<

MedWatch-Recherche zum Heidelberger Bluttest Nicht nur unreif für den Markt – sondern offensichtlich wertlos

Als Forscher der Uniklinik HeidelbergHeidelberg Heidelberg ist eine Stadt in Baden-Württemberg. Als bedeutender Universitätsstandort ist sie besonders attraktiv für Wissenschaftler; das DKFZ sowie das EMBL Heidelberg sind dort ansässig. Die Stadt wird vom Neckar durchzogen, bietet eine märchenhafte Schlossruine sowie eine historische Altstadt. am 21. Februar einen Bluttest für BrustkrebsBrustkrebs In Deutschland ist Brustkrebs die zurzeit häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Das Risiko für ein Mammakarzinom steigt mit zunehmendem Alter. Bei Männern tritt er nur selten auf. Wird er frühzeitig erkannt bestehen sehr gute Heilungschancen durch operative Entfernung, Bestrahlung und Chemotherapie. Risikofaktoren sind auf der einen Seite das Geschlecht, auf der anderen Seite spielen Alter, genetische Veranlagung hormonelle Faktoren oder ein ungesunder Lebensstil eine wichtige Rolle. vorstellten, war die mediale Aufmerksamkeit groß. Von einer „Weltsensation“ sprach die Bild-Zeitung auf ihrer Titelseite. „Heidelberger Wissenschaftler haben einen Bluttest zur Früherkennung entwickelt“, hieß es am Abend in den Tagesthemen, fast acht Jahre hätten sie daran gearbeitet. „Wir sind sehr vorsichtig im Propagieren, dass wir da tatsächlich nicht zu viel Hoffnung erwecken, aber ich bin mir ganz sicher, dass wir einen ganz wichtigen Meilenstein erreicht haben“, erklärt der ärztliche Direktor der Heidelberger Universitätsfrauenklinik Christof Sohn in den Tagesthemen. Sehr vorsichtig im Propagieren – aber dennoch gleich einen Meilenstein erreicht? Eine kritische Nachfrage an ihn ist im Beitrag nicht zu sehen.

Die Ergebnisse

Nach Recherche von MedWatch haben die zu diesem Zeitpunkt erhobenen Ergebnisse gezeigt, dass der Test anders als bislang kommuniziert nicht nur nicht marktreif ist – sondern eigentlich wertlos. Dies zeigen Vortragsfolien, die MedWatch von der Uniklinik-Pressestelle erhielt: Sohn hielt am 21. Februar bei dem Frauenarzt-Kongress „FOKO 2019“ in Düsseldorf einen Vortrag, bei dem er den Test präsentierte. „Zu Ihrer Kenntnis, jedoch nicht zum Abdruck“, schreibt die Sprecherin.

Die Folien zeigen für verschiedene Gruppen von Frauen mehrere Werte: Einerseits die Sensitivität – also den Anteil der Krebspatientinnen, bei denen der Test tatsächlich auch zu einem Krebsbefund kommt. Und andererseits die Spezifität – den Anteil der gesunden Frauen, die der Test korrekt als gesund diagnostiziert und bei denen es somit nicht zu falschen Alarmen kommt. Nur wenn beide Werte bekannt sind, kann die Qualität eines Testes bewertet werden. Denn ein Test, der bei jeder Frau einen Tumor feststellt, hätte eine optimale Sensitivität von 100 Prozent – aber er ist nutzlos, da er bei allen Gesunden einen falschen Alarm schlägt. Den Nutzen einschätzen kann man aber erst, wenn man anders als die Pressemitteilung der Uniklinik Heidelberg auch die Spezifizität kommuniziert.

Über alle untersuchten Altersgruppen hinweg ist für den Test eine Sensitivität von 75 Prozent angegeben: Er erkennt also bei drei von vier krebskranken Frauen den Tumor, bei einer von vier nicht. Derartige Ergebnisse waren zwar schon bekannt und wurden etwa vom Berliner Risiko-Experten Gerd GigerenzerGerd Gigerenzer Prof. Gerd Gigerenzer, Direktor des Harding-Zentrums für Risikokompetenz an der Universität Potsdam, ist u.a. Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften (Leopoldina) sowie der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. als „Unstatistik des Monats“ kritisiert. „Erst die Falsch-Alarm-Rate macht die Trefferrate aussagekräftig“, erklärte er.

