Für Menschen, die sich vegan ernähren, ist eine Nahrungsergänzung mit Vitamin B12 notwendig. Ein Nutzen hoch dosierter Präparate ist aber weder für Veganer:innen noch für andere gesunde Personengruppen belegt.
Anbieter vieler NahrungsergänzungsmittelNahrungsergänzungsmittel Nahrungsergänzungsmittel werden den Lebensmitteln zugeordnet und sind abgegrenzt von Medikamenten zu betrachten. So dürfen sie, wie der Name schon sagt, die normale Ernährung ergänzen, sie jedoch nicht ersetzen und zudem keine arzneiliche Wirkung zeigen. Sie werden als Kapseln, Tabletten, Tropfen oder Ähnliches angeboten und enthalten oft Vitamine, Mineralstoffe oder sonstige Nährstoffe, die eine Wirkung erzielen sollen. Sie dürfen jedoch nicht wie ein Arzneimittel beworben werden. Die Hersteller dürfen keine spezifische Wirkung wie die Linderung oder Vorbeugung einer Krankheit anpreisen oder für ein definiertes Anwendungsgebiet werben. mit Vitamin B12 setzen auf die Formel „viel hilft viel“. Das zeigt ein Marktcheck von Ökotest:1Ökotest, Voll auf die 12, Heft 2/2023, S. 28-34 Rund die Hälfte der 24 geprüften Präparate liefert mehr als das Hundertfache der empfohlenen Tageszufuhr von vier Mikrogramm. Fast alle überschreiten die vom Bundesinstitut für RisikobewertungBundesinstitut für Risikobewertung Das BFR, das Bundesinstitut für Risikobewertung, ist eine Bundesbehörde die dem BMEL (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft) zugeordnet ist. Sie soll unabhängig von wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Interessen z.B. die Sicherheit von Lebensmitteln, Chemikalien, Bioziden, Pflanzenschutzmitteln, Textilien, Lebensmittelverpackungen, Kosmetika und Tabakerzeugnisse bewerten. Auch die Bewertung gentechnisch veränderter Organismen in Lebens- und Futtermitteln, Pflanzen und Tieren zählt hier dazu. Die wissenschaftsbasierte Risikobewertung geschieht als Grundlage für den gesundheitlichen Verbraucherschutz innerhalb und außerhalb von Deutschland. (BfRBfR Das BfR, das Bundesinstitut für Risikobewertung, ist eine Bundesbehörde die dem BMEL (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft) zugeordnet ist. Sie soll unabhängig von wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Interessen z.B. die Sicherheit von Lebensmitteln, Chemikalien, Bioziden, Pflanzenschutzmitteln, Textilien, Lebensmittelverpackungen, Kosmetika und Tabakerzeugnisse bewerten. Auch die Bewertung gentechnisch veränderter Organismen in Lebens- und Futtermitteln, Pflanzen und Tieren zählt hier dazu. Die wissenschaftsbasierte Risikobewertung geschieht als Grundlage für den gesundheitlichen Verbraucherschutz innerhalb und außerhalb von Deutschland.) für Nahrungsergänzungsmittel empfohlene Höchstdosierung von 25 Mikrogramm pro Tag. Weil die BfR-Höchstmenge nicht verbindlich ist, hat das erstmal keine rechtlichen Konsequenzen. Doch wozu soll so viel Vitamin B12 eigentlich gut sein? Und ist es nicht irgendwann zu viel des Guten?
Unterversorgung mit B12 im Allgemeinen selten
Im menschlichen Körper spielt Vitamin B12 eine wichtige Rolle bei der Zellteilung, der Blutbildung und der Funktion des Nervensystems. Das Vitamin muss über die Nahrung zugeführt werden, natürlicherweise kommt es fast nur in tierischen Lebensmitteln vor. Pflanzliche Lebensmittel wie Sauerkraut oder die Alge Spirulina enthalten zwar auch Vitamin B12, das reicht aber in der Regel nicht aus. Denn die Mengen sind entweder zu niedrig oder der menschliche Körper kann die Form von Vitamin B12 in diesen Lebensmitteln eventuell nicht verwerten. Dennoch: Die gesunde Allgemeinbevölkerung in allen Altersklassen gilt als gut versorgt.
Aber es gibt Risikogruppen für eine Unterversorgung. Dazu zählen vor allem Menschen, die sich vegan, also rein pflanzlich ernähren. Sie müssen dieses Vitamin über angereicherte Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel aufnehmen.
