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Schirmherrschaft in der Kritik Peinliche Fehler im Grußwort von Manuela Schwesig

Frau mit blonden Haaren. Text: "Schirmherrin des Deutschen Ärztekongresses für Homöopathie 2019 in Stralsund Manuela Schwesig Ministerpräsidentin des Landes Mecklenburg-Vorpommern Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste, es ist mir eine große Freude, Sie anlässlich der Jahrestagung des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Arzte (DZVhA) im Mai 2019 in Stralsund willkommen zu heißen. Die Zahl der Ärztinnen und Arzte, die sich mit der Homöopathie beschäftigen und in ihrer täglichen Praxis anwenden, nimmt stetig zu. Das ist Ausdruck der zunehmenden Akzeptanz der Methodik der Homöopathie. Jährlich nehmen ca. 600 Fachleute aus dem deutschsprachigen Raum an Ihrem Kongress teil. Dabei besuchen nicht nur praktizierende Medizinerinnen und [...]"
© Screenshot https://2019.homoeopathie-kongress.de/programm/schirmherrschaft-grussworte/ / 13.05.2019

Dass die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern – die frühere Bundesfamilienministerin Manuela SchwesigManuela Schwesig Manuela Schwesig, deutsche Politikerin, der SPD angehörig und seit 2017 Ministerpräsidentin des Landes Mecklenburg-Vorpommern (stand August 2022). – die Schirmherrschaft der diesjährigen Jahrestagung des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) übernommen hat, stieß bundesweit auf Kritik. „Schwesigs neuer Job als Homöo-Patin“ titelte der Nordkurier, auch Extra3 und der Spiegel kritisieren die Unterstützung der Veranstaltung durch die SPD-Politikerin.

Schon früher stießen ähnliche Schirmherrschaften auf erhebliche Kritik: Als die Bremer Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt, die auch den Vorsitz in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz innehat, vor drei Jahren die Schirmherrschaft der Jahrestagung übernahm, starteten Kritiker eine Petition. Vor zwei Jahren übernahm die frühere parlamentarische Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz als damalige Staatssekretärin im BundesgesundheitsministeriumBundesgesundheitsministerium Das Bundesgesundheitsministerium, oder auch Bundesministerium für Gesundheit, erarbeitet Gesetzesentwürfe, Rechtsverordnungen sowie Verwaltungsvorschriften. Zu seinen Aufgaben gehört es die Leistungsfähigkeit der Gesetzlichen Krankenversicherung sowie der Pflegeversicherung zu erhalten, zu sichern und weiterzuentwickeln. Es ist zuständig für die Reform des Gesundheitssystems. Wichtige Punkte sind zudem die Bereiche Gesundheitsschutz, Krankheitsbekämpfung und Biomedizin. Auch kümmert es sich und die Rahmenvorschriften für Herstellung, klinische Prüfung, Zulassung, Vertriebswege und Überwachung von Arzneimitteln und Medizinprodukten, sowie um die Sicherheit biologischer Arzneimittel wie Blutprodukte. Berufsgesetze für die Zulassung zu den bundesrechtlich geregelten Heil- und Gesundheitsberufen gehören ebenso zu seinem Aufgabenspektrum. die Schirmherrschaft des Weltärztekongresses HomöopathieHomöopathie Der deutsche Arzt Samuel Hahnemann postulierte gegen Ende des 18. Jh.s: »Ähnliches heilt Ähnliches«. So leitet sich das Wort Homöopathie von Homoion (für ähnlich) und Pathos (für Leiden) ab. Hahnemann verfolgte die Theorie, dass der Auslöser einer Krankheit oder der Auslöser für bestimmte Symptome auch zu deren Therapie genutzt werden kann. Bekanntestes Beispiel dafür ist die Chinarinde, mit der früher Malaria behandelt wurde. Die Einnahme dieser löste in einem Selbstversuch Hahnemanns Symptome einer Malaria aus. Damit sah er seine Theorie bestätigt. Die Homöopathie ist heute eine eigenständige Therapieform in der Alternativmedizin. Häufig werden für Globuli und Tinkturen die eingesetzten Substanzen zur Behandlung so stark verdünnt, dass in ihnen kein Wirkstoff mehr vorhanden ist. Für die Wirkung der Verdünnungen (Potenzen) wird ein Gedächtnis des Lösungsmittels, z.B. Wasser, angenommen. Für solch ein Gedächtnis von Wasser oder für eine generelle Wirkweise der Homöopathie über den Effekt eines Placebos hinaus gibt es jedoch keine wissenschaftlichen Belege; trotz mehr als 200 hochwertiger Studien dazu., was das Informationsnetzwerk Homöopathie als Tabubruch bezeichnete.

