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MedWatch-Check Was sollen „Heilsteine“ im Wasser?

Bunte Steine, Heilsteine.
Colorful pebbles stones on wooden table © awesomecontent / Freepik

Eine Leserin fragte uns, was es mit Steinen auf sich hat, die manche Menschen ins Trinkwasser tun. Handelt es sich nur um Humbug – und gibt es wissenschaftliche Erkenntnisse hierzu? Die Frage gaben wir weiter an Helge Bergmann. Der Chemiker arbeitete 30 Jahre lang in der Bundesanstalt für Gewässerkunde in Koblenz. Er ist Autor des Buches „Trübes Wasser – der esoterische Wassermarkt.“ Zudem befragten wir den Geologen Michael Link.

MedWatch: Herr Bergmann, was ist „esoterisches Wasser“?

Bergmann: Esoterisches Wasser ist für mich ganz normales Leitungswasser, das jedermann aus dem Hahn fließen lassen kann. Es wurde aber mit esoterischen Methoden behandelt, zum Beispiel mit diesen angeblichen Edelsteinen, manche Verkäufer nennen sie sogar „HeilsteineHeilsteine Als Heilsteine werden Mineralien, Gesteine und Fossilien bezeichnet, die – vor allem in esoterischen und pseudowissenschaftlichen Kreisen – zur Behandlung bzw. Heilung von physischen und psychischen Krankheiten eingesetzt werden. Bereits Hildegard von Bingen führte Steine mit besonderen Kräften auf. Bei ihr handelte es sich um Mineralien, die in der Bibel Erwähnung finden. Die Wirkweise dieser Steine wurde ihr in Visionen übermittelt. Heutzutage gehen Verfechter der Heilsteintherapie hingegen davon aus, dass von den Steinen energetische Schwingungen ausgesandt werden, die der Symptombehandlung dienen. Diese Wirkungen sind bislang weder wissenschaftlich nachweisbar noch medizinisch anerkannt.“. Dieses Wasser soll dann plötzlich eine positive spezifische Wirkung auf die menschliche Gesundheit haben. Meist geht es dabei um Kristalle, denen vielfältige Wirkungen zugeschrieben werden.

MedWatch: Warum sind es nur angeblich Edelsteine?

Bergmann: Weil es keine sind, verkauft wird meist mehr oder weniger schönes, billiges Zeug. Ich habe hier bei mir so eine Edelsteinmischung stehen – die ist aus billigem Gips, also sicherlich keine Edelsteine.

MedWatch: Aber machen die Steine jetzt irgendwas, wenn ich sie über Nacht ins Wasser lege?

Bergmann: Nein. Das ist ganz schlicht mit einem klaren Nein zu beantworten. Ich kann es vielleicht ein bisschen ausführen.

MedWatch: Ja, gerne.

Bergmann: Diese Steine sollen ja etwas von sich, vom Kristall, auf das umgebende Wasser übertragen. Und was sie übertragen sollen, das kann man in der Werbung lesen: Das sind zum Beispiel Schwingungen vom Kristall auf das Wasser oder sogar Informationen oder Energie, diese sollen das Wasser energetisieren. Das sind in der Physik ganz normale Begriffe und das ist ja gerade die Täuschung, dass die Händler wissenschaftliche Begriffe hernehmen und sie in esoterischer Weise anwenden. Aber wenn dann die Wissenschaft kommt und nachfragt: Wirkt das überhaupt? Und wie? – da kommen dann keine Informationen mehr.

MedWatch: Es ist aber doch immer von einer positiven Wirkung die Rede, die die Steine hätten, wenn man sie ins Wasser gibt.

Bergmann: Naja, Schwingungen gibt es natürlich, aber nicht Schwingungen vom Kristall auf das Wasser. Diese Vorgänge, der Übergang von irgendetwas, existiert nicht, ist nicht nachweisbar. Und damit bleibt das Wasser Leitungswasser. Wenn Sie es am nächsten Tag trinken, wenn Sie es über Nacht so vielleicht vorbereitet hatten, dann ist das das gleiche Leitungswasser wie am Abend vorher.

MedWatch: Aber was meint denn dann „Energetisierung“?

Bergmann: Das ist ein Begriff, der nur in der EsoterikEsoterik Esoterik versteht sich als eine Geheimlehre, deren Wissen ursprünglich nur für einen kleinen Kreis bestimmt war. Hierzu zählen Methoden wie das Kartenlegen, Hellsehen, die Astrologie und Magie. Heute ist die Esoterik ein häufiger Anlaufpunkt für Sinnsuchende oder dient als Hoffnungsschimmer für unheilbar Kranke, mit teils teuren Konsequenzen. existiert und nicht in der Physik. Den finden Sie immer wieder, aber: Ich kann zwar Wasser erwärmen, ich führe ihm Energie zu. Das ist aber nicht gemeint. Die Energetisierung soll bewirken, dass das Wasser, das so behandelt wird, auf den Menschen positiv wirkt und die Energie vom Wasser auf den Menschen übergeht. Was aber weder nachweisbar noch wahrscheinlich ist.

