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„Zwingende Reformbedürftigkeit“ Gesundheitsminister planen Heilpraktiker-Reform

Eingang eines großen Gebäudes mit vielen Säulen. Darüber prangt ein großes Banner mit der Aufschrift: "Deutscher Heilpraktikerkongress"
© Hinnerk Feldwisch-Drentrup / MedWatch

Nach mehreren deutschlandweit Aufsehen erregenden Todesfällen beispielsweise von Krebspatienten, die kurz nach der TherapieTherapie Therapie bezeichnet eine Heil- oder Krankenbehandlung im weitesten Sinn. Es kann hierbei die Beseitigung einer Krankheitsursache oder die Beseitigung von Symptomen im Mittelpunkt stehen. Ziel einer jeden Therapie ist die Widerherstellung der physischen und psychischen Funktionen eines Patienten durch einen Therapeuten. Soweit dies unter den jeweiligen Bedingungen möglich ist. durch einen HeilpraktikerHeilpraktiker Heilpraktiker*in ist ein Medizinberuf, der auf dem deutschen Heilpraktikergesetz (HPG) beruht. Es handelt sich um einen sogenannten freien Beruf, dem keine einheitliche Ausbildung zugrunde liegt. Weder eine medizinische Ausbildung noch eine berufsqualifizierende Fachprüfung sind dafür erforderlich. Folgende Tätigkeiten bzw. Tätigkeitsfelder sind jedoch ausgeschlossen: Geburtshilfe, Geschlechtskrankheiten, meldepflichtige übertragbare Krankheiten, die Verordnung verschreibungspflichtiger Arzneimittel, die Verordnung von Betäubungsmitteln. In Österreich ist der Beruf verboten. in Brüggen-Bracht starben, will die Politik sich nun diesen Berufszweig vornehmen. Die Gesundheitsminister aller Bundesländer haben am Donnerstag beschlossen, eine Reform anzugehen. „Das unzureichend regulierte Heilpraktikerwesen mit seiner umfassenden Heilkundebefugnis steht unverändert in der Kritik“, heißt es in einer Erklärung. Das HeilpraktikergesetzHeilpraktikergesetz Das Heilpraktikergesetz (HPG) existiert sei 1939. Dies mit der ursprünglichen Intension, den Berufsstand des Heilpraktikers und der Heilpraktikerin aussterben zu lassen. Es finden sich im Heilpraktikergesetz keine Regelungen zur Ausbildung oder zu einer staatlichen Prüfung. Es wird aktuell lediglich überprüft, ob keine Gefahr vom Behandler ausgeht. Im HPG wird der Begriff Krankheit als jede Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers definiert, die geheilt oder gelindert werden kann. Dies beinhaltet somit auch unerhebliche oder vorübergehende Störungen und ist weit auslegbar. Damit entspricht der Krankheitsbegriff nicht der Definition von Krankheit des Sozialversicherungsrechts. Eine Krankheit im Rechtssinne ist definiert durch eine erhebliche Abweichung vom idealen Zustand. könne dem heutigen Anspruch an den Gesundheitsschutz der Patienten nicht mehr gerecht werden. Für Heilpraktiker gebe es weder verbindliche Regeln zur Ausbildung noch eine einheitliche Berufsordnung. Andere Gesundheitsberufe müssten hingegen strenge Qualifikationskriterien erfüllen.

„Wir sehen es als kritisch an, dass einige Tätigkeiten zwar den Heilpraktikern untersagt sind, aber es noch eine Fülle von Tätigkeiten gibt, die zugelassen sind“, sagte die Hamburger Senatorin für Gesundheit, Cornelia Prüfer-Storcks, auf einer Pressekonferenz – sie hatte die Initiative maßgeblich  vorangetrieben.  So dürfen Heilpraktiker Knochenbrüche therapieren, schwere und bösartige Erkrankungen behandeln und Injektionen geben. Selbst die Herstellung von Arzneimitteln für bestimmte Patienten sei Heilpraktikern erlaubt. „Ohne die Prüfmechanismen, die wir normalerweise haben, wenn wir ArzneimittelArzneimittel Arzneimittel sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die angewandt werden, um Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder Beschwerden zu heilen, zu lindern oder zu verhüten. Es kann sich hierbei ebenfalls um Mittel handeln, die dafür sorgen, dass Krankheiten oder Beschwerden gar nicht erst auftreten. Die Definition beinhaltet ebenso Substanzen, die der Diagnose einer Krankheit nutzen oder seelische Zustände beeinflussen. Die Mittel können dabei im Körper oder auch am Körper wirken. Das gilt sowohl für die Anwendung beim Menschen als auch beim Tier. Die gesetzliche Definition von Arzneimitteln ist im § 2 Arzneimittelgesetz (AMG) enthalten. zulassen und produzieren“, kritisierte Prüfer-Storcks. „Wir glauben, dass es hier Regelungsbedarf gibt aus Sicht des Patientenschutzes.“

