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Irreführung von Verbrauchern Heilerde – so führt Luvos Verbraucher:innen in die Irre

Junge Frau mit einer granulären Paste im Gesicht.
Viele Wirkversprechen um nichts: Luvos Heilerde © freepik / freepik

Sie soll entgiften, Cholesterinwerte senken und Mineralstoffe liefern. Wissenschaftlich haltbare Beweise jedoch fehlen. Trotzdem wirbt Luvos mit diesen Wirkversprechen für seine Heilerde-Produkte, auch mithilfe angeblicher „Expert:innen“ auf YouTube. Aufsichtsbehörden schauen zu.

Gefährliche Anwendungsempfehlungen und fantasievolle Produktkreationen – MedWatch deckte bereits Halbwahrheiten auf, die die Firma Luvos Verbraucher:innen erzählt. Ebenso interessant ist ein Blick auf weitere Wirkversprechen und Vermarktungsstrategien des Herstellers.

Wirkversprechen für Heilerde jenseits von Gut und Böse

Die Heilerden von Luvos sollen – je nach Vermahlungsgrad – gegen zahlreiche gesundheitliche Störungen helfen. In pseudowissenschaftlichen Publikationen, die Werbeaussagen mit nicht nachvollziehbaren Messergebnissen verbinden und dabei konsequent auf wissenschaftlich akzeptable Belege verzichten und Pressemitteilungen übt sich der Hersteller seit Jahren in der Legitimierung diverser Wirkversprechen und versucht, Evidenz zu generieren, wo keine ist. 


Was ist Heilerde und was soll sie können?


Dabei erhält Luvos Unterstützung von vermeintlichen Expert:innen, die als Mediziner:innen und Wissenschaftler:innen eine enorme Glaubwürdigkeit mitbringen. In Marketingvideos auf YouTube propagieren einige von ihnen die Einnahme von Heilerde bei bestimmten Beschwerden und Erkrankungen im Rahmen sogenannter „Experteninterviews“. Und lassen sich dabei zu teils absurden Aussagen hinreißen.

Zum Beispiel empfiehlt Mediziner und Naturheilkundler Bernhard Uehleke Heilerde-Umschläge bei Sportverletzungen und Prellungen. Der Körper reagiere, sagt er, mit vermehrter Durchblutung. Im Blut befindliche Entzündungsstoffe würden dadurch schneller weggeleitet und „können vielleicht auch durch die Heilerde gebunden werden, wenn sie im Hauttalg erscheinen würden“. An anderer Stelle empfiehlt Uehleke, Heilerde zur Behandlung von Wunden und Geschwüren einzusetzen. Mit der Begründung, dass diese Anwendung schon Hildegard von Bingen empfohlen hätte. Jenseits dieser anekdotischen Evidenz fehlen jedoch Wirknachweise.


Heilerde – ArzneimittelArzneimittel Arzneimittel sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die angewandt werden, um Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder Beschwerden zu heilen, zu lindern oder zu verhüten. Es kann sich hierbei ebenfalls um Mittel handeln, die dafür sorgen, dass Krankheiten oder Beschwerden gar nicht erst auftreten. Die Definition beinhaltet ebenso Substanzen, die der Diagnose einer Krankheit nutzen oder seelische Zustände beeinflussen. Die Mittel können dabei im Körper oder auch am Körper wirken. Das gilt sowohl für die Anwendung beim Menschen als auch beim Tier. Die gesetzliche Definition von Arzneimitteln ist im § 2 Arzneimittelgesetz (AMG) enthalten. oder Medizinprodukt?


MedWatch hat sich einige Wirkversprechen zu Heilerde angeschaut und ordnet ein: Was stimmt, was stimmt nicht?

Wirkversprechen 1: Heilerde gegen Magenschmerzen

Luvos-Produkte wie Heilerde „mikrofein“ und „magenfein“ sollen bei Magen-Darm-Beschwerden helfen. Konkret sollen Bestandteile der Heilerde wie Aluminiumsilikate und Kalziumkarbonat Magensäure neutralisieren. Fachleute sprechen von einer antaziden Wirkung.

