Der Mensch verbringt rund ein Drittel seines Lebens im Schlaf. Dennoch gibt es Momente, wo es nicht klappt mit dem Ein- oder Durchschlafen. Jeder kennt Nächte, in denen man sich rastlos im Bett hin- und her wälzt. Oder Augenblicke, wenn man mitten in der Nacht erwacht und nicht wieder einschlafen kann. Es geht einfach nicht, die Gedanken beginnen zu kreisen. Was tun?
In zwei Artikeln haben wir uns mit dem Schlafhormon MelatoninMelatonin Melatonin – ein Hormon, welches den Tag-Nacht-Rhythmus steuert – wird größtenteils im Gehirn durch die Zirbeldrüse synthetisiert. Seine Ausschüttung ist abhängig von der Tageslichtmenge, die auf die Netzhaut des Auges fällt. Dunkelheit regt die Ausschüttung an, weswegen es auch Schlafhormon genannt wird. Melatonin wird in letzter Zeit vermehrt als Wundermittel gehandelt. Es soll zusätzlich zu Schlafstörungen als Anti-Aging-Agenz und gegen Krebs wirken. In Deutschland wurde bisher nur ein Medikament mit Melatonin zugelassen. Dies ausschließlich zur kurzfristigen Einnahme von Patienten über 55, bei denen eine (auf keiner Krankheit beruhende) Schlafstörung besteht. Hochdosierte Melatonin-Präparate sind zudem verschreibungspflichtig. Über die schlafstimulierende Wirkung hinausgehende Anwendungen sind bisher nur unzureichend untersucht. Dies gilt ebenso für Langzeit-, Neben- und Wechselwirkungen des Hormons sowie für die Einnahme durch Schwangere und Stillende. Ungeachtet dessen wird das Hormon in Form von Nahrungsergänzungsmitteln und Sprays vertrieben. beschäftigt, das in fragwürdiger Weise sogar in Drogerien als Schlafmittel verkauft wird. Bevor wir über weitere Präparate berichten, die Verbrauchern eher weniger Schlaf bringen, als dass sie ihn Geld kosten, wollen wir auf MedWatch einen Überblick geben: über das große Thema Schlafprobleme und was man tun kann, und was besser nicht.
Schlafprobleme treten häufig auf: Jeder vierte Erwachsene in Deutschland schläft schlecht, ergab 2018 eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos Observer im Auftrag der Barmer Krankenkasse. Befragt wurden 4000 Menschen zwischen 14 und 75 Jahren in Deutschland.
„Schlafmittel sollten bei derartigen Problemen nicht die erste Wahl sein“, sagt Schlafforscher Werner Cassel vom Schlafmedizinischen Zentrum Marburg. Es gebe vieles, was man zunächst auf natürlichem Weg für einen guten Schlaf tun kann. Zudem sollte nicht jeder, der gelegentlich schlecht schläft, beunruhigt sein. Auch wer wenig schlafe und sich dabei gut fühle, könne unbesorgt sein. Das Schlafbedürfnis ist von Mensch zu Mensch verschieden. „95 Prozent der Menschen benötigen täglich zwischen sechs und neun Stunden Schlaf“, sagt Cassel.