MedWatch: Ist Steine-ins-Wasser-werfen ein neuer Trend?

Bergmann: Nein, schon in der griechischen und römischen Geschichte gab es ähnliches, die ist voll von diesem Glauben an Steine. Man hat an Dutzende Götter geglaubt und auch an die Wirkung von Kristallen. Der Amethyst zum Beispiel sollte bewirken, dass man nicht betrunken werden kann, wenn man ihn trägt oder wenn man ihn in den Wein legt.  Das wäre schön, ich trinke auch gerne Wein, aber bei mir hat es noch nicht gewirkt. Später hat auch Hildegard von Bingen die Nutzung von Heilsteinen empfohlen.

MedWatch: Was war ihr Rat?

Bergmann: Sie hat einfach Kristalle als Heilsteine beschrieben, hat ihnen eine Wirkung und eine Anwendung zugewiesen. Dies erfolgte aber auf dem Boden der damaligen Medizin – tatsächlich hatte man überhaupt keine Informationen dazu. Heute fragt man, da man weiß, was Schwingungen sind, was sollen etwa „Ordnungen im Kristall“ sein, wie soll denn das im Wasser wirken? Man hat aber heute andere Fragen als noch vor 800 Jahren. Oder anders gesagt: Hildegard von Bingen hat auch fünf Küchengifte definiert, eines davon waren Erdbeeren. Erdbeeren als Küchengift? Kann man sich heute nicht mehr vorstellen.

MedWatch: Die Annahme, dass Steine Wasser energetisieren können, wäre somit – von gestern?

Bergmann: Das ist richtig. Wie die Energetisierung von Wasser funktionieren soll, wird auch nirgendwo durch die Befürworter definiert. Sie sagen nicht, wie es geht und was es dem Wasser bringen soll. Die Physik sagt: Das gibt es nicht in dieser Form, dass die Kristallordnung zum Beispiel übertragen wird. Derartige Begriffe oder Schlagwörter werden einfach behauptet, in Bücher geschrieben oder in der Reklame für die Steine erwähnt – sie ergeben aber keinen Sinn.

MedWatch: Ich habe in einem Buch, das „Heilsteine“ bewirbt gelesen, dass zum Beispiel ein Aquamarin das Immunsystem stärken soll und das Kehlchakra ins Gleichgewicht bringen soll.

Bergmann: Das Kehlchakra?

MedWatch: Ja, für jeden Stein wird dort eine positive Wirkung auf den Körper beschrieben.

Bergmann: Ich habe auch mal so ein Buch gekauft, es heißt „Handbuch Heilsteine“. Die besten Steine für Gesundheit, Glück und Lebensfreude“. Es ist ungefähr 200 Seiten dick und nennt, genau wie Sie beschreiben, für jeden Stein quasi eine spezifizierte Wirkung. Seelisch, psychisch, körperlich oder sonst wie. Ich wundere mich, wie dieses zustande kommt, wie das durch Quarz oder Amethyst gehen soll. Es sind über 100 Kristalle in diesem Büchlein. Da war doch niemand in der Lage, diese Kristalle auf spezifische Wirkungen zu untersuchen. Es ist schlichter Humbug.

MedWatch: Kann man derartige Aussagen über vermeintliche „Heilsteine“ eigentlich verbieten?

Bergmann: Tatsächlich gab es so einen Fall. Eine Heilpraktikerin ist verklagt worden, weil sie erklärt hatte, „Heilsteine“ würden bei Bluthochdruck helfen und Kopfschmerzen lindern. Das Landgericht Hamburg hat dies 2008 als irreführend eingestuft und erklärt, es sei unzulässig, sogenannten „Heilsteinen“ krankheitsvorbeugende oder krankheitslindernde Wirkung zuzumessen. Es wurde ihr verboten, die Steine als „Heilsteine“ zu bezeichnen.  


Gefragt haben wir auch Michael Link. Er ist Geologe, Mitglied der GWUP und beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit “Parageologie”, also Pseudowissenschaften im Umfeld der Geologie. Er hat sich hierbei auf Radiästhesie (Wünschelruten, Wasseradern, Erdstrahlen) und Pseudoarchäologie (geologische Strukturen, die als prähistorische Bauwerke oder Kultstätten gedeutet werden) spezialisiert.