Die gibt es tatsächlich, sagt Bernd Mühlbauer, Direktor des Instituts für Klinische Pharmakologie am Klinikum Bremen Mitte. Allerdings gebe es zur TherapieTherapie Therapie bezeichnet eine Heil- oder Krankenbehandlung im weitesten Sinn. Es kann hierbei die Beseitigung einer Krankheitsursache oder die Beseitigung von Symptomen im Mittelpunkt stehen. Ziel einer jeden Therapie ist die Widerherstellung der physischen und psychischen Funktionen eines Patienten durch einen Therapeuten. Soweit dies unter den jeweiligen Bedingungen möglich ist. säurebedingter Magenbeschwerden Substanzen, die sich deutlich gezielter einsetzen ließen: „Wenn wir Magensäure puffern wollen, sollten wir Aluminium- oder Magnesiumhydroxid einsetzen“, sagt er und wird deutlich: „Warum sollte ich dazu jede Menge ‚Dreck‘ essen?“

Die Verwendung von Heilerde gegen Sodbrennen sei demnach zwar möglich, aber unzeitgemäß, sagt der PharmakologePharmakologe Eine Pharmakologin und ein Pharmakologe sind Expert*innen auf dem Gebiet der Pharmakologie. Ihr Arbeitsgebiet ist die Erforschung von Wirkungen und Wechselwirkungen eines Stoffes auf einen Organismus. Dies ist besonders bei der Neuentwicklung von Medikamenten wichtig. Ein Pharmakologe untersucht die biochemischen und physiologischen Effekte, also die Aufnahme, die Verteilung, den biochemischen Um-und Abbau im Körper sowie die Ausscheidung des Mittels. Die Pharmakologin prüft erwünschte und unerwünschte Nebenwirkungen, Wechselwirkungen mit anderen Stoffen und berücksichtigt hierbei genetische Faktoren. Auch Planung, Durchführung und Auswertung von Arzneimittelstudien gehören zum Aufgabengebiet. Zudem diagnostiziert und behandelt ein Pharmakologe Vergiftungen und führt toxikologische Beratungen durch.. „Mir fällt kein Anwendungsgebiet ein, für das es nicht wirksamere und durch wissenschaftliche Evidenz belegte Alternativen gäbe.“ Mühlbauer ist der Meinung, dass der Begriff „Heilerde“ verboten gehört, denn: „Hier wird etwas suggeriert, was wissenschaftlich nicht haltbar ist.“

Wirkversprechen 2: Heilerde gegen das Reizdarmsyndrom

Ein YouTube-„Experte“ im Namen Luvos’ empfiehlt Heilerde beim Reizdarmsyndrom1https://www.youtube.com/watch?v=_-w6mdCeqBE und sieht in deren Einnahme eine „seit Jahrzehnten etablierte Therapieoption“. Ahmed Madisch ist Gastroenterologe am Centrum Gastroenterologie Bethanien in Frankfurt am Main. Er sagt, dass der Wirksamkeit von Heilerde gegen Reizdarm-assoziierten Durchfall und Blähungen „eine sehr gute Evidenz in der Literatur“ zugrunde liege.

Die offizielle Reizdarmsyndrom-Leitlinie der Deutschen Gesellschaften für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) sowie Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM) erwähnt Heilerde allerdings nicht. Zudem fehlen qualitativ hochwertige klinische Studien, die Madischs Behauptung belegen könnten.

Madisch selbst bezieht sich in dem YouTube-Video auf eine „internationale“ und „hochrangig publizierte“ Studie, die eindeutig zeige, dass die ergänzende Therapie mit Heilerde beim Reizdarmsyndrom den Effekt des Krampflösers Mebeverin um fast 40 Prozent steigern könne. Die Studie wurde im Iran durchgeführt und 2018 publiziert.

Laut Bernd Mühlbauer ist die Studie mangelhaft, denn die Teilnehmer:innen seien nicht verblindet gewesen und die Effekte nur marginal. „Außerdem hat die Vergleichsgruppe zusätzlich zum Mebeverin kein Scheinmedikament erhalten, also kein Placebo, sondern einfach nichts“, kritisiert der Facharzt für Klinische Pharmakologie weiter. Damit greife der PlaceboeffektPlaceboeffekt Der Placeboeffekt bezeichnet die therapeutische Wirkung eines Medikamentes oder einer Behandlung ohne eigentlichen Wirkstoff bzw. Wirkmechanismus. Die therapeutische Wirkung eines Placebos (Scheinmedikament oder Schein-Behandlung) ist bedingt durch die äußeren Umstände, den Kontext. Hierzu zählen primär die Verabreichung eines Mittels, die Behandlung mit einer Methode und z.B. auch die Interaktion mit medizinischem Personal. Die Wirkung beruht auf dem inneren Glauben des Patienten, dass sie eintreten wird. Aus diesem Grund sind Placebo-Kontroll-Gruppen bei klinischen Studien äußerst wichtig. Hierbei wird ausgeschlossen, ob die Wirkung am Inhaltsstoff des Medikamentes oder auf dem Glauben an seine Wirkung beruht. Früher ging man davon aus, dass der Placeboeffekt nur eintritt, wenn der Patient oder die Patientin davon überzeugt ist, ein wirksames Medikament zu erhalten. Heute weiß man, dass er selbst mit dem Wissen ein Scheinprodukt zu erhalten eintreten kann., denn wenn die Proband:innen einer Gruppe etwas Zusätzliches erhielten, steige auch die Erwartungshaltung, dass etwas wirke.  „Eine methodisch einwandfreie Arbeit sieht anders aus“, sagt Mühlbauer.