Zusammen mit dem Bremer Pharmakologen Gerd GlaeskeGerd Glaeske Gerd Glaeske (1945 bis 2022) war Pharmakologe, Gesundheitswissenschaftler und u.a. jahrelanger Mitarbeiter für Bittere Pillen. Einer breiten Öffentlichkeit wurde er durch Funk, Fernsehen und diverse Printmedien bekannt. 23 Jahre lange hatte er die Professur für Arzneimittelanwendungsforschung am Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen inne und war zudem Mitglied des MedWatch-Beirates. haben wir eine kurze Übersicht gängiger Einschlafhilfen zusammengestellt:
BaldrianBaldrian Echter Badrian ist ein ausdauerndes Staudengewächs mit einer Wuchshöhe von bis zu zwei Metern. Die Blüte entfaltet einen stark süßlichen Geruch. Der Feuchtbodenpflanze wird eine schlaffördernde und beruhigende Wirkung nachgesagt, weshalb aus ihrer Wurzel wässrige oder alkoholische Auszüge oder Extrakte hergestellt werden. Zu den Inhaltsstoffen der Pflanze gehören unter anderem ätherische Öle, Valepotriate, Sesquiterpene, Fettsäuren, Lignane, Flavonoide und Alkaloide. Ob Schlafstörungen oder Angstzustände durch Baldrianextrakte behoben werden können ist bisher noch nicht eindeutig erforscht. als Schlafmittel
Baldrian (Valeriana officinalis) ist als Arzneipflanze schon lange bekannt. Die Pflanze wird bis zu 1,5 Meter hoch und ist in Europa und Asien zu finden. Der medizinisch wichtigste Teil des Baldrians ist die Wurzel. Sie enthält Öl, das unter anderem sogenannte Valepotriate enthält, denen eine müde machende Wirkung zugeschrieben wird. Im Gegensatz zu vielen anderen Schlafmitteln kommt es durch die Anwendung von Baldrian im Normalfall nicht zu Tagesmüdigkeit, berichtet PharmakologePharmakologe Eine Pharmakologin und ein Pharmakologe sind Expert*innen auf dem Gebiet der Pharmakologie. Ihr Arbeitsgebiet ist die Erforschung von Wirkungen und Wechselwirkungen eines Stoffes auf einen Organismus. Dies ist besonders bei der Neuentwicklung von Medikamenten wichtig. Ein Pharmakologe untersucht die biochemischen und physiologischen Effekte, also die Aufnahme, die Verteilung, den biochemischen Um-und Abbau im Körper sowie die Ausscheidung des Mittels. Die Pharmakologin prüft erwünschte und unerwünschte Nebenwirkungen, Wechselwirkungen mit anderen Stoffen und berücksichtigt hierbei genetische Faktoren. Auch Planung, Durchführung und Auswertung von Arzneimittelstudien gehören zum Aufgabengebiet. Zudem diagnostiziert und behandelt ein Pharmakologe Vergiftungen und führt toxikologische Beratungen durch. Gerd Glaeske. Allerdings wirkten Mittel mit Baldrian auch zumeist nicht zuverlässig als Einschlafhilfen. Oft werden sie mit Hopfen (Humulus lupulus) oder Passionsblume kombiniert. Mischungen mit Melisse oder Johanniskraut seien nicht empfehlenswert, weil für beide Pflanzenextrakte eine Wirksamkeit als Schlafmittel nicht zu erwarten ist.
Benzodiapine als Schlafmittel
Noch immer verordnen Ärzte starke Beruhigungsmittel aus der Gruppe der BenzodiazepineBenzodiazepine Bei Benzodiazepinen handelt es sich um verschreibungspflichtige Medikamente, die als Schlaf- oder Beruhigungsmittel in der Medizin gegen Angst- und Schlafstörungen eingesetzt werden. Der bekannteste Vertreter dieser Tranquilizer ist wohl Valium®. Benzodiazepine wirken angstlösend, beruhigend und muskelentspannend, teilweise auch krampflösend. Die psychoaktiven Substanzen binden an spezifische Rezeptoren, wodurch es zu einer gedämpften Aktivität bestimmter Hirnareale kommt. Diese Wirkweise sorgt für eine verminderte Antwort auf emotionale und psychische Reize. Auf Grund dessen, kommt es bei höheren Dosierungen zu Benommenheit, Niedergeschlagenheit und auch zu Gedächtnislücken. In Kombination mit anderen Substanzen kann ein Atem- und Herzstillstand folgen.. Hierzu zählen Produkte wie HalcionHalcion Halcion® ist ein von Pfizer vertriebenes Medikament. Es handelt sich hierbei um Triazolam, ein ultrakurz wirkendes Benzodiazepin. Es wird zur kurzzeitigen Behandlung von Schlafstörungen angewandt. Bereits nach kurzer Einnahmedauer kann es zu psychischen und physischen Abhängigkeiten kommen. Halcion® steht zudem in