Die Schweiz warnt. Deutschland nicht. Genauer: Deutschland wollte warnen und kann nicht: Der Streit um Iberogast (wir berichteten) geht in die nächste Runde. Schon seit den Neunzigerjahren stehen Mittel mit dem Inhaltsstoff SchöllkrautSchöllkraut Schöllkraut, eine Pflanzenart aus der Familie der Mohngewächse, ist in Iberogast® Classic enthalten; ein pflanzliches Arzneimittel des Pharmaunternehmens Bayer gegen Magen-Darm-Beschwerden. Bei hoher Dosierung und längerer Anwendungsdauer kann Schöllkraut die Leber schädigen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel forderte bereits 2008 den damaligen Hersteller auf, über das Leberrisiko dieses Präparates im Beipackzettel aufzuklären. Nach langem Ringen und einem Todesfall im Jahr 2018 nahm Bayer einen entsprechenden Warnhinweis in den Beipackzettel auf. Seit Ende 2020 bietet Bayer eine Schöllkrautfreie Variante an (Iberogast® Advance). in Verdacht, in äußerst seltenen Fällen leberschädigend zu wirken. Während in der Schweiz seit kurzem zusätzliche Warnhinweise auf die mögliche Gefahr von Iberogast hinweisen, fehlt in Deutschland ein solcher Risikohinweis. Der Fall liegt seit 2017 vor Gericht. Die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-AscheKordula Schulz-Asche Kordula Schulz-Asche, Kommunikationswissenschaftlerin und Gründungsmitglied des heutigen Bündnis 90/Die Grünen ist Mitglied des Deutschen Bundestages. Nach langjähriger Arbeit für Entwicklungsorganisationen in Afrika war sie für das GIZ-Projekt „HIV/AIDS-Bekämpfung in Entwicklungsländern“ tätig. Kordula Schulz-Asche ist (Stand 2022) unter anderem Mitglied der Deutschen Afrika Stiftung, Ehrenamtliches Beiratsmitglied bei der Gesellschaft für Recht und Politik im Gesundheitswesen e.V., des Gesundheitsausschusses sowie des Unterausschusses Globale Gesundheit sowie stellvertretendes Mitglied des Familienausschusses. (Grüne) sieht dringenden Handlungsbedarf: Die Risikodebatte um IberogastIberogast Iberogast® ist ein pflanzliches Arzneimittel des Pharmaunternehmens Bayer gegen Magen-Darm-Beschwerden. Iberogast® Classic beinhält Schöllkraut, eine Pflanzenart aus der Familie der Mohngewächse. Bei hoher Dosierung und längerer Anwendungsdauer kann Schöllkraut die Leber schädigen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel forderte bereits 2008 den damaligen Hersteller auf, über das Leberrisiko dieses Präparates im Beipackzettel aufzuklären. Nach langem Ringen und einem Todesfall im Jahr 2018 nahm Bayer einen entsprechenden Warnhinweis in den Beipackzettel auf. Seit Ende 2020 bietet Bayer eine Schöllkrautfreie Variante an (Iberogast® Advance). wird nun am 14. März Thema im GesundheitsausschussGesundheitsausschuss Der Gesundheitsausschuss entwickelt auf nationaler und EU-Ebene die Reformen der gesetzlichen Krankenkassen. Patientenrechte, ärztliche Belange, ethische Fragen der Medizin sowie Arzneimittelversorgung und -sicherheit gehören ebenso zu seinen Aufgabengebieten. Im Bereich der Krankenversicherungen beschäftigt sich der Gesundheitsausschuss mit dem Leistungs- und Beitragsrecht und kümmert sich zudem um die Rechte der Vertragsärzte sowie Verbände und vieles mehr. Der Gesundheitsausschluss kann ausschließlich Beschlussempfehlungen abgeben, die Sitzungen sind nicht öffentlich. des Bundestags.
Worum geht es?
