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Unseriöse Mikronährstoffanalyse per Quantenmedizin Um kein Haar genau

Haare durch die ein Kamm geführt wird.
Die DAN Group, das Unternehmen hinter Medcross, hat einen Antrag auf einstweilige Verfüg gestellt. © valeria_aksakova / Freepik

Mit einer Haaranalyse und dank „modernster Technologie“ zur bedarfsdeckenden Ernährung? Wie ein Onlineanbieter Hoffnungen auf die Lösung für gesundheitliche Probleme weckt, schreit aus wissenschaftlicher Sicht zum Himmel. MedWatch berichtet über unqualifizierte Methoden und wertlose Werte.

„Du bist einzigartig“ und „Wir identifizieren Deinen Bedarf an Mikronährstoffen“, wirbt die Firma Medicross Labs auf ihrer Website wie auch in den sozialen Medien. Der Kunde oder die Kundin erhalte die Möglichkeit, „Beschwerden wie Kopfschmerzen, Müdigkeit oder Haarprobleme zu lindern“ und den Körper leistungsfähig zu machen.

Wer also seinen Beschwerden auf den Grund gehen will, dem bietet Medicross Labs ein Testkit zur Mikronährstoffanalyse an. Für 39,90 Euro testet der Anbieter mithilfe eines „innovativen Verfahrens und modernster Technologie“ bis zu 71 verschiedene Mikronährstoffe1https://www.medicross-labs.com/shop/mikronaehrstoffanalyse-pro/ – in einer Haarprobe. Interessierte finden so angeblich heraus, ob sie „ausreichend mit allen Mikronährstoffen versorgt“ sind. 

Der Clou: Ergibt die vermeintliche Analyse bei einer der „getesteten“ Substanzen einen erhöhten Bedarf, bietet Medicross Labs als Lösung sogleich entsprechende NahrungsergänzungsmittelNahrungsergänzungsmittel Nahrungsergänzungsmittel werden den Lebensmitteln zugeordnet und sind abgegrenzt von Medikamenten zu betrachten. So dürfen sie, wie der Name schon sagt, die normale Ernährung ergänzen, sie jedoch nicht ersetzen und zudem keine arzneiliche Wirkung zeigen. Sie werden als Kapseln, Tabletten, Tropfen oder Ähnliches angeboten und enthalten oft Vitamine, Mineralstoffe oder sonstige Nährstoffe, die eine Wirkung erzielen sollen. Sie dürfen jedoch nicht wie ein Arzneimittel beworben werden. Die Hersteller dürfen keine spezifische Wirkung wie die Linderung oder Vorbeugung einer Krankheit anpreisen oder für ein definiertes Anwendungsgebiet werben. zum Kauf an.

Die „Nährstoffe“

Wenngleich Medicross Labs ankündigt, bis zu 71 Nährstoffe zu testen, nennt der Anbieter auf derselben Webseite2https://www.medicross-labs.com/mikronaehrstoffanalyse/ „nur“ die folgenden Substanzen.

Vitamine: Vitamin A*, B1 (Thiamin)*, B2 (Riboflavin)*, B3 (Niacin)*, B5 (Pantothensäure)*, B6 (Pyridoxin)*, B7 (Biotin)*, B9 (Folat)*, B10 (p-Aminobezoesäure – Anmerkung MedWatch: ist kein Vitamin), B12 (Cobalamin)*, C*, D (Anmerkung MedWatch: kann durch Sonnenlicht selbst gebildet werden)*, E*, K2*, β-Carotin (Anmerkung MedWatch: ist kein Vitamin, sondern eine Vitaminvorstufe)

Mineralstoffe: Calcium*, Magnesium*, Kalium*, Chrom*, Kupfer*, Mangan*, Selen*, Zink*, Eisen*

Aminosäuren: Alanin, Arginin, Asparagin, Citrullin, Cystein, Glutamin, Glycin, Histidin (Anmerkung MedWatch: nur für Säuglinge essenziell), Isoleucin*, Leucin*, Lysin*, Methionin*, Ornithin, Phenylalanin*, Prolin, Serin, Threonin*, Tryptophan*, Tyrosin, Valin*

