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Charité in der Kritik „Homöopathie hat an Uniklinika keinen Platz“

Sehr großes vielstöckiges helles, klotzartiges Gebäude.
Charité – Universitätsmedizin Berlin © Interrails / Wikimedia (CC BY-SA 4.0)

Der Internetauftritt der KinderonkologieKinderonkologie Kinderonkologie – Pädiatrische Onkologie und Hämatologie ist ein Spezialgebiet innerhalb der Kinder- und Jugendheilkunde, welches sich mit der Diagnose, Behandlung und Prophylaxe von Krebs- und Blutkrankheiten bei Kindern und Jugendlichen beschäftigt. Denn bei Kindern tauchen zumeist Krebsarten auf, die bei Erwachsenen selten bis gar nicht existieren. Beispiele hierfür sind Wilms-Tumor, Keimzelltumor, sowie Erkrankungen des Blutes und des Knochenmarks, wie z.B. Leukämien. Die »Richtlinie über Maßnahmen zur Qualitätssicherung für die stationäre Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit hämato-onkologischen Krankheiten« legt die Anforderungen an die Versorgung fest. So erfolgt die Behandlung und Betreuung von Betroffenen durch die Zusammenarbeit von speziell ausgebildeten Kinderonkolog*innen/-hämatolog*innen, Strahlentherapeut*innen, Chirurg*innen, Patholog*innen, Kinderpsycholog*innen, Pflegepersonal … Zudem sind die behandelnden Ärztinnen und Ärzte Einrichtungen innerhalb der »Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie« (GPOH) organisiert. der Berliner Uniklinik Charité sorgte kürzlich für viel Aufregung – nachdem bekannt wurde, dass sich dort seit Jahren ein unwissenschaftlicher Text zu HomöopathieHomöopathie Der deutsche Arzt Samuel Hahnemann postulierte gegen Ende des 18. Jh.s: »Ähnliches heilt Ähnliches«. So leitet sich das Wort Homöopathie von Homoion (für ähnlich) und Pathos (für Leiden) ab. Hahnemann verfolgte die Theorie, dass der Auslöser einer Krankheit oder der Auslöser für bestimmte Symptome auch zu deren Therapie genutzt werden kann. Bekanntestes Beispiel dafür ist die Chinarinde, mit der früher Malaria behandelt wurde. Die Einnahme dieser löste in einem Selbstversuch Hahnemanns Symptome einer Malaria aus. Damit sah er seine Theorie bestätigt. Die Homöopathie ist heute eine eigenständige Therapieform in der Alternativmedizin. Häufig werden für Globuli und Tinkturen die eingesetzten Substanzen zur Behandlung so stark verdünnt, dass in ihnen kein Wirkstoff mehr vorhanden ist. Für die Wirkung der Verdünnungen (Potenzen) wird ein Gedächtnis des Lösungsmittels, z.B. Wasser, angenommen. Für solch ein Gedächtnis von Wasser oder für eine generelle Wirkweise der Homöopathie über den Effekt eines Placebos hinaus gibt es jedoch keine wissenschaftlichen Belege; trotz mehr als 200 hochwertiger Studien dazu. befand. Die homöopathische Medizin könne „auch bei schwersten Krankheitszuständen Heilung oder eine Verbesserung der Beschwerden bieten“, hieß es dort. Oder: „Aus empirischer Sicht ist die Wirkung homöopathischer Höchstpotenzen unbestritten“ – obwohl Experten vielmehr die Unwirksamkeit als erwiesen ansehen. Nach Protesten in den sozialen Medien sowie einer Anfrage von MedWatch nahm die Charité die Webseite zunächst offline.

„Der besagte Online-Beitrag auf der Internetseite der Charité wurde entfernt, um die Verbreitung von Fehlinformationen zu stoppen“, erklärt ein Sprecher der zuständigen Aufsichtsbehörde, der Berliner Senatskanzlei für Wissenschaft und Forschung auf Nachfrage. Der dort geschaffene Bezug zur Kinderonkologie stehe in keinem Zusammenhang mit den Behandlungsmethoden der Klinik, die ein weltweit hohes Renommee habe. Die Senatskanzlei möchte die Forschungsprojekte an der Charité im Sine der Wissenschaftsfreiheit nicht inhaltlich bewerten. Sie mache „keine Vorgaben hinsichtlich ihrer Forschungsmethoden, -schwerpunkte und -ziele“, erklärt der Sprecher, „dasselbe gilt für die Therapiemethoden“.