Das Bundesinstitut für ArzneimittelArzneimittel Arzneimittel sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die angewandt werden, um Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder Beschwerden zu heilen, zu lindern oder zu verhüten. Es kann sich hierbei ebenfalls um Mittel handeln, die dafür sorgen, dass Krankheiten oder Beschwerden gar nicht erst auftreten. Die Definition beinhaltet ebenso Substanzen, die der Diagnose einer Krankheit nutzen oder seelische Zustände beeinflussen. Die Mittel können dabei im Körper oder auch am Körper wirken. Das gilt sowohl für die Anwendung beim Menschen als auch beim Tier. Die gesetzliche Definition von Arzneimitteln ist im § 2 Arzneimittelgesetz (AMG) enthalten. und MedizinprodukteMedizinprodukte Medizinprodukte sind z.B. Implantate, Katheder, Infusionen, Herzschrittmacher und Co. Sie definieren sich durch eine vom jeweiligen Hersteller bestimmte medizinische Zweckbestimmung für die Anwendung beim Menschen. Anders als bei Arzneimitteln entfaltet sich ihre Hauptwirkung auf physikalische Weise. Verschiedenste Vorgaben regeln das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von Medizinprodukten. Dadurch soll für die Sicherheit und Eignung der Medizinprodukte gesorgt werden. Es geht hierbei zudem um den Schutz von Patienten, Anwendern und Dritter. – kurz BfArM – hatte schon im Jahr 2008 ein Verfahren eingeleitet.1https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/Risikoinformationen/RisikoBewVerf/s-z/schoellkraut_bescheid_080409.pdf?__blob=publicationFile&v=3 Schrittweise und im Gespräch mit den Herstellern sollten entsprechende Präparate mit einer Schöllkraut-Tagesdosis von mehr als 2,5 mg ihre Zulassung verlieren, für alle anderen sollten Hinweise auf mögliche Leberschädigungen in der Packungsbeilage vorgeschrieben werden.
Die meisten Produkte verschwanden daraufhin vom Markt. Ein Hersteller jedoch, der damalige Iberogast-Produzent Steigerwald, legte Widerspruch ein. Pharmahersteller BayerBayer Bayer ist ein Chemie- und Pharmakonzern mit Sitz in Leverkusen. Bei den meisten Produkten, die das Unternehmen produziert, handelt es sich um Medikamente; hauptsächlich für Menschen, aber auch für Tiere. Zudem vertreibt es Nahrungsergänzungsmittel, Fußpflege-Produkte und Sonnencremes. Für die Landwirtschaft entwickelt Bayer Saatgut und Pflanzenschutzmittel. Wegen des Unkrautvernichters Roundup steht der Konzern immer wieder vor Gericht., der Steigerwald 2013 übernommen hat, ändert jedoch nichts an dieser Situation. Bis heute fehlen dadurch – über knapp zehn Jahre also – warnende Hinweise in der Packungsbeilage und der Fachinformation für Ärzte und Apotheker. Denn solange der Widerspruch besteht, bleibt der BeipackzettelBeipackzettel Fertigarzneimittel dürfen ausschließlich zusammen mit einer Packungsbeilage ausgeliefert werden. Das Arzneimittelgesetz (AMG) gibt vor, wie der Beipackzettel eines Medikaments gestaltet sein muss. Es muss die vorgegebenen Angaben in festgelegter Reihenfolge beinhalten. Dazu gehören unter anderem der Name des Medikamentes, Anwendungsbereiche, Gegenanzeichen, Vorsichtsmaßnahmen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, Dosierung und Nebenwirkungen. Der Beipackzettel ist in erster Linie für die Anwender des Medikamentes verfasst. Damit dieser für Menschen ohne Fachwissen verständlich ist, durchlaufen Beipackzettel einen Lesbarkeitstest. Sie werden z.B. durch das BfArM oder das PEI geprüft und genehmigt, bevor sie in den Umlauf kommen. wie er ist.