Enzyme: Bromelain, Papain, Pepsin, Tyrosinase

Sonstiges: Coenzym Q10, Kreatin, α-Liponsäure, Lutein, Taurin, Carnitin

Die mit * gekennzeichneten Substanzen sind essenzielle Nährstoffe – also lebensnotwendige Nährstoffe, die der Mensch von außen zuführen muss, weil der Körper sie nicht selbst bilden kann. Ebenfalls essenziell, aber nicht vom Test erfasst, sind Fluorid, Jod, Molybdän sowie die Fettsäuren Linolsäure und α-Linolensäure.

Laborwerte, die keine sind

Worum es sich bei dem innovativen Verfahren und der modernsten Technologie handelt, bleibt zunächst ein Geheimnis. Auf der Website suchen Interessierte vergeblich nach Informationen dazu. MedWatch fragte Medicross Labs nach der Basis des Tests – eine Antwort blieb aus.

Erst, wer den Test gekauft, die Haarprobe eingeschickt und den „Laborbericht“ mit den Ergebnissen der Analyse erhalten hat, kann im mitgelieferten Infomaterial nachlesen: „Wir nutzen für unsere Haaranalyse ein computergestütztes System der neuesten Generation, das die aktuellen Erkenntnisse der Quantenmedizin einsetzt.“ 

Das Haar trage einen Abdruck davon, wie die körpereigenen Zellen derzeit energetisch funktionierten, behauptet Medicross Labs in dem 19-seitigen PDF-Dokument. Die Quantum-Response-Technologie scanne dieses Feld mithilfe von quantenphysikalischen Effekten und stelle eventuelle Disharmonien im eigenen System fest. Dabei teste das Gerät eine Vielzahl von Nährstoffen und gleiche die Reaktion des eigenen Feldes mit dem Nährstoff ab. So ließen sich mögliche Mikronährstoffbedarfe ermitteln. „Unsere verwendete Technologie ist Teil der Komplementär- und Alternativmedizin“, schreibt Medicross Labs abschließend. Und: Die Methode sei „noch nicht wissenschaftlich anerkannt“.

Medicross Labs verkauft also die Katze im Sack: Die „Analyse“ ist keine labortechnische Diagnostik. Der „Laborbericht“ enthält demzufolge keine echten Laborwerte. Die dokumentierten Mikronährstoffbedarfe sind im wahrsten Sinne des Wortes an den Haaren herbeigezogen.


Mehr Transparenz beim Tochterunternehmen


Haaranalyse – Kardinalzeichen für unqualifiziertes Angebot

Hinzu kommt, dass Haare an sich nicht als Bioprobe taugen. Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass Haaranalysen keine Rückschlüsse auf den Nährstoffstatus oder gesundheitliche Probleme zulassen.3Kruse-Jarres, J. D.: Interpretation von Haaranalysen: Rückschlüsse auf den Stoffwechsel unmöglich. Dtsch Arztebl 1997; 94(34-35): A-2180 / B-1851 / C-1743, 4Drasch G, Roider G. Assessment of hair mineral analysis commercially offered in Germany. J Trace Elem Med Biol. 2002;16(1):27-31. doi: 10.1016/S0946-672X(02)80005-0 Dennoch ziehen Anbieter den Menschen damit das Geld aus der Tasche.

„Das Angebot ist nicht seriös“, sagt Sabine Ellinger. Sie ist Professorin für Humanernährung an der Universität Bonn und erklärt, dass die Bestimmung des Mikronährstoffstatus im Haar nicht anerkannt sei: „Mir ist kein Nährstoff bekannt, bei dem man den Status anhand einer Haarprobe ermitteln würde.“ Wie gut ein Mensch mit Vitaminen und Mineralstoffen versorgt ist, werde meist im Blutserum oder -plasma bestimmt, sagt die Ernährungswissenschaftlerin, manchmal auch im Vollblut oder in den roten Blutkörperchen. Um zu schauen, wie viel Jod im Körper ist, reiche sogar eine Urinprobe. 