Krebsbefund für jede zweite gesunde Frau?

Während etwa vom Magazin „Euronews“ für die Spezifität Werte um 70 Prozent genannt wurden, liegt die Spezifität laut den MedWatch vorliegenden Folien über alle getesteten Frauen hinweg bei lediglich 54 Prozent. Demnach erhält fast jede zweite gesunde Frau einen falsch positiven Befund – was bislang öffentlich nicht thematisiert wurde. Bei Frauen, die älter als 50 Jahre sind, ist der Wert etwas besser: Bei diesen erhält gut jede vierte gesunde Frau einen falschen Krebsbefund, doch übersieht der Test bei zwei von fünf Brustkrebspatientinnen über 50 den Tumor.

Als besonders vielversprechend bezeichnete die Uniklinik den Test für Frauen bis 50, sowie für Hochrisikopatientinnen mit genetischen Mutationen. Dabei schlägt der Test bei der jüngeren Gruppe von Brustkrebspatientinnen zwar in 86 Prozent aller Fälle korrekt an, doch liegt hier die Spezifität bei nur 45 Prozent: Der Test liefert also bei 55 Prozent der gesunden Frauen einen falsch positiven Befund. Bei Hochrisikopatientinnen liegt die Sensitivität bei 90 Prozent, doch wiederum erhält mehr als jede zweite gesunde Frau einen falschen Krebsbefund. Dies hieße, dass ein Großteil aller Frauen, die über den Bluttest einen KrebsKrebs Statt eine spezifische Krankheit zu benennen, handelt es sich bei Krebs um einen Sammelbegriff für verschiedene Krankheiten. Ihnen allen gemeinsam ist jedoch das unkontrollierte Wachstum von Körperzellen, aufgrund eines Ungleichgewichts zwischen Zellwachstum und Zelltod. Die Folge daraus ist – außer bei Blutkrebsarten – eine Geschwulst ohne organspezifische Funktion. Dringt diese in das umliegende gesunde Gewebe ein, spricht man von bösartigen Tumoren; ausschließlich bösartigen Tumore werden als Krebs bezeichnet. Krebs kann zudem metastasieren, d.h. er breitet sich im Körper aus, indem die Krebszellen über Blut- und Lymphbahnen wandern und infolgedessen in anderen Organen Tochtergeschwülste bilden.-Befund erhalten, in Wahrheit gesund sind.

Risikoexperte Gigerenzer: „Völlig untragbar“

Für Gigerenzer, Direktor des Harding-Zentrum für Risikokompetenz in Berlin, wäre es für einen Screening-Test „völlig untragbar“, wenn jede zweite gesunde Frau fälschlich alarmiert würde. „Die Frauen müssten auch noch jahrelang warten, bis der Verdacht bestätigt oder widerlegt werden kann – eine jahrelange unnötige Zitterpartie“, erklärt Gigerenzer gegenüber MedWatch. Das Ergebnis der Forschung zu dem Bluttest „ist ein unbrauchbarer Test“, sagt er. Doch selbst wenn dieser sehr gut zwischen krank oder gesund unterscheiden könnte, müsste noch nachgewiesen werden, dass man mit der Information ein einziges Leben retten könnte, sagt Gigerenzer. „Die Vorgehensweise der Heidelberger Forscher entspricht einem Verständnis von Biomedizin, welches diese immer mehr zum Geschäft macht“, sagt er. „Was für ein Geschäft mit Frauen – der Versuch, einen Test auf den Markt zu bringen, der so vielen Frauen schaden würde, grenzt an Kriminalität.“

