Öffentlich-rechtliche Sender haben einen Bildungsauftrag, doch nicht immer kommen sie diesem nach. Aktuell steht der SWR in der Kritik: Mit einer Abstimmung zur Frage „Glaubt ihr an die Kraft der HomöopathieHomöopathie Der deutsche Arzt Samuel Hahnemann postulierte gegen Ende des 18. Jh.s: »Ähnliches heilt Ähnliches«. So leitet sich das Wort Homöopathie von Homoion (für ähnlich) und Pathos (für Leiden) ab. Hahnemann verfolgte die Theorie, dass der Auslöser einer Krankheit oder der Auslöser für bestimmte Symptome auch zu deren Therapie genutzt werden kann. Bekanntestes Beispiel dafür ist die Chinarinde, mit der früher Malaria behandelt wurde. Die Einnahme dieser löste in einem Selbstversuch Hahnemanns Symptome einer Malaria aus. Damit sah er seine Theorie bestätigt. Die Homöopathie ist heute eine eigenständige Therapieform in der Alternativmedizin. Häufig werden für Globuli und Tinkturen die eingesetzten Substanzen zur Behandlung so stark verdünnt, dass in ihnen kein Wirkstoff mehr vorhanden ist. Für die Wirkung der Verdünnungen (Potenzen) wird ein Gedächtnis des Lösungsmittels, z.B. Wasser, angenommen. Für solch ein Gedächtnis von Wasser oder für eine generelle Wirkweise der Homöopathie über den Effekt eines Placebos hinaus gibt es jedoch keine wissenschaftlichen Belege; trotz mehr als 200 hochwertiger Studien dazu.“ bewarb der Sender auf Facebook vorab einen Beitrag der Landesschau Baden-Württemberg. Es gebe keinen wissenschaftlichen Nachweis, dass homöopathische Mittel wirken, erklärte der Sender erzürnten Kommentatoren – mehr Hintergrundinfos zur Homöopathie fänden sich in der am Mittwochabend ausgestrahlten Sendung.
Doch die am Anfang des Beitrags aufgestellte Frage „Humbug oder Heilmittel?“ ließ der SWR genauso unbeantwortet wie auch die Frage „Wir wirkt Homöopathie?“. Stattdessen stellte der Sender den Fall eines dreijährigen Mädchens vor, die mit einem Tumor im Bauchraum – wohl ein Neuroblastom – zur Welt gekommen ist. Nach „Schulmedizin“ hätte das Mädchen operiert werden sollen, mit einer anschließenden Behandlung mit einem ArzneimittelArzneimittel Arzneimittel sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die angewandt werden, um Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder Beschwerden zu heilen, zu lindern oder zu verhüten. Es kann sich hierbei ebenfalls um Mittel handeln, die dafür sorgen, dass Krankheiten oder Beschwerden gar nicht erst auftreten. Die Definition beinhaltet ebenso Substanzen, die der Diagnose einer Krankheit nutzen oder seelische Zustände beeinflussen. Die Mittel können dabei im Körper oder auch am Körper wirken. Das gilt sowohl für die Anwendung beim Menschen als auch beim Tier. Die gesetzliche Definition von Arzneimitteln ist im § 2 Arzneimittelgesetz (AMG) enthalten.. Zwar kommt auch kurz die kritische Stimme der ehemaligen Homöopathin Natalie Grams zur Sprache, doch gibt die Sendung den Stand der Wissenschaft nicht klar wieder. MedWatch hat beim SWR angefragt – geantwortet hat Rüdiger Mertz, Leiter der Hauptabteilung „Fernsehen BW / Land und Leute“ bekommen, der für die Sendung verantwortlich ist.
MedWatch: Am Mittwoch hat ein Beitrag der Landesschau Baden-Württemberg einen Beitrag zur Homöopathie ausgestrahlt, der nahelegt, dass Tumore bei Kindern hierdurch behandelt werden können. Derartige Aussagen werden von Wissenschaftlern stark kritisiert. Wie kam es hierzu?
