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Cochranes „Masken-Review“ Von Kirschenpflückern und verkomplizierten Zusammenhängen

Skulptur eines Menschen mit Mosaik verziert. Diese trägt eine echte medizinische Maske.
© Elli Lason / MedWatch

Eine Übersichtsarbeit der Wissenschafts- und Medizinorganisation Cochrane soll angeblich aussagen, dass das Tragen von Masken während der CoronaCorona Mit Corona bezeichnet die Allgemeinbevölkerung zumeist SARS-CoV-2 (Severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2). Es ist ein neues Beta-Coronavirus, welches zu Beginn des Jahres 2020 als Auslöser der Krankheit COVID-19 identifiziert wurde. Coronaviren waren schon vor 2020 altbekannt. In Menschen verursachen sie vorwiegend milde Erkältungskrankheiten (teils auch schwere Lungenentzündungen) und auch andere Wirte werden von ihnen befallen. SARS-CoV-2 hingegen verursacht wesentlich schwerere Krankheitsverläufe, mit Aufenthalten auf der Intensivstation bis hin zum Tod. Der Virusstamm entwickelte und entwickelt seit seiner Entdeckung verschiedene Virusvarianten, die in ihren Aminosäuren Austausche aufweisen, was zu unterschiedlichen Eigenschaften bezüglich ihrer Infektiosität und der Schwere eines Krankheitsverlaufes führt. Seit Dezember 2020 steht in Deutschland ein Impfstoff gegen SARS-CoV-2 zur Verfügung.-PandemiePandemie Pandemie bezeichnet eine globale Epidemie, eine zeitlich begrenzte und zugleich weltweit stattfindende Infektionskrankheit. Fehlende Grundimmunitäten gegen, z.B. neu mutierte, Bakterien- oder Virenstämme erhöhen Infektions- und Todesraten. Während einer Pandemie mit schweren Krankheitsverläufen sind Überlastungen von Gesundheitsversorgungsstrukturen und des öffentlichen Lebens schnell erreicht. Bekannte Beispiele für durch Viren hervorgerufene Pandemien sind HIV (seit den 80er Jahren), das Influenza-A-Virus (H1N1) von 2009 sowie Corona (seit 2019). Der weltweite Handel, eine globale Mobilität sowie immer weniger Rückzugsorte für andere Lebewesen begünstigen nicht nur die Entstehung von Infektionskrankheiten, sondern auch deren Ausbreitung. Die WHO kontrolliert in einem ständigen Prozess das Auftreten und die Verbreitung von Infektionskrankheiten, die potentiell epidemisch oder pandemisch werden könnten. nutzlos (gewesen) sei. Diese Schlussfolgerung stimmt nicht. MedWatch ordnet ein.

Am 30. Januar 2023 veröffentlichte das Cochrane-Netzwerk einen Übersichtsartikel mit dem Titel „Physikalische Interventionen zur Unterbrechung oder Verringerung der Ausbreitung von Atemwegsviren“. Er erörtert, wie nicht-medikamentöse Maßnahmen die Ausbreitung von Atemwegsviren vermindern. In den Tagen nach der Veröffentlichung fanden sich insbesondere in den sozialen Medien stark vereinfachte Interpretationen, die mitunter zu einer falschen Folgerung verleiteten: Masken schützten angeblich nicht vor Ansteckung mit Coronaviren.

Das Cochrane-Review besagt jedoch etwas anderes – nämlich, dass die bisherige Daten- und Studienlage keine klare Aussage zum Nutzen von Mund-Nasen-Masken treffen kann. 

Im „Masken-Review“ geht es nur am Rande um Corona

Die erste Version des Übersichtsartikels veröffentlichten die Cochrane-Autor:innen bereits 2006 und damit lange vor der Corona-Pandemie. Schon damals beleuchtete das Review unterschiedliche Maßnahmen zum Schutz vor einer Infektion mit Atemwegsviren. 