Die PR-Kampagne

Ungeachtet der schlechten Ergebnisse begann die Bewerbung des Tests. Die Forscher stießen zusammen mit der Firma Heiscreen, eine zur Vermarktung des Testes gegründete Ausgründung der Uniklinik, und der Uniklinik eine PR-Maschinerie an. Exklusiv und inhaltlich auch von der Uniklinik vorab freigegeben berichtete die „Bild“. Der Test könne Brustkrebs „ähnlich zuverlässig finden wie eine Mammografie“, hieß es auf der Titelseite – den Artikel eingefädelt hatte offenbar auch deren ehemaliger Chefredakteur Kai Diekmann, berichtete der „Spiegel“. Der Bluttest solle „zunächst“ die Mammografie nicht ersetzen, heißt es in der „Bild“ – er solle ein „Frühwarnsystem sein, um Frauen zu weiteren Untersuchungen zu überweisen“, zitiert das Blatt Sohn, das ihn wie auch seine Kolleginnen Sarah Schott und Tania Witte Tobar wie Helden präsentiert.

Allerdings habe der Test deutliche Vorteile gegenüber der Mammographie. „Wir haben nur etwa halb so viele falsch positive Ergebnisse, also Frauen, die trotz anschlagendem Test gesund sind“, zitiert die „Bild“ den Heidelberger Klinikdirektor. Wie sicher der Test ist, müsse in größeren Studien untersucht werden, sagt er.

Test wäre eine Sensation – wenn Aussage stimmen würde

Dabei ist die Rate der falsch-positiven Befunde bei der Mammografie vergleichsweise klein – laut Gigerenzer erkennt sie je nach Altersgruppe 90 bis 95 Prozent der gesunden Frauen korrekt als gesund. Wenn die Aussage Sohns aus der „Bild“ stimmen würde, wäre der Bluttest tatsächlich eine Sensation, wie das Blatt berichtete. Doch sie ist falsch, wie auch Gigerenzer auf Nachfrage von MedWatch sagt. Die Rate der falsch-positiven Ereignisse ist nicht etwa halb so hoch, wie die Bild Sohn zitierte – sondern laut seinen Vortragsfolien liegt sie vielfach höher als bei der Mammografie.

Wie kann dies sein? „Weder Prof. Sohn noch Prof. Schott haben einen Vergleich der Ergebniszahlen und Trefferquoten zur Mammographie hergestellt, denn das ist weder sinnvoll noch möglich“, erklärt ein von der Uniklinik beauftragter Krisenkommunikator gegenüber MedWatch. „Prof. Sohn kann sich nicht daran erinnern, jemals gesagt zu haben, der Test würde halb so viele falsch-positiv Ergebnisse liefern wie die Mammographie“, schreibt er. Mit dem Zitat aus der „Bild“ konfrontiert, das laut Uniklinik nicht nur Sohn, sondern auch der Klinikumsvorstand und der Geschäftsbereich Unternehmenskommunikation vorab gelesen haben, erklärt Sohn, es beziehe sich nur – „und auch das hypothetisch“ – auf junge Frauen, bei denen die Mammographie keine sichere Aussage erlaube. Offen bleib, warum das Zitat dennoch als allgemeine Aussage freigegeben wurde.

Sohn wich entscheidender Frage aus

Nachdem die „Bild“ die Meldung schon am Vortag online veröffentlichte, stellte Sohn seine Ergebnisse am 21. Februar nicht nur auf dem Frauenarztkongress vor, sondern auch auf einer laut „Rhein-Neckar-Zeitung“ minutiös vorgeplanten Pressekonferenz, für die Heiscreen rund 80.000 Euro gezahlt haben soll – moderiert von der früheren Büroleiterin von Diekmann, Christina Afting. Der Bluttest sei keine Konkurrenz zur Mammografie und dürfe mit dieser nicht verglichen werden, sagte Sohn dort – und erklärte gleichzeitig, die Trefferquote sei „auf dergleichen Höhe“. Anders als offenbar auf seinem Kongressvortrag ging er bei der Pressekonferenz nicht auf falsch positive Befunde ein. Die Frage einer Journalistin, ob er die Fehldiagnosen „ganz genau beziffern“ könne, wich Sohn aus: Es gebe eine „Unschärfe – mit der werden wir umgehen lernen müssen“. Der Test sei aus seiner Sicht etwas „ganz Positives“.