Rüdiger Mertz: Dass sich eine Sendung wie die „Landesschau“ mit dem Thema Homöopathie befasst, finde ich angemessen und gut. Ich halte es auch für angemessen, dass bei einem solchen Thema Befürworter und Gegner zu Wort kommen. Es ist auch okay, dass eine Familie einen O-Ton gibt, weswegen sie ihre Kinder zu einem homöopathisch behandelnden Arzt schickt und warum sie an Homöopathie glaubt. Dennoch haben wir in der Nachbesprechung diesen Beitrag sehr kritisch gesehen.
MedWatch: Was würden Sie jetzt anders machen?
Mertz: Zum einen hätten wir eine umfassende Sicht auf die Studienlage zur Homöopathie benötigt. Gerd Antes vom Cochrane Zentrum in Freiburg wäre ein guter Ansprechpartner gewesen, der die Studienlage hätte einordnen können. Eine Überschrift wie „Wie wirkt Homöopathie?“ hätten wir nicht senden sollen. Sie suggeriert, dass Homöopathie mehr wirkt als ein Placebo. Diese Aussage lässt die Studienlage nicht zu.
MedWatch: Im Film wird insgesamt ein sehr positives Bild der Homöopathie gezeichnet – so dass mit pflanzlichen Mitteln behandelt werde, während viele Homöopathika auf toxischen Stoffen, Metallen oder Mineralien basieren – die stark verdünnt werden. Warum fällt das unter den Tisch?
Mertz: Für solche Details ist im engen Zeitkorsett einer solchen Sendung meist kein Platz. Das war auch nicht das Problem des Beitrags. Das Problem lag darin, dass sich manche Fragen journalistisch durchaus mit „die einen sagen so, die anderen sagen so“ abhandeln lassen – etwa: „Wird die Wahlkampf-Strategie dieser oder jener Partei Erfolg haben?“ Manche Fragen lassen sich aber eben auch nicht mit „Die einen sagen so, die anderen sagen so“ abhandeln. Und für mich gehört „Wirkt Homöopathie?“ ebenso zu letzterer Kategorie wie „Stimmen Horoskope?“.
MedWatch: Was haben Sie vor, um derartige Probleme für die Zukunft zu vermeiden?
Mertz: Ich werde Ihre Anfrage zum Anlass nehmen und noch einmal in der Redaktion darauf hinzuweisen, dass sich eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt einem wissenschaftlich fundierten und den Werten der Aufklärung verbundenen Weltbild verpflichtet fühlen muss. Wir sollten uns evidenzbasierter Medizin verpflichtet fühlen. Leider sind wir diesem Anspruch mit dem Beitrag nicht gerecht geworden. Das bedaure ich.
MedWatch: Am Donnerstag folgte jedoch gleich wieder ein ähnlich gebauter Homöopathie-Beitrag: „Fakt ist, dass diese Mittel wirken“, sagt eine Apothekenmitarbeiterin, die Binnensicht der Homöopathie wird lange präsentiert – während die Moderatoren nie klar den Stand der Wissenschaft darstellen. Eine Pfarrerin berichtet von ihren tollen Erfolgen, ein IT-Techniker erklärt, bei Menschen würde es nicht helfen – bei Hunden aber schon. Besteht hier ein strukturelles Problem?
Mertz: Wir können in der Berichterstattung über „Homöopathie“ in Einzelfällen durchaus besser werden. Wir sind als öffentlich-rechtliche Anstalt durchgängig einem wissenschaftlichen Weltbild verpflichtet. Das gilt für alle Themenbereiche, auch für Medizinthemen. Das müssen wir unseren Mitarbeitern immer wieder klar machen. Zum Beitrag von „Zur Sache Baden-Württemberg“ kann ich nichts sagen, das gehört zu einer anderen Abteilung.
MedWatch: Beide Berichte stehen ohne jegliche Hinweise in der SWR-Mediathek – unter der Rubrik „Tipps der Redaktion“. Wollen Sie daran noch etwas ändern?
Mertz: Die Entfernung des Landesschau-Beitrags aus der Mediathek habe ich gerade veranlasst.