MedWatch: Herr Link, warum legen Menschen schöne, bunte Steine in ihr Trinkwasser?

Link: Es ist ein Aberglaube, wie vieles anderes auch. Die übliche Motivation ist ein Mix aus Bedürfnis nach Kontrolle und dem, an etwas Besonderem teilhaftig zu sein. Wie bei vielen Aberglauben geht das Kontrollbedürfnis in Richtung Gesundheit. Das Besondere hier ist die Mixtur von Geheimwissen, also angeblichen „altem Wissen“, und einem wirklich tollen Amulett.

MedWatch: Wurde dies schon mal wissenschaftlich untersucht?

Link: Da kenne ich jetzt keine Versuche. Das ist auch schwierig zu testen: Man braucht ja erstmal eine testbare Wirkungsbehauptung. Bei physikalischen Wasserbehandlungen ist das einfacher. Da ist die Behauptung, es würde die Verkalkung verhindern. Kann man gut testen, habe ich selber schon gemacht. Beim typischen Heilstein im Wasser wird es schwierig. Eine „Energetisierung“ müsste ja so sein, dass sie messbar wird. Das ist hier nicht der Fall. Kein Heilstein-Verkäufer sagt sowas wie „mein Rosenquarz bringt 1000 Joule pro Liter“. Real nicht messbare Effekte werden dann meist mit solchen Termini wie „feinstofflichen Wirkung“ wegerklärt. Oder Aura. Kurzum: Es handelt sich um den Glauben an Magie.

MedWatch: Gibt es Heilsteine?


Es gibt tatsächlich Mineralien, die heilende Wirkung haben oder zumindest für den Stoffwechsel wichtig sind. Kalkstein, fein gepulvert, hilft gegen Übersäuerung des Magens und ist daher Hauptbestandteil diverser Magentabletten. Salz ist in manchen heißen Gegenden Mangelware und für Leute, die in der Wüstensonne schwitzen, lebenswichtig. Calcit und Halit kann man somit durchaus als reale Heilsteine bezeichnen. Aber das war es dann schon mit den echten Heilsteinen.


3 comments
  1. Wie sieht es denn mit der Löslichkeit der einzelnen Komponenten der Steine aus?
    Haben diese chemischen Substanzen eine Wirkung?

    Das würde mich interessieren.

    Klar, Schwingungen und der Rest der angesprochen wurde sind klar wiederlegt.
    Nur geht gefühlt niemand auf die Löslichkeit und die chemische Zusammensetzung ein.

    In den meisten Fällen werden es wohl geringe Mengen sein die sich lösen, aber auch kleine Dosen können eine Wirkung haben, sofern es nicht so übertrieben wird wie in der HomöopathieHomöopathie Der deutsche Arzt Samuel Hahnemann postulierte gegen Ende des 18. Jh.s: »Ähnliches heilt Ähnliches«. So leitet sich das Wort Homöopathie von Homoion (für ähnlich) und Pathos (für Leiden) ab. Hahnemann verfolgte die Theorie, dass der Auslöser einer Krankheit oder der Auslöser für bestimmte Symptome auch zu deren Therapie genutzt werden kann. Bekanntestes Beispiel dafür ist die Chinarinde, mit der früher Malaria behandelt wurde. Die Einnahme dieser löste in einem Selbstversuch Hahnemanns Symptome einer Malaria aus. Damit sah er seine Theorie bestätigt. Die Homöopathie ist heute eine eigenständige Therapieform in der Alternativmedizin. Häufig werden für Globuli und Tinkturen die eingesetzten Substanzen zur Behandlung so stark verdünnt, dass in ihnen kein Wirkstoff mehr vorhanden ist. Für die Wirkung der Verdünnungen (Potenzen) wird ein Gedächtnis des Lösungsmittels, z.B. Wasser, angenommen. Für solch ein Gedächtnis von Wasser oder für eine generelle Wirkweise der Homöopathie über den Effekt eines Placebos hinaus gibt es jedoch keine wissenschaftlichen Belege; trotz mehr als 200 hochwertiger Studien dazu..