Die Ergebnisse seien außerdem „fertig“, erklärte Sohn – sie könnten jederzeit in einem Fachmagazin publiziert werden. Auch der Geschäftsführer von Heiscreen, Dirk Hessel, erklärte, die Markteinführung des Bluttests stünde bald bevor. „Wie Professor Sohn schon gesagt hatte: Wir versuchen bis Ende des Jahres ihn verfügbar zu machen und wir sind im Moment mit den KrankenkassenKrankenkassen Eine Krankenkasse ist der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Krankenkassen stellen den Versicherten Leistungen zur Verfügung, die nach Vorlage der elektronischen Gesundheitskarte in Anspruch genommen werden können. Die meisten dieser Leistungen sind im SGB V festgeschrieben. Krankenkassen sind organisatorisch sowie finanziell unabhängig und unterstehen der Aufsicht von Bund oder Ländern. Im Gegensatz zu gesetzlichen Krankenversicherungen sind private Krankenversicherungsunternehmen Aktiengesellschaften oder Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG). in Verhandlungen, den auch zu erstatten“, sagte Hessel. Zum Ende der Pressekonferenz hatte Afting noch eine gute Nachricht für die anwesenden Journalisten: „Wir haben noch reichlich Buffet – greifen Sie zu“, sagte sie. Die Uniklinik verschickte gemeinsam mit Heiscreen eine Pressemitteilung, in der sie den Bluttest als „Meilenstein in der Brustkrebsdiagnostik“ bezeichnete – und keine Worte zu falsch-positiven Ergebnissen fielen.

Die Berichterstattung

Viele Medien berichteten auch ohne vorliegende wissenschaftliche Studie positiv über den Test – und obwohl Sohn auf dem Kongress, in dessen Rahmen die Pressekonferenz stattfand, offenbar die schlechten Ergebnisse vorgestellt hat und ohne dass er wie auch Schott alle Fragen der Journalisten klar beantwortetet hatte. „Ja, es ist ein Meilenstein“, sagte im Tagesthemen-Beitrag die Direktorin der Universitätsfrauenklinik Düsseldorf, Tanja Fehm. Zum „ganz großen Durchbruch“ gehöre noch, dass überprüft wird, ob sich die Ergebnisse „in einer großen Routine“ bestätigen lassen. Dabei zeigten die Ergebnisse ja eigentlich bereits, dass der Test sehr viele falsch-positive Befunde liefert.

Anders als die „Bild“ wurde die Tagesthemen-Redaktion nicht vorab über die Ergebnisse informiert, sondern über die Berichterstattung des Tages auf das Thema aufmerksam, erklärt eine NDRNDR NDR – Norddeutsche Rundfunkanstalt – produziert Inhalte für das Fernsehen, den Hörfunk sowie Online mit Sitz in Hamburg (Lokstedt). Der NDR ist eine gemeinsame Landesrundfunkanstalt der Länder Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen sowie Schleswig-Holstein.-Sprecherin auf Nachfrage. Recherchen hätten ein durchaus kritisches Bild ergeben, sagt sie: Daher seien „kritische O-Töne in den Beitrag eingebaut und sehr zurückhaltend getextet“ worden – obwohl Sohn im Beitrag unwidersprochen von einem „Meilenstein“ spricht und Fehm lediglich sagt, es müsse abgewartet werden, ob die Ergebnisse sich bestätigen lassen. Auch bei einem auf Facebook veröffentlichten Videoclip über den Bluttest sieht sie keine Probleme damit, dass dieser wie auch der Tagesthemen-Beitrag falsch-positive Ergebnisse nicht thematisiert. „Er dient nicht dazu, alle Aspekte eines Themas abzubilden“, erklärt sie.

Ergebnisse seien „sehr vielversprechend und zukunftsweisend“

„Bluttest aus Heidelberg kann Brustkrebs erkennen“, ist auch ein bis heute abrufbarer Beitrag des SWR überschrieben. Es heißt dort zwar auch, die Ergebnisse seien nur „positive Hinweise“, da die Studie noch nicht abgeschlossen und nur einige hundert Frauen untersucht worden seien – auf die häufigen falsch-positiven Befunde geht der Beitrag jedoch nicht ein. Erst auf Nachfrage von MedWatch wird der Beitrag um einen Kasten ergänzt, der auf neuere Artikel verweist und besagt, dass der Text den damaligen Stand wiedergebe.