Wirkversprechen 3: Heilerde zur Entgiftung und gegen Histamin-Unverträglichkeit

Luvos behauptet, dass Heilerde „entschlackend“ und „entgiftend“ sei und begründet dies mit ihrer hohen Adsorptionsfähigkeit. „‚Schlacken‘ oder schädliche Ablagerungen, die sich im Körper angeblich ansammeln, gibt es nicht“, resümierte jedoch die Verbraucherzentrale im vergangenen Jahr. Und um das Entgiften kümmern sich im menschlichen Körper Organe wie Nieren und LeberLeber Die Leber ist ein Stoffwechselorgan im menschlichen Körper. Als Hauptentgiftungsstelle verantwortet sie die Verwertung von Nahrungsbestandteilen, den Abbau und die Ausscheidung von Stoffen. Sie baut, zusammen mit anderen Organen, alte oder beschädigte Blutkörperchen ab. Auch die Produktion lebenswichtiger Proteine gehört zu ihren Aufgaben. Sie speichert Vitamine und Spurenelemente und stellt mit Hilfe von Vitamin K Eiweiße her, die für die Blutgerinnung wichtig sind. Die Leber steuert zusätzlich den Blutzuckerspiegel und stellt Ausgangsprodukte für die Hormonproduktion her. Sie nimmt eine wichtige Rolle im Fettstoffwechsel ein. Eine Besonderheit der Leber ist, dass sie sich nach Verletzungen zu einem Großteil regenerieren kann, was für andere Organe nicht der Fall ist..

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Zum ‘Detoxen’ und ‘Entschlacken’ bedarf es keiner Heilerde.
© Screenshot www.luvos.de / 23.06.23

Und was ist dann mit der Heilerde? Das Landgericht Frankfurt urteilte im Jahr 2020 als irreführend und Verstoß gegen das HeilmittelwerbegesetzHeilmittelwerbegesetz Das Heilmittelwerbegesetz (HWG) regelt den Wortlaut im Zusammenhang mit Heilversprechen. Es darf nach dem HWG nichts behauptet werden, was nicht stimmt. Wird damit geworben, dass ein Medikament oder eine Therapie wirkt, muss diese Wirksamkeit auch wissenschaftlich belegt sein. Dafür muss der Bewerber selbst wissenschaftliche Studienergebnisse vorlegen. Da kaum eine alternativmedizinische Behandlungsmethode wissenschaftlich belegt ist, dürfen Heilpraktiker keine Heilversprechen abgeben., dass Luvos für sein Medizinprodukt „Heilerde Imutox“ zur „Körperentgiftung“ wirbt.2Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 8.7.2020, Az. 3-08 O 112/19 

Auch die Behauptung, „Heilerde imutox“ könne Histamine und andere biogene Amine aus der Nahrung binden und damit Beschwerden lindern sowie die Lebensqualität verbessern, untersagte das Gericht. Diese (und weitere) behauptete Wirkungen seien wissenschaftlich umstritten beziehungsweise fehle es jeglicher wissenschaftlicher Grundlage.

Trotz des Urteils, das vom Oberlandesgericht Frankfurt im Dezember 2021 bestätigt wurde, bewirbt Luvos „imutox“ auf der Verpackung bis heute mit dem Satz: „Eine nichtinterventionelle Studie belegt, dass Heilerde die typischen Beschwerden einer Histamin-Unverträglichkeit lindert und Betroffene auf eine histaminarme Diät verzichten können.“

Die Aussage ist in doppelter Hinsicht problematisch. Eine nichtinterventionelle Studie, bei der lediglich die Anwendung eines Produkts beobachtet wird, kann den so formulierten Wirknachweis überhaupt nicht erbringen. Dazu sind randomisierte, placebokontrollierte Studien notwendig, deren Teilnehmer:innen nicht wissen, ob sie das Produkt oder ein Placebo erhalten (Verblindung).

