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Werbung für Nahrungsergänzungsmittel Ist das noch erlaubt?

Grafik: Frau, die die Hand zum Mund führt, mit einer Pille in der Hand.
Es gibt klare Grenzen bei der Werbung für Nahrungsergänzungsmittel. © Collage Marie Eickhoff / Canva

NahrungsergänzungsmittelNahrungsergänzungsmittel Nahrungsergänzungsmittel werden den Lebensmitteln zugeordnet und sind abgegrenzt von Medikamenten zu betrachten. So dürfen sie, wie der Name schon sagt, die normale Ernährung ergänzen, sie jedoch nicht ersetzen und zudem keine arzneiliche Wirkung zeigen. Sie werden als Kapseln, Tabletten, Tropfen oder Ähnliches angeboten und enthalten oft Vitamine, Mineralstoffe oder sonstige Nährstoffe, die eine Wirkung erzielen sollen. Sie dürfen jedoch nicht wie ein Arzneimittel beworben werden. Die Hersteller dürfen keine spezifische Wirkung wie die Linderung oder Vorbeugung einer Krankheit anpreisen oder für ein definiertes Anwendungsgebiet werben. können angeblich immer mehr, sie sollen spröde Haare zum Glänzen bringen und sogar bei Krankheiten wie KrebsKrebs Statt eine spezifische Krankheit zu benennen, handelt es sich bei Krebs um einen Sammelbegriff für verschiedene Krankheiten. Ihnen allen gemeinsam ist jedoch das unkontrollierte Wachstum von Körperzellen, aufgrund eines Ungleichgewichts zwischen Zellwachstum und Zelltod. Die Folge daraus ist – außer bei Blutkrebsarten – eine Geschwulst ohne organspezifische Funktion. Dringt diese in das umliegende gesunde Gewebe ein, spricht man von bösartigen Tumoren; ausschließlich bösartigen Tumore werden als Krebs bezeichnet. Krebs kann zudem metastasieren, d.h. er breitet sich im Körper aus, indem die Krebszellen über Blut- und Lymphbahnen wandern und infolgedessen in anderen Organen Tochtergeschwülste bilden. helfen – glaubt man der Werbung. Aber welche Werbung ist erlaubt und welche längst verboten?

„Ich nehme das jeden Tag ein. Es soll wirklich Krebs heilen.“ Diese Aussage war Ende Januar in einer Instagram-Story der Influencerin Zara Secret zu hören. Dabei schüttete sie Kapseln mit grüner Füllung aus einem unbeschrifteten braunen Döschen auf den Tisch. Es seien nicht ihre eigenen Produkte, ergänzte sie, aber sie seien von ihrem Hersteller. Also dem Hersteller, der auch ihre Nahrungsergänzungsmittel produziert. Zara Secret verkauft Kapseln für schöne Haare, Kollagenpulver und Melatonin-Tropfen. Die Werbung macht sie selbst. Ihr Publikum: 286.000 Follower:innen auf Instagram.

Zara Secrets Aussage, dass Nahrungsergänzungsmittel Krebs heilen könnten, ist falsch. Fakt ist dagegen: Nahrungsergänzungsmittel können gar nichts heilen. Um das klarzustellen, hat MedWatch mit einem Video auf Instagram reagiert und die Aussagen der Influencerin evidenzbasiert eingeordnet.

Zara Secret ist nur ein Beispiel für eine stetig zunehmende Anzahl von Influencer:innen, die Nahrungsergänzungsmittel mit großen – oftmals falschen und irreführenden – Versprechen auf Instagram bewerben. Was aber ist bei der Bewerbung von Nahrungsergänzungsmitteln überhaupt erlaubt? Das hat Arne Weinberg aus dem MedWatch-Team in einem Live-Stream auf Instagram beantwortet. Er ist Jurist für Medizinrecht.

Ist es erlaubt zu sagen, dass ein Nahrungsergänzungsmittel bei Krebs hilft?

Arne Weinberg: Nein, Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel. Für sie gilt das Lebensmittelrecht. Das ist unter anderem mit der EU-Lebensmittelinformationsverordnung geregelt. Darin steht, dass man keine Informationen über Lebensmittel verbreiten darf, die nahelegen, dass ein Lebensmittel Krankheiten vorbeugen, heilen oder lindern könnte. Man darf Nahrungsergänzungsmittel also nicht damit bewerben, dass sie Krankheiten heilen können. Verboten ist sogar, wenn allein der Eindruck erweckt wird, dass es hilft, also „Es soll Krebs heilen“.

Wie kann ich erkennen, welche Werbeaussage verboten ist?