In einem von der Hamburger Behörde für Gesundheit und VerbraucherschutzVerbraucherschutz Verbraucherschutz ist deutschland- und europaweit ein breit gefächertes Gebiet. So gibt es ein Amt für Verbraucherschutz, ein Bundesinstitut für Risikobewertung, die EFSA – die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit – und eine Health-Claims-Verordnung. In Deutschland existieren 16 Verbraucherzentralen und weitere verbraucherpolitische Organisationen, die in einem gemeinsamen Bundesverband gebündelt sind. Verbraucherschutz beinhält Rechtsvorschriften und Verbraucherrechte die z.B. Bereiche wie Lebensmittelsicherheit, Kaufverträge und Verträge mit Banken und Geldinstituten berücksichtigen. vor Monaten eingebrachten Antrag war zuvor noch deutlich stärkere Kritik geäußert worden: Die vom früheren Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) durchgesetzten Gesetzesänderungen zielen „nur auf eine Änderung der Voraussetzungen und Verfahren zur Erlaubniserteilung ab, nicht aber auf eine Regulierung der Tätigkeit der Heilpraktiker“, hieß es dort. Doch offenbar fand der Antrag keine Mehrheit. Nach ihm hätte geprüft werden sollen, ob und gegebenenfalls wie „eine Aufhebung des Heilpraktikergesetzes“ erfolgen soll. Bei „Fortbestehen des Heilpraktikerberufes“ sollte alternativ der Berufstand besser kontrolliert werden.

SpahnSpahn Spahn, Jens; Bankkaufmann und Politologe, war 2018 bis 2021 Bundesminister für Gesundheit. Seit 2002 ist er Mitglied des Bundestages. hält sich raus

„Die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Gesundheit sehen eine zwingende Reformbedürftigkeit des Heilpraktikerwesens“, heißt es in dem kurzen, MedWatch vorliegenden Beschluss. „Der Bund wird gebeten, eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einzurichten, die eine grundlegende Reform des Heilpraktikerwesens prüft.“ Das Ergebnis der Prüfung solle bis zur GesundheitsministerkonferenzGesundheitsministerkonferenz Die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) ist eine Fachministerkonferenz, welche einmal im Jahr stattfindet. Beteiligt sind die aktuell amtierenden Gesundheitsminister und -senatoren der Bundesländer. Der Bundesgesundheitsminister ist ständiger Gast der GMK. Die Gesundheitsministerkonferenz dient der Zusammenarbeit und der Koordination der Länderinteressen in gesundheitspolitischen Fragestellungen. Der Vorsitz der GMK wechselt jährlich unter den Bundesländern. in einem Jahr vorgelegt werden.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erklärte auf der Pressekonferenz das Patientenwohl zwar zum entscheidenden Maßstab für die GesundheitspolitikGesundheitspolitik Das Hauptaugenmerk der Gesundheitspolitik liegt auf der Verbesserung der gesundheitlichen Lage der Bevölkerung. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ist hierbei federführend. Dem BMG obliegt es entsprechende Gesetzesvorhaben, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften auszuarbeiten. Der BMG konzipiert die Gesetze im Gesundheitsbereich, der Bundestag verabschiedet sie. Andere Geschäftsbereiche wie Verbraucherschutz, soziale Sicherung und Finanzierung finden Beachtung und müssen miteinander in Einklang gebracht werden, auch der Bundesrat spielt hier mit rein.. „Deshalb finde ich es richtig, dass die Gesundheitsministerkonferenz bei der Patientenorientierung ihren Schwerpunkt setzt“, sagte er. Auf mögliche Reformen des Heilpraktikerberufes ging der Minister bei der Pressekonferenz jedoch nicht ein. Inwiefern sein Haus die von den Landesministern geforderte Reform des Heilpraktikerwesens mit unterstützen wird, bleibt offen. Auf Nachfrage, ob das Ministerium eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe unterstützen würde, versteckte sich eine Sprecherin bereits im Mai hinter der Mini-Reform von Gröhe. Mit Blick auf die kurze Zeit seit Inkrafttreten dieser Änderungen sei es angemessen, zunächst zu prüfen, ob und inwieweit diese zum Schutz des Patientenwohles beiträgt, erklärte sie – „ehe weitere gesetzliche Maßnahmen in Betracht gezogen werden sollten“.