In einer Tabelle hat die Verbraucherzentrale zusammengefasst, anhand welcher Proben und welcher Stoffe der Status der Nährstoffe im Körper zu messen ist. Sie basiert auf der Mikronährstoff-Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für klinische Ernährung (ESPEN) aus dem Jahr 2022. Über die dort genannten Mikronährstoffe hinausgehende, ausführliche Informationen zu anerkannten Laboruntersuchungen und Referenzwerten bietet das online zugängliche Standardwerk „Labor & Diagnose“, herausgegeben von dem Mediziner Lothar Thomas.

Echter Mangel bleibt mit Haaranalyse unerkannt

Kommerzielle Mikronährstoffanalysen sind im besten Fall Geldverschwendung. Was ist aber, wenn Menschen mit gesundheitlichen Problemen oder einem echten Nährstoffmangel sich auf die – substanzlosen – Ergebnisse der Haaranalyse verlassen? Dann wird es gefährlich, denn Betroffene erhalten unter Umständen keine adäquate Behandlung. Langfristig kann sich ihr Zustand verschlechtern. Klingt übertrieben?

MedWatch hat die Mikronährstoffanalyse getestet: Dafür schnitt eine Testperson – wie in der Anleitung erklärt – eine „kleine Menge […] Haare nah an der Wurzel ab“ und schickte sie zu Medicross Labs nach Lindau. Am selben Tag ließ sich unsere Probandin beim Hausarzt Blut abnehmen, denn sie fühlte sich seit Wochen antriebslos und krank. Da der Arzt einen Vitamin-D-Mangel vermutete, bestimmte das Labor zusätzlich zum „großen Blutbild“ den Wert dieses Vitamins im Blut.

Zwei Tage später hörte unsere Testperson vom Hausarzt, dass sie – bei ansonsten dem Alter entsprechenden Blutwerten – einen deutlichen Mangel an Vitamin D hat. Ihr Blutspiegel von 25-Hydroxyvitamin-D lag bei 7,3 Nanomol pro Liter – 30 Nanomol pro Liter sollte er mindestens betragen. Der Hausarzt verordnete Tabletten mit hochdosiertem Vitamin D und der Wert normalisierte sich in den nachfolgenden Wochen.

Die Testergebnisse von Medicross Labs landeten rund zehn Tage später im E-Mail-Postfach. Der übermittelte „Laborbericht“ zeigte für Vitamin D – null Prozent „Abweichung laut feinstofflicher Messung“. Angeblich war die Vitamin-D-Versorgung also in Ordnung. Stattdessen sollten zehn Aminosäuren und einige andere Parameter mit „80 bis 100 Prozent Abweichung“ im Argen liegen und ein „sehr starker Bedarf“ bestehen. Wäre dies ein echtes Problem, hätte Medicross sogleich die Lösung parat. 

Personalisierte Nährstoffmischungen – am Bedarf vorbei

Als ergänzenden Service bietet das Unternehmen nämlich Ernährungsberatung und personalisierte Nährstoffmischungen an. „Du erhältst von uns nur noch eine oder zwei Kapseln, die alle Nährstoffe beinhalten, die Du wirklich brauchst“, heißt es in einer Werbe-E-Mail. Solche Mails bekommt unsere Testperson, seit sie das Angebot der Mikronährstoffanalyse genutzt hat. Da ihr Testergebnis keinen Bedarf für Vitamin D zeigte, würde sie mit ihrer personalisierten Nährstoffmischung zwar nicht-essenzielle Aminosäuren und Enzyme bekommen. Den tatsächlich vorhandenen Mangel würden diese Präparate aber nicht lindern. 

Eine ungezielte Nahrungsergänzung jedoch ist nicht notwendig. „Die Menschen sind hierzulande mit Vitaminen und Mineralstoffen im Allgemeinen adäquat versorgt“, sagt Ernährungswissenschaftlerin Ellinger. Die ganz normale Ernährung – also vielfältige Lebensmittel ohne zusätzliche Nahrungsergänzungsmittel – reichten Gesunden für eine angemessene Zufuhr aus. 

