Longevity heißt das vermeintliche Zauberwort: länger gesünder leben. Und natürlich schöner und faltenfreier. Damit wirbt der Anbieter des Nahrungsergänzungsmittels Avea Collagen Activator. Die Belege dafür sind äußerst dünn.
„Mehr Energie, Vitalität und Jugendlichkeit“: Das verspricht der Anbieter Avea, wenn man seine Produkte einnimmt. Verkauft werden die NahrungsergänzungsmittelNahrungsergänzungsmittel Nahrungsergänzungsmittel werden den Lebensmitteln zugeordnet und sind abgegrenzt von Medikamenten zu betrachten. So dürfen sie, wie der Name schon sagt, die normale Ernährung ergänzen, sie jedoch nicht ersetzen und zudem keine arzneiliche Wirkung zeigen. Sie werden als Kapseln, Tabletten, Tropfen oder Ähnliches angeboten und enthalten oft Vitamine, Mineralstoffe oder sonstige Nährstoffe, die eine Wirkung erzielen sollen. Sie dürfen jedoch nicht wie ein Arzneimittel beworben werden. Die Hersteller dürfen keine spezifische Wirkung wie die Linderung oder Vorbeugung einer Krankheit anpreisen oder für ein definiertes Anwendungsgebiet werben. über einen Internet-Shop, den die Avea Life Ltd in Großbritannien betreibt. Das Management des Anbieters sitzt laut Selbstauskunft jedoch in der Schweiz. Ein echtes Impressum fehlt auf der Website.
Unter dem Schlagwort „Longevity“ (das englische Wort bedeutet so viel wie Langlebigkeit) sollen die Nahrungsergänzungsmittel angeblich dafür sorgen, langsamer und gesünder zu altern. Zu diesen Produkten gehört zum Beispiel der „Collagen Activator“. Was hinter diesem Nahrungsergänzungsmittel steckt und wie gut die angeblichen Wirkungen belegt sind, hat sich MedWatch genauer angeschaut.
Avea Collagen Activator – Eine bunte Mischung
Nach Angaben des Anbieters enthält das Nahrungsergänzungsmittel „Collagen Activator“ folgende Inhaltsstoffe: Colgevity, Calcium-Alpha-Ketoglutarat, Acerola-Extrakt und Algenpulver.
Hinter der von Avea hergestellten Substanz Colgevity steckt eine Mischung von drei Aminosäuren, also Bausteinen von Eiweißen. Auf das in solchen Produkten üblichere Kollagen oder andere Kollagen-Bestandteile hat der Anbieter wohl verzichtet, um zielgruppengerecht ein veganes Nahrungsergänzungsmittel anbieten zu können. Denn Kollagen stammt üblicherweise aus Schlachtabfällen. Die Verbindung Calcium-Alpha-Ketoglutarat besteht aus dem Mineralstoff Calcium und einer Substanz, die natürlicherweise im Zell-Energiestoffwechsel im menschlichen Körper vorkommt. Ein Extrakt aus der Acerola-Kirsche enthält Vitamin C. Das Algenpulver den Farbstoff Astaxanthin, der beispielsweise dem Gefieder von Flamingos seine rosa Farbe verleiht.
Avea Collagen Activator – Vollmundige Versprechungen
Der Avea „Collagen Activator“ soll nach den Behauptungen des Anbieters ein wahrer Jungbrunnen sein. Es „aktiviert den Kollagenaufbau“, „fördert die Verjüngung deiner Zellen und deiner Haut“, „fördert gesunde Gelenke durch Unterstützung des Knorpelwachstums“, „reduziert Entzündungen und fördert die Zellenergie“, „kann das biologische Alter mit der Zeit senken“. „Gesteigerte Energie“ soll schon nach sechs- bis achtwöchiger Einnahme zu bemerken sein. Für eine „allgemein gesteigerte Jugendlichkeit“ sollten es jedoch neun Monate und mehr sein, wie der Anbieter behauptet.