Verdacht, aggressives Verhalten, Amnesie, Depression und Paranoia auszulösen., Dalmadorn, Radedorm, NoctamidNoctamid Noctamid ist der Handelsname für eine Gruppe von Arzneimitteln, die den Wirkstoff Lormetazepam enthalten. Auf Grund seiner angst- und krampflösenden, beruhigenden sowie schlaffördernden Eigenschaften wird Noctamid für die symptomatische Behandlung von Einschlaf- und Durchschlafstörungen, von Spannungszuständen, Angststörungen sowie zur Beruhigung vor diagnostischen und operativen Eingriffen angewandt. Die Wirkung von Lormetazepam beruht auf einer Dämpfung des zentralen Nervensystems. Noctamid kann innerhalb von Wochen und bereits ab geringen Dosen abhängig machen. Weitere Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Schwindel, Bewegungs- und Konzentrationsstörungen, Stürze sowie depressive Verstimmungen bis hin zur Depression und Psychosen., Remestan oder Rohypnol. Benzodiazepine wirken entspannend (Tranquilizer) bis stark müde machend (Hypnotika), gleichzeitig wirken sie angstlösend, muskelentspannend und krampflösend. Je nach genauem Wirkstoff wirken sie in etwas anderem Maße und unterschiedlich lange, sagt Glaeske – Halcion als Schlafmittel eher zu kurz, Dalamadorm und Radedorm eher zu lang. Bei manchem Benzodiazepinen entstehen Abbauprodukte, die insbesondere bei älteren Menschen sehr lang im Körper bleiben und über lange Zeit dämpfend wirken (hang-over-Effekt) – dadurch könne es am Morgen nach der Einnahme zu Stürzen mit der Gefahr von Knochenbrüchen kommen. Von Flurazepam kann etwa eines der Abbauprodukte mehr als 100 Stunden wirken. Kurz- und mittellangwirkende Benzodiazepine (zum Beispiel in den Produkten Noctamid oder Remestan) gelten als geeignete Schlafmittel, langwirkende (zum Beispiel in den Produkten DalmadormDalmadorm Dalmadorm ist eine Arzneimittel-Zubereitung, die den Wirkstoff Flurazepam monohydrochlorid enthält und eine schlaffördernde und beruhigende Wirkung hat. Sie wird durch die MEDA Pharma GmbH & Co. KG in Bad Homburg vertrieben. Der Wirkstoff Flurazepam gehört zu den Benzodiazepinen und darf nur ärztlich und kurzzeitig verordnet werden, da er schnell abhängig macht. oder Radedorm) als wenig geeignet, sagt der Pharmazeut. Generell warnt Glaeske: Alle Benzodiazepine sollten nicht länger als 8 bis 14 Tage hintereinander eingenommen werden, weil sie nach vier bis sechs Wochen abhängig machen. Die Dosis brauche zwar nicht erhöht werden, doch wird das ArzneimittelArzneimittel Arzneimittel sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die angewandt werden, um Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder Beschwerden zu heilen, zu lindern oder zu verhüten. Es kann sich hierbei ebenfalls um Mittel handeln, die dafür sorgen, dass Krankheiten oder Beschwerden gar nicht erst auftreten. Die Definition beinhaltet ebenso Substanzen, die der Diagnose einer Krankheit nutzen oder seelische Zustände beeinflussen. Die Mittel können dabei im Körper oder auch am Körper wirken. Das gilt sowohl für die Anwendung beim Menschen als auch beim Tier. Die gesetzliche Definition von Arzneimitteln ist im § 2 Arzneimittelgesetz (AMG) enthalten. plötzlich abgesetzt, komme es zu Angst, erneuten und meist stärkeren Schlafstörungen (Rebound Insomia), Desorientiertheit oder Unruhe. In Einzelfällen könnte es auch zu gravierenden Entzugserscheinungen wie Psychosen kommen.
Zolpidem und Zopiclon (auch als Z-Drugs bezeichnet) sind chemisch gesehen zwar keine Benzodiazepine, sie greifen allerdings an denselben Bindungsstellen im Gehirn an und haben ähnliche Wirkungen. Sie gelten als geeignet, Einschlafstörungen zu beheben, sagt Glaeske, aber sollten ebenso wie die Benzodiazepine nur kurze Zeit – über 8 bis 14 Tage – angewendet werden. Die Präparate wirken nur für relativ kurze Zeit und werden daher typischerweise bei Einschlafstörungen eingesetzt: Zolpidem zwei bis vier Stunden, Zopiclon fünf Stunden. Beide Substanzen können wie die Benzodiazepine abhängig machen und führen bei abruptem Absetzen nach einer längerer Einnahmedauer von 4 bis 6 Wochen wie die Benzodiazepine zu Entzugserscheinungen.