Krankheitsbezogene Angaben sind bei Lebensmitteln generell verboten. Beispiel: „CoronaCorona Mit Corona bezeichnet die Allgemeinbevölkerung zumeist SARS-CoV-2 (Severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2). Es ist ein neues Beta-Coronavirus, welches zu Beginn des Jahres 2020 als Auslöser der Krankheit COVID-19 identifiziert wurde. Coronaviren waren schon vor 2020 altbekannt. In Menschen verursachen sie vorwiegend milde Erkältungskrankheiten (teils auch schwere Lungenentzündungen) und auch andere Wirte werden von ihnen befallen. SARS-CoV-2 hingegen verursacht wesentlich schwerere Krankheitsverläufe, mit Aufenthalten auf der Intensivstation bis hin zum Tod. Der Virusstamm entwickelte und entwickelt seit seiner Entdeckung verschiedene Virusvarianten, die in ihren Aminosäuren Austausche aufweisen, was zu unterschiedlichen Eigenschaften bezüglich ihrer Infektiosität und der Schwere eines Krankheitsverlaufes führt. Seit Dezember 2020 steht in Deutschland ein Impfstoff gegen SARS-CoV-2 zur Verfügung.-vorbeugende Wirkung“. Gesundheitsbezogene Aussagen, sogenannte Health Claims, können unter Umständen zulässig sein. Sie müssen aber in eine sogenannte Positivliste aufgenommen werden. Das heißt, sie müssen vorher von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit wissenschaftlich geprüft werden. Dafür können Hersteller einen Antrag stellen. Nur wenn das Ergebnis der Prüfung positiv ist, kommt die Aussage auf die öffentliche Gemeinschaftsliste. Darin steht zum Beispiel: „Calcium ist notwendig zum Erhalt normaler Knochen.“ Mit der Aussage dürften Hersteller also werben. 

Aber sie dürften sie nicht für das ganze Produkt verwenden, wenn für die anderen Produktbestandteile nicht auch eine solche Zulassung vorliegt. Also, ich dürfte nicht in eine Cola ein Milligramm Calcium geben und sagen: „Cola wird zum Erhalt normaler Knochen benötigt.“ Öffentlich einsehbar sind auch die Aussagen, die schon abgelehnt wurden. Zum Beispiel: „Calcium ist wichtig zur Unterstützung des Stoffwechsels.“

Sind die abgelehnten Health Claims auch verboten, wenn nicht das Unternehmen selbst sie benutzt?

Ja, die Werbung ist auch verboten, wenn sie durch Dritte erfolgt. Aber die Frage ist dann: Ist es schon Werbung, wenn ich nur meine Meinung äußere und einen Erfahrungsbericht teile? Rechtlich kommt es darauf an, ob ich damit den Verkauf eines Produkts ankurbeln will. Das ist in den meisten Fällen, wenn Influencer-Marketing gemacht wird, das Ziel. Als Privatperson ist man nicht sofort ein Influencer, wenn man eine Empfehlung ausspricht. Aber man sollte aufpassen, denn die EU-Verordnung verbietet nicht nur Werbung, sondern auch irreführende Information.

Wo kann man selbst illegale Werbung melden?

Das kommt darauf an, wer die Aussage gemacht hat. Wenn sie von Influencern in den sozialen Medien ist, kann man es bei der Landesmedienanstalt versuchen. Jedes Bundesland hat eine Landesmedienanstalt, die nach dem Medienstaatsvertrag bei Influencern tätig werden kann. Zuständig ist das Bundesland, in dem der Influencer gemeldet ist.

Wenn die Werbung vom Hersteller direkt kommt oder von einem Beauftragten des Herstellers – was Influencer ja oft sind –, kann die Lebensmittelüberwachung tätig werden. Das sind meistens auf kommunaler Ebene angesiedelte Behörden. Zuständig ist die Behörde an dem Ort, an dem das werbende Unternehmen seinen Sitz hat. Vorausgesetzt, das ist in Deutschland. Dann kann die Behörde das Unternehmen unter Androhung eines Zwangsgelds verpflichten, die Werbung zu entfernen. 

Aber die Kapazitäten der Behörden sind begrenzt, denn die Lebensmittelüberwachung kümmert sich auch um LebensmittelsicherheitLebensmittelsicherheit Lebensmittelsicherheit ist ein komplexer Bereich. Es wird zwischen sog. horizontalen und vertikalen Bestimmungen unterschieden. Ersteres bedient Bestimmungen für die Lebensmittelkennzeichnung, für Zusatzstoffe in Lebensmitteln sowie für Rückstände in Lebensmitteln. Vertikale Bestimmungen beziehen sich auf Nahrungsergänzungsmittel, Milch, Eier, Fisch, Fruchtsäfte und vieles mehr. Auch für kosmetische Produkte wie z.B. Zahncreme, Shampoo, Nagellack sowie Bedarfsgegenstände (Spielzeug, Geschirr, Schuhe, Textilien, Modeschmuck…) gilt das Lebensmittelrecht. Zusatzstoffe und neuartige Lebensmittel müssen zugelassen sein, schädliche Rückstände von Pflanzenschutzmitteln sind verboten. Kennzeichnungen müssen erkennbar machen, ob zum Beispiel Allergene enthalten sind.. Das Thema irreführende Werbung ist für die Behörde nicht das Wichtigste, aber trotzdem ist der Markt für Nahrungsergänzungsmittel uferlos.