Außerdem können Erkrankungen oder Therapien dazu führen, dass die Aufnahme von B12 aus der Nahrung beeinträchtigt ist. Das betrifft Menschen mit bestimmten Magen-Darm-Erkrankungen oder bei regelmäßiger Einnahme von Medikamenten wie dem Antidiabetikum Metformin oder Protonenpumpenhemmern gegen zu viel Magensäure.
Weisen Arzt oder Ärztin bei Betroffenen einen schwerwiegenden Vitamin-B12-Mangel nach, der durch eine entsprechende Ernährung nicht behoben werden kann, können sie unter Umständen ein Kassenrezept für ein ArzneimittelArzneimittel Arzneimittel sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die angewandt werden, um Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder Beschwerden zu heilen, zu lindern oder zu verhüten. Es kann sich hierbei ebenfalls um Mittel handeln, die dafür sorgen, dass Krankheiten oder Beschwerden gar nicht erst auftreten. Die Definition beinhaltet ebenso Substanzen, die der Diagnose einer Krankheit nutzen oder seelische Zustände beeinflussen. Die Mittel können dabei im Körper oder auch am Körper wirken. Das gilt sowohl für die Anwendung beim Menschen als auch beim Tier. Die gesetzliche Definition von Arzneimitteln ist im § 2 Arzneimittelgesetz (AMG) enthalten. mit Vitamin B12 ausstellen. Nahrungsergänzungsmittel sind grundsätzlich nicht erstattungsfähig.
Optimale Dosis
Der Mensch kann Vitamin B12 nur in begrenztem Umfang über den unteren Teil des Dünndarms aufnehmen. Bei Mengen von rund zwei Mikrogramm pro Mahlzeit findet zunächst keine aktive Aufnahme mehr statt, zusätzlich wird nur etwa ein Prozent der Dosis über andere Mechanismen aufgenommen.
Vitamin B12 wird im menschlichen Körper vor allem in der LeberLeber Die Leber ist ein Stoffwechselorgan im menschlichen Körper. Als Hauptentgiftungsstelle verantwortet sie die Verwertung von Nahrungsbestandteilen, den Abbau und die Ausscheidung von Stoffen. Sie baut, zusammen mit anderen Organen, alte oder beschädigte Blutkörperchen ab. Auch die Produktion lebenswichtiger Proteine gehört zu ihren Aufgaben. Sie speichert Vitamine und Spurenelemente und stellt mit Hilfe von Vitamin K Eiweiße her, die für die Blutgerinnung wichtig sind. Die Leber steuert zusätzlich den Blutzuckerspiegel und stellt Ausgangsprodukte für die Hormonproduktion her. Sie nimmt eine wichtige Rolle im Fettstoffwechsel ein. Eine Besonderheit der Leber ist, dass sie sich nach Verletzungen zu einem Großteil regenerieren kann, was für andere Organe nicht der Fall ist. gespeichert. Bei gefülltem Speicher reicht dieser Vorrat für rund drei bis fünf Jahre. Bei unzureichender Zufuhr oder Verwertung im Körper machen sich Mangelsymptome daher oft erst nach Jahren bemerkbar. Um gut versorgt zu sein, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) gesunden Erwachsenen täglich rund vier Mikrogramm Vitamin B12. Wer tierische Lebensmittel verzehrt, braucht keine zusätzlichen Nahrungsergänzungsmittel mit Vitamin B12. Dennoch werden Nahrungsergänzungsmittel mit Vitamin B12 breit beworben, dabei sind Dosierungen von 400 oder 500 Mikrogramm pro Tag keine Seltenheit.
Mindestgehalte für Health Claims
Wenn Nahrungsergänzungsmittel mit gesundheitsbezogenen Angaben (Health Claims) beworben werden sollen, muss es nur ein Tausendstel der häufig in den Produkten enthaltenen Dosis liefern. Lediglich 0,4 Mikrogramm Vitamin B12 als Tagesdosis sind erforderlich, damit ein Präparat den Health Claim „unterstützt die normale Nervenfunktion“ tragen darf.