Es sei ihr eine große Freude, die Tagungsteilnehmer in Stralsund willkommen zu heißen, beginnt Schwesig ihr Grußwort nun. „Die Zahl der Ärztinnen und Ärzte, die sich mit der Homöopathie beschäftigen und in ihrer täglichen Praxis anwenden, nimmt stetig zu“, sagt sie weiter. „Das ist Ausdruck der zunehmenden Akzeptanz der Methodik der Homöopathie.“ Es sei sehr wichtig, darüber zu forschen, „wie im Säuglings- und Kleinkindalter alternative Methoden wie die Homöopathie in der TherapieTherapie Therapie bezeichnet eine Heil- oder Krankenbehandlung im weitesten Sinn. Es kann hierbei die Beseitigung einer Krankheitsursache oder die Beseitigung von Symptomen im Mittelpunkt stehen. Ziel einer jeden Therapie ist die Widerherstellung der physischen und psychischen Funktionen eines Patienten durch einen Therapeuten. Soweit dies unter den jeweiligen Bedingungen möglich ist. wirksam eingesetzt werden können“, erklärt die Ministerpräsidentin. Für die Landesregierung sei entscheidend, was der Patientin oder dem Patienten helfe.

Die Zahlen sprechen eine andere Sprache

Doch nach Recherchen von MedWatch sind nicht nur die allgemeinen Aussagen der Ministerpräsidentin zur Homöopathie fragwürdig: Schlicht falsch ist ihr Statement, die Zahl der homöopathisch tätigen Ärzte nehme „stetig zu“. Zwar gibt es aktuell deutlich mehr Ärzte mit der Zusatzweiterbildung Homöopathie als vor Jahrzehnten, doch sind die Zahlen seit Jahren rückläufig. 2015 waren nach Angaben der BundesärztekammerBundesärztekammer Die Bundesärztekammer (BÄK) vereint die 17 deutschen Ärztekammern unter sich. Sie vertritt die berufspolitischen Interessen aller Ärzt*innen in Deutschland und vermittelt den Erfahrungsaustausch zwischen den einzelnen Ärztekammern. Ihr Ziel ist es unter anderem möglichst einheitliche Regeln zur Berufsordnung von Ärzten und Arztinnen herbeizuführen. Sie pflegt Kontakte zur Bundesregierung, zum Bundesrat sowie zu den politischen Parteien. bundesweit knapp 6000 Ärzte mit Zusatzweiterbildung Homöopathie tätig, zum Ende des vergangenen Jahres fiel die Zahl auf 5482.

Bei der Ärztekammer Westfalen-Lippe absolvierten vor zehn bis zwanzig Jahren jährlich noch dutzende Ärzte die Weiterbildung, zwischen 2012 und 2017 waren es nur noch ein bis drei Ärzte pro Jahr. Und im Stammland von Schwesig? Auf Anfrage von MedWatch erklärt die Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern, in den vergangenen Jahren habe es acht Ärzte gegeben, die die Zusatzweiterbildung absolviert haben. Deutlich mehr homöopathisch tätige Ärzte gehen also offenbar in den Ruhestand, als Kollegen neu mit der Therapierichtung beginnen.