Text: "Die Kinderonkologie orientiert sich bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit malignen Erkrankungen an den hohen Therapiestandards und Protokollen der Gesellschaft für pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) sowie an weiteren internationalen pädiatrisch-onkologischen Fachgesellschaften. Die Therapieerkenntnisse sind evidenzbasiert. Die Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie distanziert sich von der Meinung, dass Homöopathie in der kinderonkologischen Primärtherapie einen Platz hat."
Distanzierung der Kinderonkologie der Charité
© Screenshot www.kinderonkologie.charite.de

Die Kinderonkologie distanziert sich nun auf ihrer Webseite „von der Meinung, dass Homöopathie in der kinderonkologischen Primärtherapie einen Platz hat“. Auch wenn die Charité Anfragen von verzweifelten Eltern angesichts des nahenden Todes ihres Kindes zu Alternativmethoden bekommt, „werden diese Behandlungsmethoden von ihr nicht propagiert“, erklärt der Sprecher der Senatskanzlei hierzu.

Den früheren Text auf der Webseite der Charté-Kinderonkologie hält Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, für „unverantwortlich“. „Gerade bei Erkrankungen wie KrebsKrebs Statt eine spezifische Krankheit zu benennen, handelt es sich bei Krebs um einen Sammelbegriff für verschiedene Krankheiten. Ihnen allen gemeinsam ist jedoch das unkontrollierte Wachstum von Körperzellen, aufgrund eines Ungleichgewichts zwischen Zellwachstum und Zelltod. Die Folge daraus ist – außer bei Blutkrebsarten – eine Geschwulst ohne organspezifische Funktion. Dringt diese in das umliegende gesunde Gewebe ein, spricht man von bösartigen Tumoren; ausschließlich bösartigen Tumore werden als Krebs bezeichnet. Krebs kann zudem metastasieren, d.h. er breitet sich im Körper aus, indem die Krebszellen über Blut- und Lymphbahnen wandern und infolgedessen in anderen Organen Tochtergeschwülste bilden. darf man nicht für so ein unwissenschaftliches Verfahren werben“, sagt er gegenüber MedWatch – und verweist auf das Schadenspotenzial durch Unterlassen wirksamer Therapien. „Es ist für mich unverständlich, wie eine derartige Falschmeldung auf eine Homepage einer so renommierten Universitätsklinik kommt.“

Homöopathie soll nicht beworben werden

Ludwig kritisiert die „Distanzierung“, dass GlobuliGlobuli Globuli (Plural für „Kügelchen“) sind eine in der Homöopathie verwendete Darreichungsform. Auch in der Bach-Blütentherapie oder bei Schüßler-Salzen finden sie Anwendung. Die Kügelchen werden in verschiedenen Potenzen angeboten, d.h. in verschiedenen Verdünnungen der eigentlichen Substanz. Die Verdünnungen sind jedoch so hoch, dass die Stoffe in den Globuli nicht mehr vorhanden sind. Die Theorie des Potenzierens basiert darauf, dass das Wasser, in dem die Stoffe verdünnt wurden, ein Gedächtnis für die Substanz hat und auf Grund dessen wirkt. Die weißen bis gelben Zuckerkügelchen bestehen aus Rohrzucker (Saccharose). Mit der HPLC (einer sehr sensitiven chromatographischen Analysemethode) können in der Regel keine weiteren Zusatzstoffe nachgewiesen werden. Bis heute gibt es keine Belege für eine Wirksamkeit über die eines Placebos hinaus. und Co keinen Platz in der Primärtherapie hätten. „Ich sehe auch in der Sekundär- und Tertiärtherapie keinen Platz der Homöopathie“, sagt er. „Ich persönlich glaube, dass die Homöopathie an universitären Einrichtungen keinen Platz hat. Sie sollte auch nicht beworben werden, auch nicht als Alternative.“ Wenn man glaube, dass man mit speziellen Maßnahmen keine Möglichkeiten mehr habe, gäbe es normalerweise viele andere Möglichkeiten den betroffenen Patienten zu helfen – beispielsweise durch palliativ wirksame ArzneimittelArzneimittel Arzneimittel sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die angewandt werden, um Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder Beschwerden zu heilen, zu lindern oder zu verhüten. Es kann sich hierbei ebenfalls um Mittel handeln, die dafür sorgen, dass Krankheiten oder Beschwerden gar nicht erst auftreten. Die Definition beinhaltet ebenso Substanzen, die der Diagnose einer Krankheit nutzen oder seelische Zustände beeinflussen. Die Mittel können dabei im Körper oder auch am Körper wirken. Das gilt sowohl für die Anwendung beim Menschen als auch beim Tier. Die gesetzliche Definition von Arzneimitteln ist im § 2 Arzneimittelgesetz (AMG) enthalten., sinnvolle Maßnahmen wie Schmerztherapie und natürlich auch Gesprächen zwischen Patient und Arzt. „Der Homöopathie einen Stellenwert zuzuordnen, halte ich für verkehrt.“

Auch die Ludwig-Maximilians-Universität München stand wiederholt wegen ihrer uneindeutigen Positionierung in Sachen Homöopathie in der Kritik.