Es gibt nur ein Problem: Die meisten der gesundheitsbezogenen Aussagen (Health Claims) dürften gar nicht zulässig sein. Nicht in der EU und wohl auch nicht Großbritannien und der Schweiz, in denen sehr ähnliche Regeln für die Werbung bei Nahrungsergänzungsmitteln gelten.
So fördert die Recherche im EU-Register für Health Claims einige interessante Aspekte zutage:
- Für die drei enthaltenen Aminosäuren Glycin, Prolin und Hydroxyprolin sind gar keine genehmigten Health Claims zu finden. Gleiches gilt auch für Alpha-Ketoglutarat.
- Für Astaxanthin wurden eine Reihe von Health Claims beantragt, unter anderem im Zusammenhang mit Zellgesundheit oder Altern. Alle wurden jedoch wegen fehlender wissenschaftlicher Belege abgelehnt.
- Für Calcium sind nur Health Claims im Zusammenhang mit der Knochengesundheit erlaubt, die nutzt der Anbieter jedoch nicht.
- Einzig zulässig dürften einige der wenig spektakulären Health Claims zu Vitamin C sein, die der Anbieter auch auf dem Etikett des Produkts aufführt. „Vitamin C trägt zu einer normalen Kollagen-Bildung für die normale Funktion von Haut, Zähnen, Zahnfleisch, Knochen, Gelenken und Blutgefäßen bei“. Dass Vitamin C das Immunsystem stärke und kardioprotektiv sei, also das Herz schütze, wie der Anbieter behauptet, gehört dagegen nicht zu den genehmigten Health Claims.
- Zum Thema Altern, Anti-Aging, Zellgesundheit oder Langlebigkeit gibt es gar keine genehmigten Health Claims.
Wie aussagekräftig sind die zitierten Studien?
Laut Anbieter gibt es keine eigenen Studien zum Produkt. Allerdings findet sich auf der Website eine lange Liste von Studien zu einzelnen Bestandteilen. Die meisten zu kosmetischen Aussagen wie „verbessert die Elastizität der Haut“ oder zu unspezifischen Behauptungen wie „reduziert oxidativen Stress“.
Wenn man sich die verlinkten Studien anschaut, stellt sich heraus: Die überwiegende Mehrheit der Veröffentlichungen beschreibt Zell- oder Tierversuche. Oder es handelt sich um Übersichtsarbeiten, die solche Versuche zusammenfassen. Als Wirksamkeitsbeleg sind solche Studien aber nicht ausreichend.
Zitierte Studien und ihre Bewertung
Außerdem beziehen sich viele der Untersuchungen auf ganz andere Substanzen, etwa auf Abbauprodukte von Kollagen, die im Avea „Collagen Activator“ gar nicht enthalten sind.
Keine der zitierten Untersuchungen prüft mit verlässlichen Methoden, ob bei der langfristigen Einnahme des „Collagen Activator“ Menschen tatsächlich gesünder alt werden und länger leben.
Was hilft wirklich, länger gesünder zu leben?
Der Anbieter des „Collagen Activator“ begibt sich mit seinen vollmundigen Versprechungen auf dünnes Eis. Viele der Gesundheitsaussagen sind wohl unzulässig, die Belege für den Nutzen sind unzureichend. Dafür ruft der Anbieter stolze Preise auf. Für eine Monatspackung sind 79 Euro fällig, bei einem Abo über ein Jahr immerhin noch knapp 60 Euro.
Was tatsächlich hilft, um länger gesund zu bleiben, ist übrigens schon lange unter dem Begriff „gesunder Lebensstil“ bekannt: ausreichend körperliche Bewegung, gesunde Ernährung, kein Übergewicht, Rauchverzicht, möglichst wenig Alkohol, Stress reduzieren, ausreichend schlafen. Nahrungsergänzungsmittel braucht man dafür nicht. Wenn der Verdacht besteht, dass bestimmte Nährstoffe fehlen, kann ein Gespräch mit Arzt oder Ärztin helfen.
Der Beitrag erschien zuerst bei Gute Pillen – Schlechte Pillen und wurde für die Veröffentlichung bei MedWatch angepasst.
Redaktion: Sigrid März, Julia Sausmikat, Nicole Hagen