Blaue und rote Kurven in einem Diagramm. Titel: "Anerkennungen Zusatzweiterbildung Homöopathie"
Die blaue Westphalen-Lippe-Kurve fällt über den Verlauf der x-Achse ab. Die Orange-rote-Linie für Mecklenburg Vorpommern verläuft auf einem sehr niedrigen Niveau über einen längeren Zeitraum auf der x-Achse.
Laut den verfügbaren Zahlen der Ärztekammern Westfalen-Lippe und Mecklenburg-Vorpommern boomt die Zahl der neu anerkannten Zusatzweiterbildungen Homöopathie derzeit nicht. (Grafik: MedWatch)
© Hinnerk Feldwisch-Drentrup / MedWatch

Ein „Ausdruck der zunehmenden Akzeptanz der Methodik der Homöopathie“ zeigt sich derzeit auch anderswo nicht. Es gibt deutliche Kritik – und auch der Absatz mit Homöopathika ist nach Auswertungen des Marktforschungsunternehmens IQVIA in den letzten beiden Jahren rückläufig gewesen. Ärzte verschreiben homöopathische Mittel außerdem deutlich seltener auf Rezept.

„Auf Angaben des Veranstalters gestützt“

Wie kann es sein, dass Schwesig dennoch über stetig steigende Zahlen schreibt und behauptet, dies sei Ausdruck der zunehmenden Akzeptanz der Methodik der Homöopathie? „Wir haben uns hier auf Angaben des Veranstalters gestützt“, erklärt ihr Sprecher. Nach Angaben des DZVHÄ habe sich die Zahl der homöopathisch tätigen Ärzte in Deutschland seit den Neunzigerjahren „mehr als verdreifacht“. „Diese Zahl war Ausgangspunkt für die von Ihnen angesprochenen Sätze in unserem Grußwort“, schreibt der Regierungssprecher.

„Die Zahl der homöopathischen Ärzte in Deutschland hat sich in den letzten 20 Jahren mehr als verdreifacht und ist auf mehr als 7.000 gewachsen“, schreibt der Zentralverein tatsächlich auch auf seiner Homepage. Dabei bezieht er sich nicht nur auf die Zahlen der berufstätigen Ärzte, sondern auch auf etwa im Ruhestand befindliche Ärzte, ergibt sich aus der Antwort des Sprechers des Vereins. Diese habe 2018 bei 6875 gelegen. „Der DZVhÄ rundet diese Zahl auf 7000 Ärzte auf“, erklärt er. 1993 habe es 2500 Ärzte mit Zusatzbezeichnung Homöopathie gegeben. Unklar bleibt, warum der Verein dennoch schreibt, die Zahl habe sich „in den letzten 20 Jahren mehr als verdreifacht und ist auf mehr als 7.000 gewachsen“ – wo sie doch selbst bei Berücksichtigung der inaktiven Ärzte unter dieser Zahl liegt.

Ministerpräsidentin offenbar nicht auf Fehler hingewiesen

„Vor diesem Hintergrund spricht der DZVhÄ auch aktuell von rund 7000 Ärzten mit Zusatzbezeichnung Homöopathie in Deutschland“, schreibt der Sprecher. Warum hat der Zentralverein das Büro von Frau Schwesig nicht darauf hingewiesen, dass die Aussage offenbar falsch ist, die Zahl homöopathisch tätiger Ärzte eben nicht stetig wächst? Auf Nachfrage von MedWatch nimmt der Sprecher der DZVhÄ hierzu keine Stellung.

