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Miracle Mineral Solution Gefährliches MMS: Kleinkind auf Intensivstation

Hand mit blauen Handschuhen zieht eine klare Flüssigkeit in eine Spritze auf.
Ein Kleinkind landete wegen dem sog. Miracle Mineral Supplement (MMS) auf der Intensivstation. © wirestock / Freepik

Miracle Mineral Solution ist bei einigen Heilpraktikern als Wundermittel beliebt. Tatsächlich fehlen aber Wirknachweise. Außerdem ist die Flüssigkeit gefährlich. MMSMMS MMS ist die Kurzform für Miracle Mineral Supplement. Damit wird eine Chlordioxid-Lösung, auch CDL genannt, bezeichnet. Der Begriff geht auf Jim Humble zurück, welcher ein ehemaliges und langjähriges Scientology-Mitglied war und 2010 eine weitere Sekte gründete (Genesis II, Church of Health & Healing). Chlordioxid, ClO2, ist bei Raumtemperatur ein bernsteinfarbenes Gas, welches bei einer Konzentration von über 10% in der Luft explosiv ist. Deshalb wird es zumeist in wässriger, nicht explosiver, Lösung angeboten (MMS / CDL). Chlordioxid besitzt eine oxidative Wirkung, so dient es z.B. als Bleichmittel von Zellstoff (z.B. Papier) oder auch der Desinfektion von Trinkwasser. Auf vielen Foren wird es als Allheilmittel – auch gegen Corona – beschrieben, oft mit verehrenden gesundheitlichen Folgen. Die Anrufe beim Giftnotruf häufen sich und auch die Gabe von CDL / MMS an kleine Kinder wird propagiert. Für die angepriesene Heilung der verschiedensten Krankheiten gibt es aktuell keine wissenschaftliche Grundlage. brachte nun ein kleines Kind mit schweren Verletzungen auf die Intensivstation.

Nachdem ein zweieinhalbjähriger Junge die MMS-„Darmkur“ seines Großvaters getrunken hatte, musste er mit schweren Verätzungen auf der Intensivstation einer Klinik behandelt werden. Über den Fall berichtete die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft im Juli 2023.

Die „Darmkur“ hatte ein HeilpraktikerHeilpraktiker Heilpraktiker*in ist ein Medizinberuf, der auf dem deutschen Heilpraktikergesetz (HPG) beruht. Es handelt sich um einen sogenannten freien Beruf, dem keine einheitliche Ausbildung zugrunde liegt. Weder eine medizinische Ausbildung noch eine berufsqualifizierende Fachprüfung sind dafür erforderlich. Folgende Tätigkeiten bzw. Tätigkeitsfelder sind jedoch ausgeschlossen: Geburtshilfe, Geschlechtskrankheiten, meldepflichtige übertragbare Krankheiten, die Verordnung verschreibungspflichtiger Arzneimittel, die Verordnung von Betäubungsmitteln. In Österreich ist der Beruf verboten. dem Großvater als Flüssigkeit für einen Darmeinlauf empfohlen. Sie enthielt eine 25-prozentige Natriumchloritlösung. Natriumchlorit – das Salz der chlorigen Säure – ist nicht nur Bleich- und Desinfektionsmittel, sondern eben auch eine Grundzutat für die „Miracle Mineral Solution“ (MMS).