AntihistaminikaAntihistaminika Eine übermäßige Produktion von Histamin führt zu einer allergischen Reaktion. Antihistaminika verhindern die Bindung des körpereigenen Botenstoffs Histamin an seine spezifischen Rezeptoren und lindern so auf schnelle Art und Weise Symptome wie Rötung, Schwellung und Juckreiz. als Schlafmittel
DiphenhydraminDiphenhydramin Diphenhydramin ist ein Antihistamin, ein antiallergischer Wirkstoff, der ersten Generation. Es wird auf Grund seiner sedierenden Wirkung zur kurzfristigen Behandlung von Schlafstörungen eingesetzt. Da Antihistaminika der zweiten Generation im Gegensatz zu Diphenhydramin die Blut-Hirn-Schranke kaum noch überwinden, bleibt bei diesen die Müdigkeit als Nebenwirkung aus. Es kann gegen Übelkeit, z.B. verursacht durch die Reisekrankheit, und allergische Reaktionen angewandt werden. und DoxylaminDoxylamin Doxylamin ist ein Antihistaminikum der ersten Generation mit beruhigenden und schlaffördernden Eigenschaften. Durch seine zentral dämpfende Wirkung mit einem besonders stark ausgeprägtem Sedierungseffekt, wird es nicht mehr als Antiallergikum, sondern ausschließlich als Schlafmittel eingesetzt. Es ist Bestandteil mancher Erkältungsmittel. Zusammen mit B6 wirkt Doxylamin gegen Schwangerschaftsübelkeit. Doxylamin ist ein Racemat und liegt in Arzneimitteln als Doxylaminhydrogensuccinat vor, ein weißes, in Wasser leicht lösliches Pulver. Es gehört zu den Ethanolamin- und Pyridinderivaten. sind Antihistaminika, also Medikamente, die üblicherweise bei Allergien oder bei Reisekrankheiten eingesetzt werden. „Da die Wirkstoffe bei ihrer Anwendung müde machen, wurden ihre Nebenwirkungen ausgenutzt und sie wurden dann als nicht-rezeptpflichte Schlafmittel angeboten“, berichtet Glaeske. Problematisch sei, dass bereits wenige Tage nach der Einnahme von Diphenhydramin ein Gewöhnungseffekt eintreten könne. Präparate dieser Gruppe gälten dennoch bei Schlafstörungen als geeignete Mittel in der Selbstmedikation, sie seien wie die Benzodiazepine und die Z-Drugs auch nicht zur Daueranwendung geeignet. Die Einnahme sollte möglichst bald – nach etwa 6 bis 8 Tagen – schrittweise verringert werden. Zudem müssten sich die Anwender darauf einstellen, danach wieder schlechter zu schlafen: Es könne zu Unruhe und Angstzuständen kommen.
Melatonin als Schlafmittel
Und dann gibt es noch NahrungsergänzungsmittelNahrungsergänzungsmittel Nahrungsergänzungsmittel werden den Lebensmitteln zugeordnet und sind abgegrenzt von Medikamenten zu betrachten. So dürfen sie, wie der Name schon sagt, die normale Ernährung ergänzen, sie jedoch nicht ersetzen und zudem keine arzneiliche Wirkung zeigen. Sie werden als Kapseln, Tabletten, Tropfen oder Ähnliches angeboten und enthalten oft Vitamine, Mineralstoffe oder sonstige Nährstoffe, die eine Wirkung erzielen sollen. Sie dürfen jedoch nicht wie ein Arzneimittel beworben werden. Die Hersteller dürfen keine spezifische Wirkung wie die Linderung oder Vorbeugung einer Krankheit anpreisen oder für ein definiertes Anwendungsgebiet werben. und Arzneimittel mit Melatonin, über die wir zuvor berichtet hatten. Melatonin beeinflusse nicht nur den Schlaf-Wach-Rhythmus, sondern auch weitere biologische Funktionen des Körpers wie den Blutdruck oder die Nierenfunktion, sagt Glaeske. Aufgrund der breiten Wirkung solle die Einnahme gut überlegt erfolgen. Bisher lasse sich nicht klar sagen, für wen Melatonin wirklich eine Schlafhilfe sein kann. „Die vorliegenden Meta-Analysen liefern kein einheitliches Bild hinsichtlich der Wirksamkeit von Melatonin“, heißt es hierzu in den Leitlinien der Schlafgesellschaft.