Derzeit kontrovers diskutiert wird die fünfte Aktualisierung der Übersichtsarbeit, die insgesamt 78 Einzelstudien auswertet. Nur zwei dieser von Cochrane für relevant erachteten Studien untersuchten den Zusammenhang von Masken mit COVID-19Covid-19 COVID-19 ist ein Akronym für die englische Bezeichnung Coronavirus Disease 2019, was so viel wie Corona-Virus-Krankheit 2019 heißt. Sie wird von dem neuen Beta-Coronavirus SARS-CoV-2 und seinen Varianten ausgelöst. Eine Erkrankung mit COVID-19 äußert sich zumeist – ca. vier bis sechs Tage nach Infektion – relativ unspezifisch durch Husten, Schnupfen, Halsschmerzen und Fieber sowie Störungen des Geruchs- und/oder Geschmackssinns. Atemnot, Kopf- und Gliederschmerzen, allgemeine Schwäche oder auch Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Appetitlosigkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfall können hinzukommen. Die Symptome können je nach Virusvariante variieren. Auch schwere Verläufe mit Aufenthalten auf der Intensivstation bis hin zum Tod sind möglich.. Die Autor:innen berücksichtigen also nicht nur Infektionen mit SARS-CoV-2SARS-CoV-2 SARS-CoV-2 – severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2 – ist ein neues Beta-Coronavirus, welches zu Beginn des Jahres 2020 als Auslöser der Krankheit COVID-19 identifiziert wurde. Coronaviren waren schon vor 2020 altbekannt. In Menschen verursachen sie vorwiegend milde Erkältungskrankheiten (teils auch schwere Lungenentzündungen) und auch andere Wirte werden von ihnen befallen. SARS-CoV-2 hingegen verursacht wesentlich schwerere Krankheitsverläufe, mit Aufenthalten auf der Intensivstation bis hin zum Tod. Der Virusstamm entwickelte und entwickelt seit seiner Entdeckung verschiedene Virusvarianten, die in ihren Aminosäuren Austausche aufweisen, was zu unterschiedlichen Eigenschaften bezüglich ihrer Infektiosität und der Schwere eines Krankheitsverlaufes führt. Seit Dezember 2020 steht in Deutschland ein Impfstoff gegen SARS-CoV-2 zur Verfügung., sondern vor allem mit anderen Viren wie dem Influenzavirus. Neben medizinischen und FFP2-Masken werteten die Autor:innen außerdem den Nutzen von Handhygiene aus. 

Studien mit massiven Mängeln

Das Review basiert auf Studien sowohl zu medizinischem Personal als auch der Allgemeinbevölkerung: Menschen aller Altersklassen und Lebensumstände, ob auf Schiffen oder in Schulen. Die Autor:innen fassen ihre Ergebnisse so zusammen: „Auf der Grundlage der von uns ausgewerteten Studien sind wir uns nicht sicher, ob das Tragen von [Alltags- und medizinischen] Masken oder N95/FFP2‐Atemschutzmasken dazu beiträgt, die Verbreitung von Atemwegsviren einzudämmen.“ 

Gleichzeitig merken sie aber an, dass ihr Vertrauen in die Ergebnisse gering bis moderat sei. Denn bei der Interpretation der Daten müssten die Einschränkungen und Fehlerquellen der zugrundeliegenden Studien bedacht werden. Folgende Mängel schmälern laut Cochrane die Aussagekraft einiger Studien: ein schlechtes Studiendesign, eine Studiendurchführung während geringer Viruslast sowie eine mangelnde Überprüfung, ob die Proband:innen Masken regelmäßig und korrekt trugen.

Zudem bemängeln die Verfasser:innen der Übersichtsarbeit, dass es während der Corona-Pandemie keine ausreichende Planung und Förderung für randomisierte kontrollierte Studien gegeben habe. Ohne solche könnten die physikalischen Maßnahmen, die am effektivsten schützen, nicht bewertet und benannt werden.

Datenlage nicht ausreichend

Wissenschaftliche Publikationen sind komplex. Oft sind Details relevant für ihre Gesamtaussage. Einzelne Aussagen dürfen entsprechend nicht aus dem Zusammenhang gerissen und separat interpretiert werden. Außerdem reflektieren Originalpublikationen immer nur den aktuellen Stand wissenschaftlicher Daten. Dementsprechend kritisch müssen Aussagen solcher Veröffentlichungen betrachtet werden. 

Fazit: Für eine Aussage zum Maskentragen ist es – vor allem im Bezug auf SARS-CoV-2 – schlichtweg zu früh. Weitere qualitativ aussagekräftige, randomisierte, kontrollierte Studien müssen folgen. 

Über Gesichtsmasken als Schutz vor Ansteckung mit Coronaviren berichtete MedWatch in einem Masken-FAQ erstmals Ende 2020.

Zusatzinformation

Was ist Cochrane?

Cochrane ist eine britische Non-Profit-Organisation, hinter der ein internationales Netzwerk von Personen aus Wissenschaft und Medizin steht. Über systematische Reviews stellt Cochrane evidenzbasierte Fakten zu aktuellen und öffentlichkeitsrelevanten Themen in einer frei zugänglichen Bibliothek in mehreren Sprachen zur Verfügung. Die ursprünglichen Übersichtsarbeiten und alle Aktualisierungen finden sich ebenfalls dort.

Was ist ein Review?

Ein Review ist eine wissenschaftliche Arbeit in Form einer Literaturübersicht, die zu einem bestimmten Thema versucht, alle verfügbaren Originalartikel zu betrachten und übergreifend einzuordnen. Originalartikel präsentieren dagegen neue Ergebnisse aus einem experimentellen Ansatz.


Redaktion: Sigrid März, Henrik Müller, Nicole Hagen