MMS ist eine Mischung aus Natriumchloritlösung und Salz-, Zitronen- oder Milchsäure. Dabei entsteht ChlordioxidChlordioxid Chlordioxid, ClO2, ist bei Raumtemperatur ein bernsteinfarbenes Gas, welches bei einer Konzentration von über 10% in der Luft explosiv ist. Deshalb wird es zumeist in wässriger, nicht explosiver, Lösung angeboten (CDL). Chlordioxid besitzt eine oxidative Wirkung, so dient es z.B. als Bleichmittel von Zellstoff (z.B. Papier) oder auch der Desinfektion von Trinkwasser. Auf vielen Foren wird es als Allheilmittel – auch gegen Corona – beschrieben, oft mit verehrenden gesundheitlichen Folgen. Die Anrufe beim Giftnotruf häufen sich und auch die Gabe von CDL (oder MMS) an kleine Kinder wird propagiert. Für die angepriesene Heilung der verschiedensten Krankheiten gibt es aktuell keine wissenschaftliche Grundlage., ein ätzendes Atemgift. Einige Heilpraktiker empfehlen MMS als Trinklösung, Bad oder Darmeinlauf. Das Wundermittel soll angeblich gegen AutismusAutismus Autismus ist ein Sammelbegriff, der verschiedene Entwicklungsstörungen benennt: die sog. Autismus-Spektrum-Störungen. Dabei handelt es sich um tiefgreifende neurologische Entwicklungsstörungen, die das soziale Leben erschweren, zu Problemen mit sozialen Kontakten führen, und auch Einfluss auf die Kommunikation und Sprache haben. Sie wirken sich ebenso auf das Verhaltensrepertoire aus uns führen zu stereotypen Handlungen. Autismus äußert sich in Art, Ausprägung und Schwere sehr individuell. Manche entwickeln nur leichte Symptome, andere sind schwer beeinträchtigt. Es gibt z.B. den frühkindlichen Autismus, das Asperger-Syndrom und den atypischen Autismus. Es kann zu Intelligenzminderung oder zu Inselbegabungen (Savant-Syndrom) kommen., Malaria und Krebserkrankungen helfen.

Die Fakten sprechen gegen MMS. Es gibt keine Studie, die andeuten würde, dass MMS je einem Patienten half. Und es gibt auch keine evidenzbasierte Erklärung dafür, warum die giftige Chlorbleiche bei Krankheiten helfen soll, ohne schwere Nebenwirkungen zu verursachen. Das aber behaupten die MMS-Jünger.


MMS-Folgen: Künstliche Beatmung und Bluttransfusion

Dabei sind die negativen Folgen gut dokumentiert, wie im Falle des Kleinkindes. Bevor der zweieinhalbjährige Junge ins Krankenhaus eingeliefert wurde, litt er unter Durchfall und Erbrechen. Im Krankenhaus bemerkten die Ärzte, dass die Lippen des Kindes blau und die Haut grau war. Der Grund: Die ätzende Lösung verändert die roten Blutkörperchen. Sie konnten deshalb den Körper des Kindes nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgen. Auf der Intensivstation beatmeten die Ärzte den Jungen und gaben ihm rote Blutkörperchen per Transfusion.

Am nächsten Tag entdeckten die Ärzte zusätzlich, dass die Speiseröhre und die Magenschleimhaut des Kindes völlig verätzt worden war. Nach einigen Tagen ging es dem Jungen wieder besser, er konnte entlassen werden.