Dieser Health Claim über Vitamin B12 ist neben sieben weiteren ausdrücklich zugelassen. Anbieter sind relativ eng an die Textvorgabe der EU gebunden, einen anderen als den zugelassenen Gesundheitsbezug dürfen sie nicht herstellen und „Übertreibungen“ sind nicht erlaubt. Allerdings sind Hersteller nicht dazu verpflichtet, für ihre Werbung den nüchternen Wortlaut aus dem Gesetz exakt zu übernehmen. Laut EuGH-Rechtsprechung darf auch nur ein plakatives „für die Nerven“ auf der Packung stehen, solange im Kleingedruckten der zugelassene Claim konkret wiedergegeben ist. Es reicht, wenn ein Sternchenhinweis die Inhalte miteinander verknüpft.2Europäischer Gerichtshof EuGH, Urteil vom 30.1.2020, Rs. C-524/18 Für Verbraucher:innen ist aber schwer zu durchschauen, was genau hinter der erlaubten Aussage steckt. Denn dass man etwa dank eines Vitamin-B12-haltigen Mittels nervenstärker durch einen stressigen Tag kommt, ist nicht belegbar.
Risikobewertung und Höchstmengen
Wie sieht es mit möglichen Risiken von hohen Dosierungen aus? Grundsätzlich unbedenklich sind hohe Dosen vermutlich nicht. Zwar nimmt der Körper mit steigender Zufuhr von Vitamin B12 immer weniger auf, sodass die Toxizität gering ist und negative Auswirkungen lange nicht bekannt waren. Es gibt jedoch mittlerweile Hinweise darauf, dass hohe Dosen mit einem erhöhten Krebsrisiko bei bestimmten Risikogruppen einhergehen könnten.
Die EU plant schon seit 2004, Höchstmengen für Nahrungsergänzungsmittel zu regeln. Bei Vitamin B12 haben die Mitgliedstaaten bislang sehr unterschiedliche Vorstellungen: In einigen Ländern gibt es keine Begrenzungen, Italien hat eine Höchstmenge von 1000 Mikrogramm Vitamin B12 festgelegt. Österreich empfiehlt – rechtlich unverbindlich – eine maximale Tagesdosis von 25 Mikrogramm für Nahrungsergänzungsmittel.
Das BfR kommt zu demselben Ergebnis.3https://www.bfr.bund.de/cm/343/hoechstmengenvorschlaege-fuer-vitamin-b12-in-lebensmitteln-inklusive-nahrungsergaenzungsmitteln.pdf In seiner Berechnung berücksichtigt das Institut mit einer Sicherheitsspanne eine Quelle aus dem Jahr 2000, nach der bei einer Aufnahme von täglich 100 Mikrogramm Vitamin B12 über die Nahrung und Nahrungsergänzungsmittel keine unerwünschten Gesundheitswirkungen bekannt geworden seien. Heutige Präparate überschreiten die 100 Mikrogramm oft um ein Vielfaches. Und sie werden möglicherweise auch von Menschen eingenommen, die schon über die Ernährung ausreichend mit Vitamin B12 versorgt sind.
Ergänzung bei veganer Ernährung
Was ist bei veganer Ernährung eine ausreichend hohe, aber noch sichere Menge für Vitamin B12 in Nahrungsergänzungsmitteln? Sofern kein Mangel besteht, bietet die DGE-Zufuhrempfehlung von vier Mikrogramm pro Tag und der BfR-Höchstmengenempfehlung von 25 Mikrogramm pro Tag eine Orientierung für die zu wählende Dosis. Sie kann über angereicherte Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel aufgenommen werden. Nur, wenn sich bereits ein Mangelzustand manifestiert hat, sind wesentlich höhere Dosen notwendig. Wer sich unsicher ist, ob der Körper ausreichend versorgt ist, kann mit Hausarzt oder Hausärztin beraten, ob eine Blutuntersuchung zur Vitamin-B12-Messung sinnvoll ist.
Der Beitrag erschien zuerst bei Gute Pillen – Schlechte Pillen und wurde für die Veröffentlichung bei MedWatch angepasst.
Redaktion: Sigrid März, Angela Bechthold, Nicole Hagen
- 1Ökotest, Voll auf die 12, Heft 2/2023, S. 28-34
- 2Europäischer Gerichtshof EuGH, Urteil vom 30.1.2020, Rs. C-524/18
- 3https://www.bfr.bund.de/cm/343/hoechstmengenvorschlaege-fuer-vitamin-b12-in-lebensmitteln-inklusive-nahrungsergaenzungsmitteln.pdf