Wer bei Schlafproblemen verstärkt auf seine innere Uhr achte, könne viel erreichen: Tagsüber helfe Tageslicht, die Produktion von Serotonin zu erhöhen, was wiederum die Melatonin-Produktion ankurbele. „Gehen Sie zwischendurch mal eine kleine Runde spazieren, fahren Sie mit dem Fahrrad zur Arbeit, statt mit dem Auto. Verlassen Sie in der Mittagspause das Büro“, rät Cassel. Ab 21 Uhr sollte der Menschen dann umschalten, für den Körper beginnt die Ruhepause. „Meiden Sie helles, künstliches Licht“, sagt der Psychologe. Elektrische Geräte sollten am besten auf Nachtmodus gestellt werden. Wer auf dem Sofa zur Ruhe kommt und dann vor dem zu Bett gehen noch im hellen Badezimmer Zähne putzt, stürze seinen Körper in Verwirrung: Schon wenige Sekunden grelles Licht reichten, die innere Uhr durcheinander zu bringen, sagt Cassel.
9,3 Prozent der Deutschen nehmen regelmäßig verschreibungspflichtige Schlafmittel
Und wenn das nicht hilft? „Versuchen Sie wirklich zu entspannen. Der Schlaf kommt von selbst.“ Natürlich ist das leichter gesagt als getan: Cassel vergleicht das Phänomen „Einschlafen“ gern mit dem Wesen einer Katze. Diese komme auch nur dann, wenn sie will und wenn sie es gemütlich findet. Zwingen lässt sie sich dazu nicht. Will heißen: Wer ins Bett geht, sollte es angenehm haben, vielleicht ein Buch lesen, ein Hörbuch oder Entspannungsmusik hören. Wer nachts erwacht, sollte auf keinen Fall auf die Uhr schauen. Das stresse zusätzlich, sagt Cassel. „Unsere Vorfahren konnten das auch nicht.“ Nächtliches Aufwachen sei ganz normal, die Gedanken sollten dann bewusst auf etwas Angenehmes gelenkt werden.
Um Schlafproblemen zu begegnen, greifen laut Barmer Report rund 9,3 Prozent der Deutschen regelmäßig zu verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, 11,7 Prozent versuchen es mit freiverkäuflichen Präparaten. Es gibt viele verschiedene Mittel aus verschiedenen Wirkstoffgruppen, manche freiverkäuflich, manche ohne Rezept in Apotheken, für die meisten wird allerdings ein Rezept aus der ärztlichen Praxis benötigt.
Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) empfiehlt in ihren Leitlinien „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen“ bei Schlafproblemen zu aller erst eine Kognitive Verhaltenstherapie. Grundannahme dieser Therapieart ist es, dass Gedanken, Gefühle und Verhalten eng zusammenhängen und sich gegenseitig beeinflussen. Ziel dieser TherapieTherapie Therapie bezeichnet eine Heil- oder Krankenbehandlung im weitesten Sinn. Es kann hierbei die Beseitigung einer Krankheitsursache oder die Beseitigung von Symptomen im Mittelpunkt stehen. Ziel einer jeden Therapie ist die Widerherstellung der physischen und psychischen Funktionen eines Patienten durch einen Therapeuten. Soweit dies unter den jeweiligen Bedingungen möglich ist. ist es, belastende Faktoren zu finden und sie zu verändern.
Erst wenn die Therapie nicht hinreichend effektiv war oder nicht durchführbar ist, sollte eine medikamentöse Therapie durchgeführt werden, heißt es in den Leitlinien. Dabei gebe es eine Vielzahl an Behandlungsoptionen für Erwachsene. Verschreibungspflichtige Medikamente sollten nur für einen kurzen Zeitraum eingenommen werden, in der Regel nicht länger als vier Wochen.
Melatonin reguliert den Tag-Nacht-Zyklus
In der schlafmedizinischen Ambulanz der Uniklinik Marburg verschreibt man Einschlafhilfen mit Melatonin oft lieber als Medikamente aus der Gruppe der Benzodiazepine, auch wenn letztere hochgerechnet die am meisten verordnete Wirkstoffgruppe sei.