Das Beispiel des Kleinkindes auf der Intensivstation nach der Einnahme von MMS ist kein Einzelfall. Die Giftnotrufzentrale Nord, zuständig für Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, meldete 98 Chlordioxid-Vergiftungen zwischen 2010 und 2020. Seit Beginn der Covid-19Covid-19 COVID-19 ist ein Akronym für die englische Bezeichnung Coronavirus Disease 2019, was so viel wie Corona-Virus-Krankheit 2019 heißt. Sie wird von dem neuen Beta-Coronavirus SARS-CoV-2 und seinen Varianten ausgelöst. Eine Erkrankung mit COVID-19 äußert sich zumeist – ca. vier bis sechs Tage nach Infektion – relativ unspezifisch durch Husten, Schnupfen, Halsschmerzen und Fieber sowie Störungen des Geruchs- und/oder Geschmackssinns. Atemnot, Kopf- und Gliederschmerzen, allgemeine Schwäche oder auch Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Appetitlosigkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfall können hinzukommen. Die Symptome können je nach Virusvariante variieren. Auch schwere Verläufe mit Aufenthalten auf der Intensivstation bis hin zum Tod sind möglich.-PandemiePandemie Pandemie bezeichnet eine globale Epidemie, eine zeitlich begrenzte und zugleich weltweit stattfindende Infektionskrankheit. Fehlende Grundimmunitäten gegen, z.B. neu mutierte, Bakterien- oder Virenstämme erhöhen Infektions- und Todesraten. Während einer Pandemie mit schweren Krankheitsverläufen sind Überlastungen von Gesundheitsversorgungsstrukturen und des öffentlichen Lebens schnell erreicht. Bekannte Beispiele für durch Viren hervorgerufene Pandemien sind HIV (seit den 80er Jahren), das Influenza-A-Virus (H1N1) von 2009 sowie Corona (seit 2019). Der weltweite Handel, eine globale Mobilität sowie immer weniger Rückzugsorte für andere Lebewesen begünstigen nicht nur die Entstehung von Infektionskrankheiten, sondern auch deren Ausbreitung. Die WHO kontrolliert in einem ständigen Prozess das Auftreten und die Verbreitung von Infektionskrankheiten, die potentiell epidemisch oder pandemisch werden könnten. seien die Vergiftungen häufiger geworden, weil Heilpraktiker MMS und Chlordioxid als Mittel gegen SARS-CoV-2SARS-CoV-2 SARS-CoV-2 – severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2 – ist ein neues Beta-Coronavirus, welches zu Beginn des Jahres 2020 als Auslöser der Krankheit COVID-19 identifiziert wurde. Coronaviren waren schon vor 2020 altbekannt. In Menschen verursachen sie vorwiegend milde Erkältungskrankheiten (teils auch schwere Lungenentzündungen) und auch andere Wirte werden von ihnen befallen. SARS-CoV-2 hingegen verursacht wesentlich schwerere Krankheitsverläufe, mit Aufenthalten auf der Intensivstation bis hin zum Tod. Der Virusstamm entwickelte und entwickelt seit seiner Entdeckung verschiedene Virusvarianten, die in ihren Aminosäuren Austausche aufweisen, was zu unterschiedlichen Eigenschaften bezüglich ihrer Infektiosität und der Schwere eines Krankheitsverlaufes führt. Seit Dezember 2020 steht in Deutschland ein Impfstoff gegen SARS-CoV-2 zur Verfügung. empfahlen.

Das MMS-Netzwerk

Wer sich mit Medizin befasst, für den klingt Miracle Mineral Solution nicht gerade seriös. Insbesondere das Wort „Miracle“ (zu Deutsch: Wunder) klingt eher nach Jahrmarkt als nach Uniklinikum. Trotzdem ist MMS bei einigen Heilpraktikern ein beliebtes Mittel, dass sie bei verschiedensten körperlichen Beschwerden einsetzen. Die MedWatch-Redaktion berichtete mehrfach darüber.

Zum Beispiel 2018: Gemeinsam mit der ARD enthüllte MedWatch die Arbeitsweise eines Arztes, der MMS direkt in seiner Praxis verkaufte. Eltern sollten die Chlorbleiche ihren Kindern als Darmeinläufe verabreichen, um so beispielsweise Autismus zu heilen. Der Arzt verlor daraufhin seine Zulassung. 2022 berichteten wir über die Konferenz „Paradigma“. Hier bewarben 41 Sprecher aus Europa, Asien und Südamerika die Ätz-Lösung.

2022 widmete sich MedWatch schließlich in einem MedWatch-Check XXL den chemischen Grundlagen und den Folgen der Miracle Mineral Solution. Die Lösung  ist kein Heilmittel, sondern gefährdet die Gesundheit. Wer die Natriumchloritlösung entsorgen möchte, sollte diese wie Sondermüll behandeln – und sich bei der lokalen Abfallwirtschaft erkundigen, wie in der Kommune mit Chlorbleiche umgegangen wird.

Der Beitrag erschien zuerst bei Gute Pillen – Schlechte Pillen und wurde für die Veröffentlichung bei MedWatch angepasst.


Redaktion: Sigrid März, Nicole Hagen