Bild von Frau. Viel Text: "Ministerpräsidentin Manuela Schwesig übernimmt die Schirmherrschaft des Deutschen Arztekongresses für Homöopathie 2019" - "[...] Phänotyp - also der Beschreibung dessen, was man sieht, und dessen, was der Patient wahrnimmt -, nach einer möglichen Behandlungsform oder nach der (oft nur vermeintlichen) Ursache. Die unterschiedlichen Vorstellungen der somatischen Medizin und der verschiedenen psychotherapeutischen Schulen erschweren ein klares Bild. Diese Uneindeutigkeit ist Ursache für die schwankenden Angaben zu den Häufigkeiten mancher Erkrankungen und für weitere Missverständnisse. Die Homöopathie hat ihre eigene Sichtweise: Was der Kinderpsychiater Autismus nennt, mag vom homöopathischen Arzt als Impfschadensyndrom, als Geburtstrauma oder Bindungsproblem bezeichnet werden. Der Vortrag soll anhand von Fallbeispielen das Verständnis für den Blick des [...]"
„Was der Kinderpsychiater AutismusAutismus Autismus ist ein Sammelbegriff, der verschiedene Entwicklungsstörungen benennt: die sog. Autismus-Spektrum-Störungen. Dabei handelt es sich um tiefgreifende neurologische Entwicklungsstörungen, die das soziale Leben erschweren, zu Problemen mit sozialen Kontakten führen, und auch Einfluss auf die Kommunikation und Sprache haben. Sie wirken sich ebenso auf das Verhaltensrepertoire aus uns führen zu stereotypen Handlungen. Autismus äußert sich in Art, Ausprägung und Schwere sehr individuell. Manche entwickeln nur leichte Symptome, andere sind schwer beeinträchtigt. Es gibt z.B. den frühkindlichen Autismus, das Asperger-Syndrom und den atypischen Autismus. Es kann zu Intelligenzminderung oder zu Inselbegabungen (Savant-Syndrom) kommen. nennt, mag vom homöopathischen Arzt als Impfschadensyndrom, als Geburtstrauma oder Bindungsproblem bezeichnet werden“: Auf der Veranstaltungs-Homepage lächelt die Ministerpräsidentin auch neben Vortragsankündigungen. (Foto: Screenshot)
© Screenshot https://2019.homoeopathie-kongress.de/programm/themen-und-referenten/michael-hartmann-adhs-autismus-und-co/ / 13.05.2019

Wie wird Schwesig mit dem Fehler in ihrem Grußwort umgehen? Ihr Sprecher erklärte, hierzu nicht kurzfristig Rückmeldung geben zu können. Und warum hält die Ministerpräsidentin wie im Grußwort geschrieben Forschung zu Homöopathika für wichtig, obwohl nach Einschätzung von Experten die Wirkungslosigkeit ausreichend klar ist, sodass sich weitere Forschung erübrigt? „Die Frage, ob und wie Homöopathie sinnvoll eingesetzt werden kann, kann nur Gegenstand von Forschung und wissenschaftlichem Diskurs sein“, schreibt ihr Sprecher lediglich.

„Es ging uns nicht darum, uns mit der Schirmherrschaft in den Methodenstreit über die Homöopathie einzuschalten“, heißt es in einem Statement, das die Landesregierung nach der Kritik an veröffentlicht hat. „Wir haben die Schirmherrschaft übernommen, weil hier ein bundesweiter Medizinkongress in unser Land kommt.“ Doch nach dieser Logik müsste die Landesregierung etwa auch bundesweite Tagungen von ImpfgegnerImpfgegner Eine Impfgegnerin oder ein Impfgegner ist eine Person, die Impfungen ablehnt, oder sie zumindest verzögert wahrnimmt, trotz guter Verfügbarkeit eines Impfangebotes. Diese Haltung beruht wohl auf einem mangelnden Bewusstsein gegenüber dem Gefahrenpotential einer Infektionskrankheit wie Masern, Polio und Co., da diese Krankheiten samt ihren negativen Folgen aktuell aufgrund jahrelanger konsequenter Impfungen in der Bevölkerung nicht mehr wahrnehmbar sind. Weitere Gründe sind sowohl mangelnde Information sowie eine mangelnde Informationsbereitschaft als auch bewusst falsch gesetzte Fehlinformationen über Impfungen und mögliche Impfreaktionen. So lauten oft aufgeführte Argumente: »Impfungen helfen nicht, da auch Geimpfte erkranken.«, »Impfungen sind schädlich und können Krankheiten wie Autismus auslösen.« sowie »Es ist besser, der Körper setzt sich auf natürliche Weise mit dem Erreger auseinander.« All diese Argumente sind falsch. Im extremsten Fall leugnen Impfgegner*innen sogar das Viren Krankheiten auslösen oder gar die Existenz von Viren an sich.-Ärzten mit einer Schirmherrschaft beehren.