Neutral und evidenzbasierte Information

In einem Grundsatzbeschluss sprach sich die Gesundheitsministerkonferenz außerdem für „Patientenorientierung als Element einer zukunftsweisenden Gesundheitspolitik“ aus. „Das heißt, dass der Patient natürlich das Heft in der Hand haben muss, dass er versteht, was mit ihm gemacht wird, warum es mit ihm gemacht wird, mit welchen Chancen die Behandlung verbunden ist“, sagte NRW-Gesundheitsminister Karl Laumann. Auch in der Ausbildung des Gesundheitspersonals sollten diese Aspekte einen großen Stellenwert bekommen, betonte Laumann – und erwähnte zwar Ärzte als Berufsgruppe explizit, nicht aber Heilpraktiker. Der frühere Bundespatientenbeauftragte forderte außerdem mehr Transparenz ein. In Teilen des Gesundheitssystems gebe es wegen mangelnder Transparenz „eine gewisse Misstrauenskultur“, sagte er.

Die Minister wollen laut dem Beschluss die Patientensouveränität und der Orientierung im Gesundheitswesen verbessern, die Gesundheitskompetenz und gesundheitliche Eigenverantwortung beispielsweise durch die Einrichtung eines nationalen Gesundheitsportals deutlich stärken und Kommunikation und Wissenstransfer zwischen Patienten und allen Beteiligten im Gesundheitswesen fördern. „Patienten sollen so in die Lage versetzt werden, ihre Interessen besser zu vertreten und ihre Entscheidungen auf der Basis qualitätsgesicherter Informationen zu treffen“, heißt es.

Kommunikationskompetenz und wertschätzende Beziehungsgestaltung sei im Gesundheitswesen von wesentlicher Bedeutung für die Partizipation, Qualität, Sicherheit und den Erfolg der gesundheitlichen Prävention und der medizinischen Behandlung, betonen die Minister. Allgemeinverständliche „Patientenbriefe“ sollen als erster Schritt die Informiertheit von Patienten nach Krankenhausbehandlungen erhöhen. Außerdem soll das Bundesgesundheitsminister eine Pflicht schaffen, dass niedergelassene Ärzte ihren Patienten neutrale und evidenzbasierte schriftliche Informationen zu Zusatzangeboten – sogenannten „Individuellen Gesundheitsleistungen“ – zur Verfügung stellen müssen.

Bei Behandlungsfehlern sollen nach Ansicht der Landesminister auf Bundesebene weitere Erleichterungen umgesetzt werden: Die Beweislast und das Beweismaß soll zu Gunsten von Patienten überarbeitet werden. Außerdem sollten KrankenkassenKrankenkassen Eine Krankenkasse ist der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Krankenkassen stellen den Versicherten Leistungen zur Verfügung, die nach Vorlage der elektronischen Gesundheitskarte in Anspruch genommen werden können. Die meisten dieser Leistungen sind im SGB V festgeschrieben. Krankenkassen sind organisatorisch sowie finanziell unabhängig und unterstehen der Aufsicht von Bund oder Ländern. Im Gegensatz zu gesetzlichen Krankenversicherungen sind private Krankenversicherungsunternehmen Aktiengesellschaften oder Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG). gesetzlich verpflichtet werden, Patienten beim Nachweis eines Behandlungsfehlers besser zu unterstützen.


1 comment
  1. Eine Reform des HPG ist überfällig. Ich halte es für falsch neben den akademischen und zukünftig akademischen Therapeutischen Berufen einen weiteren, den Ärzten in vielen Bereichen gleichgestellten Heilberuf, ohne eine grundlegende Reform des Zugangs, der Ausbildung usw. weiter bestehen zu lassen. Vorbild könnten Regelungen wie sie in der Schweiz in (unterschiedlich in Kantonen) umgesetzt wurden sein, aber auch eine universitäre Stärkung zur Facharztausbildung “Arzt für Naturheilverfahren” wäre denkbar. Kurze Übergangsregelungen bis dahin sinnvoll.
    Stringente Nachqualifikationen bei Mindestvoraussetzungen z.B. Mittlere Reife und Mindestzahl an Berufsjahren für praktizierende HeilpraktikerHeilpraktiker Heilpraktiker*in ist ein Medizinberuf, der auf dem deutschen Heilpraktikergesetz (HPG) beruht. Es handelt sich um einen sogenannten freien Beruf, dem keine einheitliche Ausbildung zugrunde liegt. Weder eine medizinische Ausbildung noch eine berufsqualifizierende Fachprüfung sind dafür erforderlich. Folgende Tätigkeiten bzw. Tätigkeitsfelder sind jedoch ausgeschlossen: Geburtshilfe, Geschlechtskrankheiten, meldepflichtige übertragbare Krankheiten, die Verordnung verschreibungspflichtiger Arzneimittel, die Verordnung von Betäubungsmitteln. In Österreich ist der Beruf verboten. aus rechtlichen Gründen notwendig.
    So wie bisher kann es jedoch nicht weitergehen.
    Zuviele Heilpraktiker die mangels fachlicher Ausbildung eine Gefährdung für potentielle Patienten darstellen können indem sie selbstüberschätzend ihre Kompetenzen überschreiten und esoterischen Hokuspokus praktizieren !
    F.S.
    Heilpraktiker und
    Psychologe/Psychotherapeut (akad.)