Angesichts von Berichten über Veröffentlichungen deutscher Wissenschaftler in fragwürdigen Fachzeitschriften hat das Deutsche Krebsforschungszentrum die Behandlung in spezialisierten Krebszentren als besten Schutz vor „FakeFake Der englische Begriff Fake bezeichnet u.a. unwahre Informationen, Imitate und Fälschungen sowie Dinge, die vortäuschen echt zu sein, es jedoch nicht sind. Im Bereich der Nachrichten und Fakten spricht man von sog. Fake-News und Fake-Facts. Solche werden gezielt eingesetzt, um (falsche) öffentliche Meinungen zu bilden oder gar Wahlen zu beeinflussen. News“ in der Krebsmedizin bezeichnet. „Für Betroffene und Patienten ist es oft nicht möglich zu beurteilen, wie belastbar die Beweise zur Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Verfahrens tatsächlich sind“, erklärte Susanne Weg-Remers, Leiterin des Krebsinformationsdienstes des Deutschen Krebsforschungszentrums, in einer Pressemitteilung vom vergangenen Dienstag. Kann dies angesichts der Informationen auf der Charité-Webseite noch gelten?

„Offensichtlich ist dort schon erkannt worden, dass sich zwischen der Arbeitsweise einer Uniklinik und der Homöopathie gewisse Gräben auftun und man es besser vom Netz nimmt“, sagt Weg-Remers auf Nachfrage von MedWatch. Die Wirkungsweise, die die Homöopathie-Befürworter postulieren, ignoriere mehrere Jahrzehnte naturwissenschaftlichen und medizinischen Fortschritts und sei nicht plausibel. „Bei der Homöopathie müssen wir nach heutigem Wissensstand annehmen, dass sie keine Wirksamkeit hat“, erklärt sie. „Das sollten die homöopathischen Ärzte natürlich fairerweise sagen – egal in welchem Bereich sie arbeiten. Letztendlich muss die Charité sich entscheiden, wie sie sich dazu positionieren möchte.“

Homöopathie-Text auf Charité-Seite „versehentlich aktiviert“?

Ihrer Einschätzung nach öffnen sich viele Kliniken der Komplementärmedizin, weil sie sehen, dass sie die Patienten oder ihre Eltern bewegt. Problematisch sei dies besonders, wenn Patienten nur noch auf die so genannte Alternativmedizin setzen und eine wirksame Behandlung ausschlagen, weil sie die Hoffnung haben, mit alternativer Medizin sei eine sanftere Heilung möglich. „Da ist noch viel Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung zu leisten“, sagt Weg-Remers.

Die Berliner Senatskanzlei für Wissenschaft und Forschung hatte vor zwei Wochen erklärt, dass die Charité die Verantwortung für die Verbreitung des Homöopathie-Textes prüft. Dieser sei schon mehrere Jahre alt gewesen „und bedauerlicherweise versehentlich aktiviert“ worden, erklärt ein Pressesprecher nun auf Nachfrage. „Wer die technische Deaktivierung unterlassen hat, ließe sich aus heutiger Sicht leider nicht mehr nachvollziehen, wie uns seitens der Charité mitgeteilt wurde.“ Dabei war die Seite laut Eintrag im Web-Archive über Jahre kontinuierlich erreichbar.

Und auch weiterhin ist auf der Homepage der Charité-Hochschulambulanz für Naturheilkunde zu lesen, dass die Homöopathie-Forschung ein großer Schwerpunkt des Instituts für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie sei – und dass gezeigt sei, dass Patienten von der homöopathischen TherapieTherapie Therapie bezeichnet eine Heil- oder Krankenbehandlung im weitesten Sinn. Es kann hierbei die Beseitigung einer Krankheitsursache oder die Beseitigung von Symptomen im Mittelpunkt stehen. Ziel einer jeden Therapie ist die Widerherstellung der physischen und psychischen Funktionen eines Patienten durch einen Therapeuten. Soweit dies unter den jeweiligen Bedingungen möglich ist. profitieren. Belege für diese Aussage liefert die Pressestelle der Charité auf Nachfrage nicht.