „Potentielle Interessenkonflikte der Autorinnen/Autoren werden überprüft. Sie schließen eine Autorschaft nicht aus und werden nicht veröffentlicht.“ Transparenz geht anders.
Inhaltliche Kriterien: Eher vage
Vorgaben für inhaltliche Qualitätsaspekte bleiben eher vage. Laut HON sollen Gesundheitsinformationen objektiv und ausgewogen dargestellt werden und auch Risiken und Nebenwirkungen erwähnen. afgis nennt etwas allgemeiner sachlich richtige Informationen, die sich an Leitlinien beziehungsweise den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin orientieren, wie sie etwa in „Gute Praxis Gesundheitsinformation“ (GPGI) niedergelegt sind. Dieser Standard fordert unter anderem eine systematische Recherche und Bewertung der wissenschaftlichen Literatur.
In dieser Hinsicht bleiben die Anforderungen beider Siegel aber weit hinter der GPGI zurück. Für HON reichen „angemessene und überlegte Nachweise“, ohne konkreter zu werden. Bei afgis ist die Hürde für die Einordnung von Quellen ziemlich niedrig: „Handelt es sich um eine persönliche Erfahrung oder um eine wissenschaftliche Studie?“ Als Beispiele für Beschreibungen der Qualitätssicherung nennt afgis: „Das kann zum Beispiel die Information sein, dass Texte regelmäßig aktualisiert oder von unabhängigen Expert:innen gegengelesen werden, oder auch, dass nur Quellen herangezogen werden, die für jede Person nachvollziehbar sind.“ Nach den Kriterien der GPGI wäre das unzureichend.
Entsprechend wundert es auch nicht, dass die Websites damit sehr unterschiedlich umgehen. Auf einer zertifizierten Seite heißt es etwa zu Schwangerschafts- und Baby-Themen: „Alle […] medizinischen Inhalte beruhen auf wissenschaftlich sicheren Erkenntnissen und spiegeln den wissenschaftlichen Konsens wider.“ Wie das mit den HomöopathieHomöopathie Der deutsche Arzt Samuel Hahnemann postulierte gegen Ende des 18. Jh.s: »Ähnliches heilt Ähnliches«. So leitet sich das Wort Homöopathie von Homoion (für ähnlich) und Pathos (für Leiden) ab. Hahnemann verfolgte die Theorie, dass der Auslöser einer Krankheit oder der Auslöser für bestimmte Symptome auch zu deren Therapie genutzt werden kann. Bekanntestes Beispiel dafür ist die Chinarinde, mit der früher Malaria behandelt wurde. Die Einnahme dieser löste in einem Selbstversuch Hahnemanns Symptome einer Malaria aus. Damit sah er seine Theorie bestätigt. Die Homöopathie ist heute eine eigenständige Therapieform in der Alternativmedizin. Häufig werden für Globuli und Tinkturen die eingesetzten Substanzen zur Behandlung so stark verdünnt, dass in ihnen kein Wirkstoff mehr vorhanden ist. Für die Wirkung der Verdünnungen (Potenzen) wird ein Gedächtnis des Lösungsmittels, z.B. Wasser, angenommen. Für solch ein Gedächtnis von Wasser oder für eine generelle Wirkweise der Homöopathie über den Effekt eines Placebos hinaus gibt es jedoch keine wissenschaftlichen Belege; trotz mehr als 200 hochwertiger Studien dazu.-Empfehlungen in einigen Texten zusammenpasst, darüber schweigt sich der Anbieter aus.
Mehr Transparenz, aber keine Garantie
Sich blind auf das vermeintliche Qualitätssiegel zu verlassen, ist also keine gute Idee. Sowohl HON als auch afgis prüfen im Wesentlichen nur Transparenz-Kriterien. Ob die Seite tatsächlich inhaltlich verlässliche Gesundheitsinformationen enthält, lässt sich damit aber nicht sicherstellen.
Hinweis: Dieser Beitrag wurde in ähnlicher Form auch bei Gute Pillen – Schlechte Pillen und im Online-Magazin „Plan G: Gesundheit verstehen“ veröffentlicht.
Redaktion: Nicola Kuhrt, Nicole Hagen