Nur in bestimmten Lebenssituationen wie zum Beispiel bei Schwangeren5https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/nahrungsergaenzungsmittel/jod-folsaeure-eisen-welche-nahrungsergaenzungen-brauchen-schwangere-13324 und Stillenden6https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/projekt-klartext-nem/jod-vitamine-omega3fettsaeuren-nahrungsergaenzung-in-der-stillzeit-21533, älteren Menschen7https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/ernaehrung-fuer-senioren/fit-im-alter-brauche-ich-eine-nahrungsergaenzung-17725 und vegan Lebenden8https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/projekt-klartext-nem/vegane-ernaehrung-welche-nahrungsergaenzung-ist-sinnvoll-13323 kann die Versorgung mit bestimmten Nährstoffen kritisch sein. Für diese Menschen empfehlen Fachgesellschaften bei einigen Vitaminen und Mineralstoffen eine zusätzliche Zufuhr, zum Beispiel Vitamin B12 für Veganer:innen.9https://www.dge.de/gesunde-ernaehrung/faq/vitamin-b12/#c3446

Allgemeingültige Referenzwerte für die Zufuhr von Nährstoffen über Lebensmittel können Interessierte über das Referenzwerte-Tool der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) differenziert nach Alter und Geschlecht abrufen.

Ungereimtheiten bleiben unerklärt

Davon ist auf den Seiten von Medicross aber nicht die Rede – das Unternehmen wirbt für seine Nahrungsergänzungsmittel im Zusammenhang mit der Haaranalyse. Da wirken die Hinweise, die die Firma mitsamt den Testergebnissen liefert, recht scheinheilig: Sie rät dringend davon ab, die Ergebnisse als Grund für eine Selbstmedikation zu verwenden. Nur ein Arzt dürfe eine medizinische Diagnose stellen und die Ergebnisse gehörten nicht in die Hände von medizinischen Laien. Haftung für Schäden jeglicher Art, die sich aus der Verwendung der Ergebnisse ergeben, schließt das Unternehmen aus. Die Mikronährstoffanalysen seien keine MedizinprodukteMedizinprodukte Medizinprodukte sind z.B. Implantate, Katheder, Infusionen, Herzschrittmacher und Co. Sie definieren sich durch eine vom jeweiligen Hersteller bestimmte medizinische Zweckbestimmung für die Anwendung beim Menschen. Anders als bei Arzneimitteln entfaltet sich ihre Hauptwirkung auf physikalische Weise. Verschiedenste Vorgaben regeln das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von Medizinprodukten. Dadurch soll für die Sicherheit und Eignung der Medizinprodukte gesorgt werden. Es geht hierbei zudem um den Schutz von Patienten, Anwendern und Dritter.

Eine angebliche „Diagnosemethode“ soll also dann doch kein Medizinprodukt sein. Könnte dies auch daran liegen, dass die Rechtsprechung an Wirkungsversprechen für Medizinprodukte mittlerweile ähnlich strenge Maßstäbe anlegt wie für ArzneimittelArzneimittel Arzneimittel sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die angewandt werden, um Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder Beschwerden zu heilen, zu lindern oder zu verhüten. Es kann sich hierbei ebenfalls um Mittel handeln, die dafür sorgen, dass Krankheiten oder Beschwerden gar nicht erst auftreten. Die Definition beinhaltet ebenso Substanzen, die der Diagnose einer Krankheit nutzen oder seelische Zustände beeinflussen. Die Mittel können dabei im Körper oder auch am Körper wirken. Das gilt sowohl für die Anwendung beim Menschen als auch beim Tier. Die gesetzliche Definition von Arzneimitteln ist im § 2 Arzneimittelgesetz (AMG) enthalten.? Vor Gericht zählt als Beleg für gesundheitsbezogene Aussagen der wissenschaftliche Goldstandard.10OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 02.12.2021 – Az. 6 U 121/20 Gemeint sind damit randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudien. Für die Behauptung von Medicross Labs, mittels Haaranalyse einen Bedarf an Mikronährstoffen feststellen zu können, existieren solche Nachweise nicht.