In einem SWR2-Beitrag mit dem Titel „Bessere Behandlung dank Flüssigbiopsie“ sind die falsch-positiven Ergebnisse gleichfalls kein Thema. In ihm wird der Freiburger Onkologe Robert Zeiser zitiert, der weitere Verlauf der Studie müsse abgewartet werden – doch hielte er die Ergebnisse „für sehr vielversprechend und zukunftsweisend“. Auf Nachfrage von MedWatch erklärt Zeiser, die Aussage beziehe sich auf das „Bild“-Zitat von Sohn, das ihm der SWR vorgelegt habe. Die Bluttest-Methodik sei zwar innovativ, es handele sich aber noch um experimentelle Forschung und der Test könne Patienten nicht als Routine angeboten werden, sagt der Onkologe auf Nachfrage.

„Es war zum damaligen Zeitpunkt nicht ersichtlich, dass derartige Ungereimtheiten auftauchen würden“, erklärt eine Sprecherin des SWR. „Die Pressestelle des Uniklinikums Heidelberg war bislang immer eine verlässliche und seriöse Quelle.“

Auch einen Monat später: „Die Sensation aus Heidelberg“

Während die Süddeutsche Zeitung oder die Welt schon am Tag der Pressekonferenz kritisch berichteten, bejubelte der „Focus“ die Ergebnisse auch noch rund einen Monat später: „Die Sensation aus Heidelberg: Mit Bluttest Brustkrebs erkennen“, heißt es auf der Titelseite des Magazins.

Der vielschichtige Skandal

In den Wochen nach der Pressekonferenz kamen immer mehr Probleme zum Vorschein. „Warum so eilig?“, hieß es Anfang März im Blog von Jan-Martin Wiarda, der auch als erster die Rolle einer möglichen Vermarktung in China thematisierte. Die Rhein-Neckar-Zeitung legte in dutzenden Artikeln offen, dass einerseits Sohn und Schott mehrfach in China waren und der Aktienkurs der chinesischen Pharmafirma NKY Medical Holding stark gestiegen ist, die an einer zweiten Heidelberger Firma namens Heiscreen NKY beteiligt sein soll. Andererseits wurde der Test ursprünglich von anderen Wissenschaftlern entwickelt – so von der Chinesin Rongxi Yang, die vor gut zwei Jahren plötzlich im Auftrags Sohns vom Projekt entbunden wurde und sich ausgebootet sieht.

Uniklinik bedauert Geschehnisse und erstattet Anzeige

Die Uniklinik erklärte im März, sie bedauere, dass es zu „Irritationen“ gekommen sei. In Folge der Berichterstattung erstattete die Uni auf überraschende Weise Strafanzeige wegen unbekannter Vorwürfe gegen Unbekannt – inzwischen prüft die Staatsanwaltschaft Mannheim den Verdacht des Insiderhandels. Eine auch vom Aufsichtsrat der Uniklinik eingesetzte Untersuchungskommission soll die Vorgänge prüfen. Geleitet wird sie durch den Präsidenten der Leibniz-Gemeinschaft, Matthias Kleiner.  „Das Universitätsklinikum Heidelberg bedauert die Geschehnisse um den Bluttest zur Brustkrebsdiagnostik und nimmt die Kritik der Fachgesellschaften, Experten und Öffentlichkeit sehr ernst“, heißt es in einem Statement.

Der Skandal um den Test beschäftigt inzwischen auch den Landtag in Stuttgart – als erste personelle Konsequenz stellte die Uniklinik den Geschäftsführer ihrer Ausgründungsfirma Technology Transfer Heidelberg zunächst frei. Der Mann war vorübergehend auch Geschäftsführer von Heiscreen.