  2. Zu Frage 1: Löslichkeit und Zusammensetzung der einzelnen Komponenten der Steine
    In den Büchern und Angeboten über Mineralien und „HeilsteineHeilsteine Als Heilsteine werden Mineralien, Gesteine und Fossilien bezeichnet, die – vor allem in esoterischen und pseudowissenschaftlichen Kreisen – zur Behandlung bzw. Heilung von physischen und psychischen Krankheiten eingesetzt werden. Bereits Hildegard von Bingen führte Steine mit besonderen Kräften auf. Bei ihr handelte es sich um Mineralien, die in der Bibel Erwähnung finden. Die Wirkweise dieser Steine wurde ihr in Visionen übermittelt. Heutzutage gehen Verfechter der Heilsteintherapie hingegen davon aus, dass von den Steinen energetische Schwingungen ausgesandt werden, die der Symptombehandlung dienen. Diese Wirkungen sind bislang weder wissenschaftlich nachweisbar noch medizinisch anerkannt.“ sind bei der Beschreibung eines Minerals meistens auch dessen chemische Zusammensetzung und weitere Eigenschaften, zu finden, z.B. die Härte.
    Bei der Löslichkeit ist es umgekehrt: Hier gibt es kaum spezifische Angaben. Um die Bandbreit zu zeigen, sind in einer Tabelle drei Beispiele mit einer Löslichkeit von Null über gering bis sehr gut dargestellt.

    MINERAL GRUNDSTOFF ZUSAMMENSETZUNG LÖSLICHKEIT
    Amethyst Quarz SiO2 keine
    Selenit Gips CaSO4 gering
    Halit Kochsalz NaCl sehr gut

    Genaue Daten sind möglicherweise in speziellen mineralogischen Schriften zu finden.

    Zu Frage 2: Haben diese chemischen Substanzen eine Wirkung? Können Sie zu einzelnen Komponenten etwas sagen?
    In den meisten Fällen wird „Edelstein-/Heilsteinwasser“ nur geringe Konzentrationen von Stoffen enthalten, die sich gelöst haben. Aber auch kleinere Mengen können schon eine Wirkung haben. Homöopathische Dosierungen sind hier kein Maßstab.
    Bei einer möglichen stofflichen Wirkung von Heilsteinen sind drei Faktoren zu berücksichtigen: Löslichkeit, Stoffkonzentration und Toxizität. Da es zu den Löslichkeiten und Stoffzentrationen keine verwertbaren Daten vorliegen, sind zu resultierenden Wirkungen keine Angaben möglich. In jedem Fall ist Vorsicht geboten. So ist z.B. im Internet folgender Hinweis für Galenit/Bleiglanz zu finden:
    „Anwendung: direkt auf die betroffenen Stellen mit Hautkontakt auflegen.
    Achtung!
    Kein Steinewasser zum Trinken damit ansetzen, da giftig!!!!!!
    Nur für Aussenanwendung geeignet!!!!!!“
    (https://www.heilsteine.info/galenit-bleiglanz-t1008.html)
    Diese Warnung gilt für alle potentiell giftigen Metalle, die auch in der deutschen Trinkwasser-Verordnung (TVO) aufgeführt sind: vor allem Arsen, Cadmium, Kupfer, Quecksilber und Blei.
    Die Trinkwasser-Verordnung gibt weitere Hinweise auf Stoffe und Grenzwerte für Stoffkonzentrationen, die ähnlich wie das Blei giftig wirken können.
    Wichtig ist noch ein grundlegender Aspekt: Gäbe es zuverlässige Daten zur stofflichen Wirkung von „Heilsteinen“, würden diese sicherlich in deren Beschreibung erwähnt werden. Da sie aber nicht existieren, bleibt es bei esoterischen Beschreibungen wie „Kristallordnung“, nicht nachweisbaren „Schwingungen“ und ähnlichem. Es gilt grundsätzlich, auch nach dem HeilmittelwerbegesetzHeilmittelwerbegesetz Das Heilmittelwerbegesetz (HWG) regelt den Wortlaut im Zusammenhang mit Heilversprechen. Es darf nach dem HWG nichts behauptet werden, was nicht stimmt. Wird damit geworben, dass ein Medikament oder eine Therapie wirkt, muss diese Wirksamkeit auch wissenschaftlich belegt sein. Dafür muss der Bewerber selbst wissenschaftliche Studienergebnisse vorlegen. Da kaum eine alternativmedizinische Behandlungsmethode wissenschaftlich belegt ist, dürfen Heilpraktiker keine Heilversprechen abgeben.: Es ist Pflicht des Anbieters, versprochene Wirkungen auch nachzuweisen.
    Fazit:
    1. Angaben über die Löslichkeit und die nachweisbaren Wirkungen von „Edelstein-/ Heilsteinwasser“ sind kaum zu finden.
    2. Zumindest sollte man alle Mineralien meiden, die potentiell toxische Schwermetalle enthalten.
    3. Eine Verwendung von Edelstein-/Heilsteinwasser ist wegen seiner fehlenden Heilwirkung und einer möglichen Aufnahme von giftigen Schwermetallen nicht empfehlenswert.
    4. Wegen fehlender Nachweise der Wirksamkeit wurde der Begriff „Heilsteine“ gerichtlich verboten.

    Helge Bergmann