Wir fragen nach

MedWatch fragte erneut bei Medicross Labs nach, um mehr über die widersprüchliche Einordnung des Produkts zu erfahren. MedWatch wollte auch wissen, warum die Firma ihren Test auf Basis einer Haaranalyse anbietet, obwohl eine solche bekanntermaßen keine Aussagekraft hat, und wie sie sich die unterschiedlichen Ergebnisse zum Vitamin-D-Status unserer Testperson erklären kann. 

Eine Mitarbeiterin von Medicross Labs bat um Verständnis, dass sie nur eine eingeschränkte Rückmeldung geben könne, da aufgrund der Fristsetzung seitens MedWatch keine umfangreiche Beantwortung der Anfrage möglich sei. Die Rückmeldung, die Medicross Labs innerhalb von drei Arbeitstagen möglich war, dürfe MedWatch nur als Ganzes veröffentlichen – was wir hiermit tun:

Medicross Labs schreibt:
„Die unseren Tests zugrunde liegende Technologie wird dem Bereich der Komplementärmedizin zugeordnet. Wir sehen unsere Haaranalyse nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung und Erweiterung der konventionellen medizinischen Diagnostik. Unsere Geräte gehören zur Medizinklasse IIa und erfüllen die MED Cert EN ISO 13485:2012 + AC:2012-Vorschriften. Wir überwachen die Einhaltung dieser Vorschriften regelmäßig und führen engmaschige Prüfungen unserer Geräte durch, um sicherzustellen, dass sie unseren hohen Qualitätsanforderungen gerecht werden.
Im Allgemeinen lassen sich schulmedizinische Blutanalysen und unsere Mikronährstoffanalyse nicht miteinander vergleichen. Unsere Mikronährstoffanalyse ist eine Methode, die der Alternativ- und Komplementärmedizin zugeordnet wird. Die Vorgehensweise unserer Untersuchungsmethode, wie bereits beschrieben und erläutert, unterscheidet sich grundlegend von der schulmedizinischen Diagnostik.“

Die Ungereimtheiten jedoch bleiben unerklärt.

Nährstoffversorgung untersuchen  – so geht’s verlässlicher

Bei unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit und Konzentrationsschwäche fragen sich manche, ob ihnen etwas fehlt, ein Vitamin vielleicht. Statt zu Nahrungsergänzungsmitteln oder kommerziellen Selbst- oder Rundum-Tests zu greifen, sollten sie dann lieber eine Hausarztpraxis aufsuchen11https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/projekt-klartext-nem/vitamine-und-mineralstoffe-wie-laesst-sich-ein-naehrstoffmangel-feststellen-80117 – so wie es auch unsere Testperson gemacht hat. 

Bei einem konkreten Verdacht auf einen pathologischen Nährstoffmangel können Ärzt:innen eine abklärende – anerkannte – Diagnostik als Kassenleistung abrechnen.12https://www.kbv.de/tools/ebm/html/32413_2900905994220274638144.html Ansonsten gelten Untersuchungen des Nährstoffstatus als individuelle Gesundheitsleistungen (IGeLIgeL IGeL – Individuelle Gesundheitsleistungen – gehören nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung in der vertragsärztlichen Versorgung und der Patient muss bei Inanspruchnahme selbst für die Kosten aufkommen. Patient*innen sind nicht verpflichtet, diese ärztlichen, zahnärztlichen oder psychotherapeutischen Leistungen anzunehmen. Oft handelt es sich hierbei um Leistungen, für die keine ausreichenden Belege für ihren Nutzen vorliegen oder die noch keiner Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) unterzogen wurden.), und daran Interessierte müssen sie selbst zahlen.

Zertifizierte Labore analysieren Vollblut, Serum, Plasma oder Urin und sogar Gewebeproben und bestimmen beispielsweise die Konzentration eines bestimmten Nährstoffs oder die seiner Stoffwechselprodukte. Ebenso können sie mithilfe biochemischer Tests feststellen, ob bestimmte Enzyme etwa durch einen Vitaminmangel weniger aktiv sind. 