Selbst wenn es unbedenklich wäre, dauerhaft zu den Mahlzeiten Heilerde zu schlucken: Luvos stellt hier ein Medizinprodukt als Lösung eines Problems dar, das eigentlich einer zielgerichteten individuellen Ernährungstherapie bedarf. Denn auch Fachleute empfehlen bei Histamin-Intoleranz keine Diät, bei der histaminhaltige Lebensmittel dauerhaft gemieden werden.

Wirkversprechen 4: Heilerde gegen erhöhte Cholesterin-Werte

Erhöhte Cholesterinwerte (Hypercholesterinämie) können erblich bedingt oder den Lebensumständen – zu viele gesättigte Fettsäuren aus der Nahrung, zu wenig Bewegung – geschuldet sein. Ein dauerhaft zu hoher LDL-Cholesterin-Spiegel erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Wirksame Medikamente wie beispielsweise Statine können den Cholesterinspiegel senken.

Angeblich soll dies auch Heilerde können, sagt zumindest Luvos: „Zur Bindung von Cholesterin und Fetten aus der Nahrung“, bewirbt das Unternehmen Heilerde „mikrofein“. Aufgrund ihrer Bindungseigenschaften sauge Heilerde „wie ein Schwamm“ Cholesterin aus der Nahrung ebenso auf wie Gallensäuren. Gebundenes Cholesterin wiederum könne vom Körper nicht mehr aufgenommen werden. Und Gallensäuren, die aus Cholesterin gebildet werden, würden im Darm nicht mehr recycelt und dem Gesamtstoffwechsel entzogen. „Das senkt ebenfalls den Cholesterinspiegel“, sagt Juliane Kleinhenz in einem YouTube-Video3https://www.youtube.com/watch?v=QYia86uj88g mit dem Titel „Cholesterin senken ohne Nebenwirkungen“. Kleinhenz ist Ärztin für Chirotherapie und Naturheilverfahren und führt für Luvos Anwendungsbeobachtungen mit Heilerde durch.

Doch ist das wirklich eine gute Idee? Ulrich Laufs ist skeptisch: „Heilerde hat in der Behandlung von Hypercholesterinämie keine Relevanz und kann auch kein Ersatz für Statine sein, wenn sie nicht vertragen werden“, sagt er. Laufs ist Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin und Direktor der Klinik und Poliklinik für Kardiologie der Universitätsklinik Leipzig. Einen erhöhten Cholesterinspiegel ohne ärztliche Beratung zu therapieren, sieht er kritisch, vor allem, weil der Wert regelmäßig kontrolliert werden müsse.

Zudem unterlägen MedizinprodukteMedizinprodukte Medizinprodukte sind z.B. Implantate, Katheder, Infusionen, Herzschrittmacher und Co. Sie definieren sich durch eine vom jeweiligen Hersteller bestimmte medizinische Zweckbestimmung für die Anwendung beim Menschen. Anders als bei Arzneimitteln entfaltet sich ihre Hauptwirkung auf physikalische Weise. Verschiedenste Vorgaben regeln das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von Medizinprodukten. Dadurch soll für die Sicherheit und Eignung der Medizinprodukte gesorgt werden. Es geht hierbei zudem um den Schutz von Patienten, Anwendern und Dritter. im Vergleich zu Arzneimitteln nur geringen Qualitätskontrollen. Laufs rät seinen Patient:innen deshalb grundsätzlich ab, Heilerde einzunehmen.

bunte Ostereier mit Blüten drauf
Bei erhöhten Cholesterin-Werten gilt heutzutage kein ‘Ei-Verbot’ mehr. Dennoch wirbt Luvos genau mit dieser Angst.
© Screenshot www.youtube.com/shorts/PIqxZ3l1mzw / 23.06.23

Auch die Firma Luvos weiß, dass die Wirksamkeit von Heilerde zur Therapie von Hypercholesterinämie nicht belegt ist. Deshalb bewirbt sie das Produkt jenseits von YouTube auch nur zur Cholesterin-Bindung (nämlich aus der Nahrung) und nicht zur Senkung des Cholesterinspiegels im Blut.

Funfact

Laut Luvos kann man mit zehn Gramm Heilerde die Cholesterinmenge eines großen Hühnereis binden. Allerdings – und das sagt auch Juliane Kleinhenz im Video – ist der Einfluss von über die Nahrung aufgenommenem Cholesterin auf den Blutspiegel relativ gering. Eine größere Rolle spielen die Gene.
Insofern gilt heute bei erhöhten Cholesterinwerten auch kein „Ei-Verbot“ mehr, das man dank Heilerde umgehen könnte: „Ostereier genießen ohne Cholesterin-Angst“ wirbt Luvos dennoch auf YouTube. Da lachen ja die Hühner.