Wenn man einem nachtaktiven Tier wie einer Ratte ein konventionelles Schlafmittel, etwa ein Benzodiazepin gibt, schlafe dieses schnell und zuverlässig ein. Bekommt die Ratte Melatonin, schlafe sie nicht ein, sondern werde besonders aktiv, wie auch eineim Magazin „Physiology & Behavior“ veröffentlichte Studie gezeigt hat. Das Hormon schaltet ihr Gehirn auf den Dunkelheitsmodus, für die Ratte bedeutet dies Aktivität. „Der Mensch als tagaktives Lebewesen ruht nachts. Daher wird bei uns Ruhe und Schlaf gefördert“, sagt Cassel. „Hohe Melatoninspiegel gehen mit besserem Einschlafen, höherem Tiefschlafanteil und einer besseren Schlafkontinuität einher“, berichtet Cassel. Melatonin vermittele die Botschaft „Es ist Nacht“.
Und das geht so:
Schlaf ist von vielen verschiedenen Faktoren bestimmt. Der wichtigste sei das Licht, sagt Cassel. Bestimmte retinale Ganglienzellen auf der lichtzugewandten Seite der Netzhaut unseres Auges sind direkt mit einer Region des Gehirns verbunden, dem suprachiasmatischen Nukleus (SCN). Dieser steuert die Melatoninproduktion in der Zirbeldrüse. Melatonin ist ein körpereigenes Hormon, das den Tag-Nacht-Zyklus reguliert und dessen Konzentration im Tagesverlauf stark schwankt. Bei Dunkelheit steigt die Produktion meist ab etwa 21 Uhr stark an. Im SCN gebe es nun spezielle Melatoninrezeptoren, die ständig den Gehalt des Hormons im Blut messen. Etwa ein bis zwei Stunden nach Beginn der Ausschüttung von Melatonin erreiche der Melatoninanstieg seinen Höhepunkt, was wiederum im SCN vermerkt werde – als Taktsignal für den 24-Stunden-Rhythmus.
Melatonin bei Interkontinentalflügen beliebt
Bei gesunden Menschen finde so durch den Hell-Dunkel-Wechsel immer wieder eine Synchronisation eines stabilen 24-Stunden-Rythmuses statt. Daher sei auch die Anpassung der inneren Uhr an andere Zeitzonen möglich, sagt Cassel. Nach einem Interkontinentalflug wird durch das gegenüber dem Ausgangsort geänderte Hell-Dunkel-Signal die Melatonin-Produktion langsam an den neuen Ort angepasst. „Die beansprucht etwa einen Tag pro Zeitzone“, sagt Cassel. „Nach erfolgreicher Anpassung läuft die Zeit der inneren Uhr wieder synchron mit der Außenzeit, sodass wir nachts schlafen können und tagsüber wach sind.“
Melatoninhaltige Medikamente sind daher besonders nach Interkontinentalflügen beliebt. Cassel kann das verstehen, weist allerdings darauf hin, dass es in Deutschland nur ein zugelassenes Arzneimittel gibt. Dies komme für Menschen ab 55 Jahren zum Einsatz, könne aber durch einen Arzt in Ausnahmefällen als sogenannter off-label use auch jüngeren Menschen verschrieben werden. Der Vorteil: Dieses Medikament gibt das enthaltene Melatonin nach und nach ab, was bei anderen Mitteln, die als Nahrungsergänzungsmittel in Drogerien erhältlich sind, nicht der Fall sei. Hier werde das enthaltene Hormon auf einmal abgegeben und dann auch schnell verstoffwechselt. Es helfe also beim Einschlafen, aber nach drei, vier Stunden ist der Effekt wieder weg. Das Durchschlafen unterstützten diese Mittel nicht, sagt Cassel.
In unseren nächsten Artikeln aus unserer Schlaf-Reihe berichten wir über die „Höhle des Löwen“: Was hat es mit dem Präparat „Sleep well“, dessen Hersteller und Erfinder die Jury um Carsten Maschmeyer und Frank Thelen für sich gewinnen konnte, auf sich? Außerdem bestellen wir eine fragwürdige Einschlafhilfe mit Melatonin aus den USA.