Deshalb ist es sinnvoll, Verstöße an Verbraucherzentralen oder an einen Wettbewerbsverband (zum Beispiel Wettbewerbszentrale, Verband Sozialer Wettbewerb) zu melden, die gezielt gegen unerlaubte Werbung vorgehen. Sie können Unternehmen abmahnen und – wenn keine Unterlassungserklärung unterschrieben wird – eine Unterlassungsklage erheben.

Wenn ein Arzt oder eine Ärztin die Werbeaussage macht, gibt es noch die Möglichkeit, dies der Ärztekammer zu melden. Bei HeilpraktikerHeilpraktiker Heilpraktiker*in ist ein Medizinberuf, der auf dem deutschen Heilpraktikergesetz (HPG) beruht. Es handelt sich um einen sogenannten freien Beruf, dem keine einheitliche Ausbildung zugrunde liegt. Weder eine medizinische Ausbildung noch eine berufsqualifizierende Fachprüfung sind dafür erforderlich. Folgende Tätigkeiten bzw. Tätigkeitsfelder sind jedoch ausgeschlossen: Geburtshilfe, Geschlechtskrankheiten, meldepflichtige übertragbare Krankheiten, die Verordnung verschreibungspflichtiger Arzneimittel, die Verordnung von Betäubungsmitteln. In Österreich ist der Beruf verboten.:innen dementsprechend an die Gesundheitsämter.

Gibt es keine Behörde, die die Werbung von sich aus kontrolliert?

Es gibt keine staatliche Aufsichtsbehörde, die alle Werbeversprechen checkt. Die Einhaltung des Wettbewerbsrechts wird vor allem den Unternehmen untereinander, den Wettbewerbsverbänden und den Verbraucherzentralen überlassen. Die treten im Jahr hunderte Verfahren los, und diese Verfahren haben ja wieder eine abschreckende Wirkung. Das System entwickelt sich immer weiter, das Recht wird laufend angepasst. Aber irreführende Werbung ist natürlich immer erst in der Welt, bevor man versuchen kann, sie aus der Welt zu schaffen. In der Zwischenzeit hat das Unternehmen die Möglichkeit, viele Verbraucher hinters Licht zu führen.

Hier die Aufnahme des gesamten Live-Streams vom 2. Februar 2023:

Grafik: Frau, die sich eine Pille zum Mund führt. Text: Was ist Erlaubt? Werbung für Nahrungsergänzungsmittel.
Was ist Erlaubt? Werbung für Nahrungsergänzungsmittel
© Screenshot MedWatch-Instagram-Account / MedWatch

Wenn Lebensmittel zu Arzneimitteln werden

Um ein Nahrungsergänzungsmittel (NEM) auf den Markt zu bringen, muss es weder in Studien geprüft noch zugelassen werden. Der Hersteller meldet es einfach an. Das geht, weil der Gesetzgeber davon ausgeht, dass das Produkt – als reines Lebensmittel – keine Krankheiten lindert, heilt oder ihnen vorbeugt.

Bewerben Hersteller ihre NEM trotzdem mit diesen Versprechen, kann es passieren, dass rein rechtlich aus dem Lebensmittel plötzlich ein ArzneimittelArzneimittel Arzneimittel sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die angewandt werden, um Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder Beschwerden zu heilen, zu lindern oder zu verhüten. Es kann sich hierbei ebenfalls um Mittel handeln, die dafür sorgen, dass Krankheiten oder Beschwerden gar nicht erst auftreten. Die Definition beinhaltet ebenso Substanzen, die der Diagnose einer Krankheit nutzen oder seelische Zustände beeinflussen. Die Mittel können dabei im Körper oder auch am Körper wirken. Das gilt sowohl für die Anwendung beim Menschen als auch beim Tier. Die gesetzliche Definition von Arzneimitteln ist im § 2 Arzneimittelgesetz (AMG) enthalten. wird. Dann spricht man von einem „Präsentationsarzneimittel“. Für den Hersteller hätte das zur Folge, dass er die Wirkung nun belegen und sein Produkt zulassen muss. 

Bei der Werbung greift dann das Arzneimittelwerberecht. Das wiederum schließt Werbeversprechen in Bezug auf bestimmte Krankheiten – etwa Krebs – kategorisch aus.


Redaktion: Sigrid März, Arne Weinberg, Nicole Hagen