Wirkversprechen 5: Heilerde als Mineralstofflieferant

Laut Luvos verfügt Heilerde „über eine ideale natürliche Mischung von Mineralien und Spurenelementen“, etwa der Elemente Kalzium, Kalium und Magnesium. Diese „können teilweise aus den Mineralien gelöst und vom Körper aufgenommen werden“, schreibt Luvos in den Beipackzetteln seiner Heilerden.

Das ist zwar grundsätzlich nicht falsch, suggeriert Verbraucher:innen aber, dass Heilerde zur Versorgung mit diesen Mikronährstoffen beitragen kann. Bei Medizinprodukten muss allerdings nicht angegeben werden, wie viel oder (wenig) der verfügbaren „wertvollen Mineralien und Spurenelemente“ sie tatsächlich enthalten. Die chemische Analyse für MedWatch zeigte, dass der Magnesiumgehalt der drei untersuchten Heilerde-Pulver mit 5,1 bis 5,4 Milligramm pro Kilogramm sehr gering ist. Nur Kochsalz und Hamburger Leitungswasser enthalten noch weniger Magnesium als dieser Löss.

Ähnlich sieht es beim Kaliumgehalt aus. Im Durchschnitt enthalten die untersuchten Heilerde-Pulver 12,3 Milligramm Kalium pro Kilogramm. In Äpfeln zum Beispiel finden sich rund 1200 Milligramm Kalium pro Kilogramm. Um die in einem Hühnerei enthaltene Kaliummenge von etwa 88 Milligramm durch Heilerde aufzunehmen, müsste man über sieben Kilo Heilerde verzehren.4Souci, S. W., Fachmann, W., Kraut, H.: Die Zusammensetzung der Lebensmittel. Nährwert-Tabellen. 8. revidierte und ergänzte Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart (2016) Bon appétit.

Viele Versprechen, wenig dahinter

Warum aber fehlen aussagekräftige Studien zur Heilerde? Für die meisten Beschwerdebilder und Erkrankungen sollten die doch problemlos durchführbar sein. Offenbar holt Luvos das Versäumte nun nach. Nicht ganz freiwillig allerdings: Die gesetzlichen Anforderungen an Medizinprodukte zur klinischen Sicherheit und Leistung sowie an die Marktüberwachung wurden mit der 2017 in Kraft getretenen – und seit 2021 verbindlich geltenden – Medizinprodukteverordnung deutlich verschärft.

Aktuell hat Luvos im Deutschen Register Klinischer Studien des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) fünf Studien angemeldet. In ihnen sollen die Heilerden „imutox“ und „mikrofein“ zeigen, was sie gegen Histaminintoleranz, Hypercholesterinämie oder Reizdarmsyndrom ausrichten können. Die Studien laufen seit Anfang 2022. Status: Rekrutierung geplant. Ergebnisse bisher: keine.

Zum jetzigen Zeitpunkt bleibt deshalb nur ein Schluss: Luvos bewirbt seine Produkte zwar umfangreich und mit vollmundigen Wirkversprechen, bleibt die Belege aber schuldig.

Warum gehen Aufsichtsbehörden nicht gegen die unlautere Werbung vor? Fehlen die Ressourcen oder der Wille? Denn Handeln wäre möglich und geboten: „Die zuständige Behörde hat sich davon zu überzeugen, dass die medizinprodukterechtlichen Vorschriften sowie die Vorschriften über die Werbung auf dem Gebiet des Heilwesens beachtet werden“, besagt § 77 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes (MPDG). Wo Hersteller die ihnen gesetzlich zugesprochene Eigenständigkeit und Verantwortung derart missbrauchen, müssen funktionierende Kontrollinstanzen den Schutz der Verbraucher:innen sicherstellen und irreführende Werbeaussagen konsequent untersagen.


Redaktion: Nicola Kuhrt, Arne Weinberg, Nicole Hagen

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    https://www.youtube.com/watch?v=_-w6mdCeqBE
  • 2
    Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 8.7.2020, Az. 3-08 O 112/19
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    https://www.youtube.com/watch?v=QYia86uj88g
  • 4
    Souci, S. W., Fachmann, W., Kraut, H.: Die Zusammensetzung der Lebensmittel. Nährwert-Tabellen. 8. revidierte und ergänzte Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart (2016)