Die „Bild“ informierte ihre Leser im Blatt bislang noch nicht über die weiteren Entwicklungen. „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir redaktionelle Prozesse und Entscheidungen grundsätzlich nicht kommentieren“, antwortet ein Sprecher des Konzerns Axel Springer, zu dem die „Bild“ gehört, als MedWatch mehrere Fragen zur Berichterstattung über den Bluttest stellt. „Brustkrebs-Bluttest doch nicht marktreif“, meldete die Tagesschau im März online – wiederum jedoch ohne die hohe Rate falsch-positiver Befunde zu erwähnen, welche die Uniklinik Heidelberg bislang offenbar nur auf Anfrage von MedWatch bekannt gemacht hat. In einem Kommentar schrieb ein SWR-Redakteur über die „Peinlichkeit“ für die Uniklinik – und behauptete, Sohn habe in der „Bild“ über einen „Meilenstein“ gesprochen. Doch das war nicht der Fall. Das Wort nutzte Sohn hingegen im vom SWR produzierten Tagesthemen-Beitrag.

„Wir beobachten das Thema und werden gegebenenfalls zeitnah mit einer weiteren Berichterstattung einsteigen“, sagte eine Sprecherin des NDR, bei dem die Tagesthemen-Redaktion angesiedelt ist, Ende April auf MedWatch-Anfrage. Am 5. Mai sendete die ARD einen Bericht in den Tagesthemen, nach dem die Ergebnisse vorschnell veröffentlicht worden seien. Er thematisierte auch die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, die Verbindungen nach China und die fragwürdige Berichterstattung in der „Bild“ – nicht aber die eigene frühere Berichterstattung.

„Dieser Bluttest würde das alles noch toppen“

Auf einzelne Fragen von MedWatch antwortete Heiscreen bislang nicht. „Aufgrund der gegenwärtigen Berichterstattung in verschiedenen Medien“ käme es zu Verzögerungen bei der Markteinführung des Tests, erklärte die Firma kürzlich in einem Statement auf ihrer Homepage – sie sei aber nach wie vor bestrebt, den Bluttest verfügbar zu machen. Entgegen vielfacher Darstellung in den Medien sei der Test für Brustkrebs nicht als Früherkennungstest angekündigt worden, behauptet die Geschäftsführung von Heiscreen. Dabei erklärte Sohn – laut Rhein-Neckar-Zeitung ist er wie auch Schott Gesellschafter von Heiscreen – in der „Bild“, der Test solle ein Frühwarnsystem sein und er würde bei jeder erwachsenen Frau Sinn machen. Auf Nachfrage erklärte Heiscreen in Bezug auf die Aussage ihres Geschäftsführers, es gebe bereits Verhandlungen zur Kassen-Erstattungen, nicht, mit wem verhandelt werde. Mehrere Kassen und Kassenverbände dementierten entsprechende Verhandlungen gegenüber MedWatch.
„Die Heidelberger Forscher haben die wissenschaftlichen Regeln verletzt“, erklärt Risikoforscher Gigerenzer gegenüber MedWatch. Er hatte schon fragwürdige Informationen etwa zu einem HIVHIV HIV – Human Immunodeficiency Virus; zu Deutsch: »Humanes Immundefizienz-Virus« ist ein Virus, welches AIDS auslösen kann. AIDS ist die Abkürzung für Acquired Immunodeficiency Syndrome, was mit »Erworbenes Immunschwächesyndrom« übersetzt werden kann. Durch eine Infektion mit dem HI-Virus kommt es zu einer Schwächung des körpereigenen Immunsystems, so dass zumeist unproblematisch verlaufende Krankheiten zu einem Problem werden. Eine Infektion mit HIV wurde zum ersten Mal 1981 diagnostiziert und hat sich seitdem zu einer Pandemie entwickelt. Die Therapie wurde in den letzten Jahren massiv verbessert, so dass Infizierten ein wesentlich längeres Leben mit hoher Qualität ermöglich wird.-Schnelltest oder zu automatischer Gesichtserkennung als „Unstatistik“ kritisiert. „Das ist alles nicht so schlecht wie beim Bluttest“, sagt er angesichts der von MedWatch vorgelegten Zahlen zu falsch positiven Befunden. „Dieser Bluttest würde das alles noch toppen.“

Korrektur vom 27.5.: Anders als zunächst geschrieben lief in den „Tagesthemen“ Anfang Mai ein weiterer Beitrag zum Bluttest. Dies haben wir korrigiert.