Diese Warnungen fehlen in Deutschland:
Warum hat das BfArMBfArM Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ist zuständig für die Zulassung und Registrierung von Arzneimitteln, Arzneimittelsicherheit (Pharmakovigilanz) sowie für die Risikoerfassung und -bewertung von Medizinprodukten. Es regelt sowohl das legale Inverkehrbringen von Betäubungsmitteln und ihren Ausgangsstoffen als auch deren Herstellung, Anbau und Handel. Das BfArM agiert ebenso dafür Forschung und regulierende Tätigkeiten miteinander zu vernetzen. den Widerspruch des Herstellers Steigerwald nicht einfach zurückgewiesen?
Offenbar sah die Behörde sich damals noch nicht ausreichend gut gerüstet, um in einem Rechtsstreit gegen den Iberogast-Hersteller zu bestehen, denn darauf wäre es nach einem Widerspruch hinausgelaufen. Seinerzeit lagen dem BfArM 48 Nebenwirkungsmeldungen vor, allerdings waren nur 14 gut dokumentiert. Unter den Nebenwirkungen waren unter anderem toxische Reaktionen der LeberLeber Die Leber ist ein Stoffwechselorgan im menschlichen Körper. Als Hauptentgiftungsstelle verantwortet sie die Verwertung von Nahrungsbestandteilen, den Abbau und die Ausscheidung von Stoffen. Sie baut, zusammen mit anderen Organen, alte oder beschädigte Blutkörperchen ab. Auch die Produktion lebenswichtiger Proteine gehört zu ihren Aufgaben. Sie speichert Vitamine und Spurenelemente und stellt mit Hilfe von Vitamin K Eiweiße her, die für die Blutgerinnung wichtig sind. Die Leber steuert zusätzlich den Blutzuckerspiegel und stellt Ausgangsprodukte für die Hormonproduktion her. Sie nimmt eine wichtige Rolle im Fettstoffwechsel ein. Eine Besonderheit der Leber ist, dass sie sich nach Verletzungen zu einem Großteil regenerieren kann, was für andere Organe nicht der Fall ist., Leberentzündungen, Leberzellschädigung und Leberversagen:
Und so sammelte die Behörde weiter Meldungen über Leberschädigungen unter Iberogast. Wie gesagt, es geht um sehr seltene Erkrankungen. Knapp zehn Jahre später, im Sommer 2017, wies das BfArM den Widerspruch gegen die Warnhinweise zurück, Bayer klagte. Über den Fall muss nun das Verwaltungsgericht Köln entscheiden. Doch der Rechtsweg kann dauern.
Was passiert jetzt?
Anfang Januar hat sich die Bundestagsabgeordnete Kordula Schulz-Asche (Grüne) in den Fall eingeschaltet.2https://dserver.bundestag.de/btd/19/007/1900775.pdf#page=96 Sie wollte von der Bundesregierung, genauer vom BundesgesundheitsministeriumBundesgesundheitsministerium Das Bundesgesundheitsministerium, oder auch Bundesministerium für Gesundheit, erarbeitet Gesetzesentwürfe, Rechtsverordnungen sowie Verwaltungsvorschriften. Zu seinen Aufgaben gehört es die Leistungsfähigkeit der Gesetzlichen Krankenversicherung sowie der Pflegeversicherung zu erhalten, zu sichern und weiterzuentwickeln. Es ist zuständig für die Reform des Gesundheitssystems. Wichtige Punkte sind zudem die Bereiche Gesundheitsschutz, Krankheitsbekämpfung und Biomedizin. Auch kümmert es sich und die Rahmenvorschriften für Herstellung, klinische Prüfung, Zulassung, Vertriebswege und Überwachung von Arzneimitteln und Medizinprodukten, sowie um die Sicherheit biologischer Arzneimittel wie Blutprodukte. Berufsgesetze für die Zulassung zu den bundesrechtlich geregelten Heil- und Gesundheitsberufen gehören ebenso zu