“Kognitive Verhaltenstherapie. Grundannahme dieser Therapieart ist es, dass Gedanken, Gefühle und Verhalten eng zusammenhängen und sich gegenseitig beeinflussen. Ziel dieser TherapieTherapie Therapie bezeichnet eine Heil- oder Krankenbehandlung im weitesten Sinn. Es kann hierbei die Beseitigung einer Krankheitsursache oder die Beseitigung von Symptomen im Mittelpunkt stehen. Ziel einer jeden Therapie ist die Widerherstellung der physischen und psychischen Funktionen eines Patienten durch einen Therapeuten. Soweit dies unter den jeweiligen Bedingungen möglich ist. ist es, belastende Faktoren zu finden und sie zu verändern”
Das ist ja gut gemeint, aber in vielen Situationen völlig nutzlos. Wenn ich z.B, gelegentlich am nächsten Tag eine sehr belastende Situation habe, weil ich eine wichtige Entscheidung mit ungewissen Ausgang treffen muss, bringt mir weder eine Verhaltenstherapie, BaldrianBaldrian Echter Badrian ist ein ausdauerndes Staudengewächs mit einer Wuchshöhe von bis zu zwei Metern. Die Blüte entfaltet einen stark süßlichen Geruch. Der Feuchtbodenpflanze wird eine schlaffördernde und beruhigende Wirkung nachgesagt, weshalb aus ihrer Wurzel wässrige oder alkoholische Auszüge oder Extrakte hergestellt werden. Zu den Inhaltsstoffen der Pflanze gehören unter anderem ätherische Öle, Valepotriate, Sesquiterpene, Fettsäuren, Lignane, Flavonoide und Alkaloide. Ob Schlafstörungen oder Angstzustände durch Baldrianextrakte behoben werden können ist bisher noch nicht eindeutig erforscht., MelatoninMelatonin Melatonin – ein Hormon, welches den Tag-Nacht-Rhythmus steuert – wird größtenteils im Gehirn durch die Zirbeldrüse synthetisiert. Seine Ausschüttung ist abhängig von der Tageslichtmenge, die auf die Netzhaut des Auges fällt. Dunkelheit regt die Ausschüttung an, weswegen es auch Schlafhormon genannt wird. Melatonin wird in letzter Zeit vermehrt als Wundermittel gehandelt. Es soll zusätzlich zu Schlafstörungen als Anti-Aging-Agenz und gegen Krebs wirken. In Deutschland wurde bisher nur ein Medikament mit Melatonin zugelassen. Dies ausschließlich zur kurzfristigen Einnahme von Patienten über 55, bei denen eine (auf keiner Krankheit beruhende) Schlafstörung besteht. Hochdosierte Melatonin-Präparate sind zudem verschreibungspflichtig. Über die schlafstimulierende Wirkung hinausgehende Anwendungen sind bisher nur unzureichend untersucht. Dies gilt ebenso für Langzeit-, Neben- und Wechselwirkungen des Hormons sowie für die Einnahme durch Schwangere und Stillende. Ungeachtet dessen wird das Hormon in Form von Nahrungsergänzungsmitteln und Sprays vertrieben. oder lange Spaziergänge bei Tageslicht etwas. Dann muss ich ein Mittel nehmen, damit ich nicht um 3.00 Uhr morgens hellwach bin, weil sich meine Gedanken um dieses wichtige Ereignis drehen. Das nennt man Angst, und Angst ist menschlich.
Hallo Tom, danke für deinen Kommentar. Es ist wohl eher so, dass man durch die Kognitive Verhaltenstherapie mehr oder minder bald in der Lagen sein sollte, auch ohne Tabletten solche Situationen bewältigen zu können. Aber natürlich: Angst ist ein wichtiges Thema. Viele Grüße, Nicola Kuhrt für das MedWatch-Team
Ich glaube ihr meint Frank Thelen hier. Peter Thiel ist echter US top VC und würde sicher nicht bei einer TV Show wie Höhle der Löwen mitmachen:
“die Jury um Carsten Maschmeyer und Peter Thiel für sich gewinnen konnte”
Hallo Herr Römer, Sie haben natürlich Recht. Wir haben die Namensverwechslung korrigiert. Besten Dank für diesen Hinweis, Nicola Kuhrt