Diagnostiziert eine Ärztin oder ein Arzt anhand der Laborwerte einen Mangel – und nur dann –, sollte der oder die Betroffene den entsprechenden Nährstoff zusätzlich einnehmen. In der Regel verschreibt die Ärztin dann den Nährstoff in Form eines hoch dosierten Arzneimittels. Dabei kann es sich um ein frei verkäufliches oder ein verschreibungspflichtiges Präparat handeln. 

Solange keine Erkrankung wie zum Beispiel Osteoporose vorliegt, erstattet die Kasse die Kosten für frei verkäufliche Arzneimittel nicht.13https://www.g-ba.de/downloads/83-691-781/AM-RL-I-OTC_2023-01-31.pdf Ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel, das die Kasse bezahlt, können Ärzt:innen bei entsprechender medizinischer Notwendigkeit nur dann verordnen, wenn andere Maßnahmen zur Behandlung eines Mangels erfolglos waren.14https://www.kvb.de/fileadmin/kvb/V10/Mitglieder/Verordnungen/VO-aktuell/2018/KVB-VA-180927-WIS-Vitamin-D.pdf Vitamine und Mineralstoffe in Form von Nahrungsergänzungsmitteln, die rechtlich zu den Lebensmitteln und nicht zu Arzneimitteln gehören, müssen Verbraucher:innen selbst zahlen15https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/nahrungsergaenzungsmittel/vitamine-mineralstoffe-spurenelemente-wann-zahlt-die-krankenkasse-51010, 16https://landessozialgericht.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/pressemitteilungen/nicht-jede-pille-ist-medizin-207313.html


Redaktion: Sigrid März, Arne Weinberg, Nicole Hagen

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    https://www.medicross-labs.com/shop/mikronaehrstoffanalyse-pro/
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    https://www.medicross-labs.com/mikronaehrstoffanalyse/
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    Kruse-Jarres, J. D.: Interpretation von Haaranalysen: Rückschlüsse auf den Stoffwechsel unmöglich. Dtsch Arztebl 1997; 94(34-35): A-2180 / B-1851 / C-1743
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    Drasch G, Roider G. Assessment of hair mineral analysis commercially offered in Germany. J Trace Elem Med Biol. 2002;16(1):27-31. doi: 10.1016/S0946-672X(02)80005-0
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    https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/nahrungsergaenzungsmittel/jod-folsaeure-eisen-welche-nahrungsergaenzungen-brauchen-schwangere-13324
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    https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/projekt-klartext-nem/jod-vitamine-omega3fettsaeuren-nahrungsergaenzung-in-der-stillzeit-21533
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    https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/ernaehrung-fuer-senioren/fit-im-alter-brauche-ich-eine-nahrungsergaenzung-17725
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    https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/projekt-klartext-nem/vegane-ernaehrung-welche-nahrungsergaenzung-ist-sinnvoll-13323
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    https://www.dge.de/gesunde-ernaehrung/faq/vitamin-b12/#c3446
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    OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 02.12.2021 – Az. 6 U 121/20
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    https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/projekt-klartext-nem/vitamine-und-mineralstoffe-wie-laesst-sich-ein-naehrstoffmangel-feststellen-80117
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    https://www.kbv.de/tools/ebm/html/32413_2900905994220274638144.html
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    https://www.g-ba.de/downloads/83-691-781/AM-RL-I-OTC_2023-01-31.pdf
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    https://www.kvb.de/fileadmin/kvb/V10/Mitglieder/Verordnungen/VO-aktuell/2018/KVB-VA-180927-WIS-Vitamin-D.pdf
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    https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/nahrungsergaenzungsmittel/vitamine-mineralstoffe-spurenelemente-wann-zahlt-die-krankenkasse-51010
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    https://landessozialgericht.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/pressemitteilungen/nicht-jede-pille-ist-medizin-207313.html