seinem Aufgabenspektrum. (BMGBMG BMG ist die Abkürzung für das Bundesministerium für Gesundheit. Es erarbeitet Gesetzesentwürfe, Rechtsverordnungen sowie Verwaltungsvorschriften. Zu seinen Aufgaben gehört es die Leistungsfähigkeit der Gesetzlichen Krankenversicherung sowie der Pflegeversicherung zu erhalten, zu sichern und weiterzuentwickeln. Es ist zuständig für die Reform des Gesundheitssystems. Wichtige Punkte sind zudem die Bereiche Gesundheitsschutz, Krankheitsbekämpfung und Biomedizin. Auch kümmert es sich und die Rahmenvorschriften für Herstellung, klinische Prüfung, Zulassung, Vertriebswege und Überwachung von Arzneimitteln und Medizinprodukten, sowie um die Sicherheit biologischer Arzneimittel wie Blutprodukte. Berufsgesetze für die Zulassung zu den bundesrechtlich geregelten Heil- und Gesundheitsberufen gehören ebenso zu seinem Aufgabenspektrum.), wissen:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Gesundheitsgefahren des Schöllkraut enthaltenden Arzneimittels Iberogast® vor dem Hintergrund der kürzlich veranlassten Anpassung der Arzneimittelinformation des Schweizerischen Heilmittelinstituts und sieht sie darin einen Anlass, Patientinnen und Patienten auf mögliche Gesundheitsrisiken hinzuweisen?
Ingrid Fischbach, parlamentarische Staatsekretärin im BMG und derzeit Patientenbeauftrage der Bundesregierung, verwies in ihrer Antwort auf das erwähnte Stufenplanverfahren des BfArM, aber auch, dass „unter der Voraussetzung der Umsetzung der geforderten Texte die Wirksamkeits-Risiko-Relation für Iberogast weiterhin als positiv erachtet werde“. Allerdings sei die Entscheidung des BfArM derzeit Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung. Deshalb bestehe keine Verpflichtung des pharmazeutischen Unternehmens zur Umsetzung dieser vorn BfArM angeordneten Textänderungen.
Für Schulz-Asche ein Unding. Sie hat nun Verantwortliche des BfArM in den Gesundheitsausschuss eingeladen, am 14. März soll die Situation besprochen werden. „Es ist skandalös, dass eine Arzneimittelbehörde ausdrücklich von der Einnahme eines Arzneimittels abrät und diese wichtigen Informationen den Betroffenen, also vor allem Schwangeren und Kranken, vorenthalten werden“, sagt Schulz-Asche. Das BfArM sage „klipp und klar“, dass Iberogast von Schwangeren und Stillenden nicht eingenommen werden soll. „Dass der Hersteller Bayer das nicht in seine Packungsbeilage aufnimmt und sogar auf seinem Internetauftritt im Zusammenhang der Einnahme von Iberogast während der Schwangerschaft die angeblich ‚gute Verträglichkeit‘ des ‚rein pflanzlichen‘ Arzneimittels betont, ist ein Skandal!“
Und was sagt Bayer?
Der Pharmahersteller hat wegen der vielen Medienanfragen längst einen eigenen Menüpunkt in der Rubrik „Presse“ auf seiner Internetseite eingerichtet:
Der Konzern wiederholt das, was er seit Wochen gebetsmühlenartig erklärt: „Es liegen keine neuen Fakten vor, so dass sich die Sach- bzw. Beurteilungslage von Iberogast nicht verändert hat. Das Nutzen-Risikoprofil von Iberogast bleibt unverändert positiv.“ Alles gut also mit Iberogast.
- 1https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/Risikoinformationen/RisikoBewVerf/s-z/schoellkraut_bescheid_080409.pdf?__blob=publicationFile&v=3
- 2https://dserver.bundestag.de/btd/19/007/1900775.pdf#page=96