Ein Leser schreibt uns, er sei auf eine seltsame Gesundheits-Seite gestoßen. Ihm käme das alles ziemlich dubios vor. In der Tat: „Latest from the world“ auf Mynewhealth.eu bietet einen „Sonderbericht“, darüber prangt die krude Zeile:
Wissenschaftler: Dies speckt in 2 Stunden nach der Einnahme ab.
Was ist dieses “dies”? Um welches „Wundermittel“ geht es diesmal?
Ein Professor Meyer aus dem Ohio College soll eine blitzschnelle und zu 100 Prozent natürliche Abnehm-Formel erarbeitet haben, heißt es da. Nur wenige Blicke genügen, um die angebliche Exklusivmeldung als Fake auszumachen. Doch den Anbieter der Seite scheint dies gar nicht zu schrecken: In schlecht übersetztem Deutsch wird über viele Absätze von dem schlankmachenden Wunder fabuliert, dessen wichtigsten Inhaltsstoffe aus der Garcinia Cambogia Frucht und der im Harfenstrauch vorkommenden chemischen Verbindung Forskolin stammen sollen. Das Präparat sei ein „Durchbruch“, wirbt die Seite, „von den unabhängigen, empirischen Tests sowie chemischen und klinischen Untersuchungen bewiesen“.
Dank des Mittels werden Toxine gefangen und „Cholesterinlappen“ abgerissen, heißt es in der wissenschaftlich völlig unbelegten Werbung. Dank einzigartiger Substanzen verbrenne das Präparat Fett, senke dabei gleichzeitig den Cholesterinspiegel und reinige Blutgefäße. Und dies alles dank Professor Meyers Formel. O-Töne vermeintlicher Diätassistenten, eingestreut in den Text der News, dazu kleine Vorher-nachher-Bildchen (minus 10 Kilo, minus 15 Kilo) und wissenschaftlich angehauchte Tabellen sollen die Echtheit der Diät-Wahrheit untermauern.
Die gesunde und blitzschnelle Abnehm-Saga hat nur ein paar Haken: Sie ist erfunden. Nicht nur, dass es diesen Professor Adrian Meyer nicht gibt, dass das eingesetzte Porträtbild aus einer Foto-Datenbank stammt – (Suchbegriff: „Doktor, vor weißem Hintergrund“) – und dass das erwähnte Ohio College nicht existiert. Es ist auch in den einschlägigen Datenbanken keine einzige Studie zu dem Mittel und einer angeblichen Wirksamkeit zu finden.
Firmenadressen in Polen und Panama, Postanschrift im Stadtpark Barcelonas
Das Problem hinter derartigen betrügerischen Angeboten ist ein altbekanntes: Es findet sich derzeit keine Behörde oder Institution, die in der Lage wäre, unlautere Werbung zeitnah aus dem Netz zu nehmen oder die Betreiber aufzuspüren und zur Verantwortung zu ziehen. Auf Nachfragen wurde MedWatch von einer Stelle zur nächsten verwiesen, während es für Verbraucher, die auf Professor Meyer hereinfallen, schnell teuer wird: Das „Kankusta Duo“ genannte Präparat kostet 69 Euro. Bestellen kann nur, wer das Rabattclub-Häkchen aktiviert, damit man auch langfristig bei der Stange bleibt.
Dubios auch, dass sich schon nach kurzer Suche viele weitere Internetseiten finden, auf denen Kankusta Duo angeboten wird. Das Ganze hat System: Kankusta.de, betrieben ebenfalls von einer Firma aus Polen etwa. Ein Andrzej Truskowski ist hier Betreiber wie Ansprechpartner, seine Adresse ist einmal mit Warschau angeben, als zweites dient die Anschrift eines anonymen Bürogebäudes vor den Toren Saarbrückens als angebliche Referenz.
Das dubiose Schlankmittel-Netzwerk ist größer als anfangs vermutet: Wir stoßen auf weitere Webseiten, deren Masche eine andere ist: Die Macher geben sich vertrauenswürdig und warnen, Kankusta Duo sei ein schlimmer FakeFake Der englische Begriff Fake bezeichnet u.a. unwahre Informationen, Imitate und Fälschungen sowie Dinge, die vortäuschen echt zu sein, es jedoch nicht sind. Im Bereich der Nachrichten und Fakten spricht man von sog. Fake-News und Fake-Facts. Solche werden gezielt eingesetzt, um (falsche) öffentliche Meinungen zu bilden oder gar Wahlen zu beeinflussen. – doch natürlich nicht ohne Eigennutz: Auf schlanke-list.de referiert etwa eine gewisse Monica Hoffmann über Abnehmpillen und -pulver. Sie komme aus Krefeld in der Nähe von Düsseldorf, lebe aber seit drei Jahren jobbedingt in Barcelona, schreibt sie. Sie sei Ernährungswissenschaftlerin und möchte Menschen beim Abnehmen helfen, was ja nicht immer einfach sei. „Oft muss man über mehrere Wochen hungern oder intensiven Sport betreiben. Aber ist das denn wirklich notwendig?“ Genüsslich untersucht Monica in ihrem Blog die Kankusta-News von mynewhealth.eu – auf ihrer Facebook-Seite hat sie bereits 20.000 Fans. Monica kommt dabei allerdings auf ein etwas anderes Ergebnis als wir: Auch sie stellt fest, dass es Professor Meyer nicht gibt: „FAKE“, lautet das Urteil. Sie rät zwar von der Einnahme von Kankusta Duo ab… doch man solle doch lieber ein anderes Präparat nehmen! Den Link zu ihrem favorisierten Shop folgt gleich darauf.
Sie ahnen es schon, auch hier ist es offenbar anders, als es scheint. Vielleicht gibt es Monica, aber die Frau auf dem Foto ist es offenbar nicht – ihr Porträtbild entstammt wohl wieder einer Fotodatenbank, doch als Autorenporträt einer „Katy Richards“ ist es auch auf Amazon zu finden. Die angegebene Firmenadresse in Barcelona liegt laut Google Maps mitten in einem Park der Stadt und der Betreiber hinter den vermeintlichen Abnehmkapseln residiert in Panama. Auf unsere Anfragen antwortet Monika nicht.
Schnell finden sich weitere ähnliche Seiten, die vor Kankusta Duo warnen – und stattdessen andere Mittel empfehlen.
Schlafstörungen und Herzrasen statt Gewichtsverlust
Fakten und echte Ergebnisse suche man vergebens, sagt Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), die für MedWatch einen Blick auf mynewhealth.de geworfen hat. Doch die DGE testet keine Produkte, sie gibt wissenschaftliche Empfehlungen zur Ernährung ab. Für derartige Produkten aus der Kategorie Schlankheitsmittel und Fatburner lautet diese:
Wissenschaftliche Belege gibt es so gut wie keine, dass solche Mittel, die zur Fettverbrennung anregen sollen, zur Gewichtssenkung geeignet sind. Wenn überhaupt wirksam, dann sind diese Mittel keinesfalls unproblematisch, sodass die Abwägung von Nutzen und Risiko in keinem Fall positiv ausfällt. Eine gewichtssenkende Wirkung wurde lediglich für Substanzen gezeigt, die die Sympathikusaktivität steigern können, wie zum Beispiel Methyhxanthine in Kaffee- und Teesorten, die den Stoffwechsel beschleunigen. Die schwache Wirkung auf das Gewicht (im Durchschnitt 1-2 Kilo) wird dabei durch Nebenwirkungen wie Herzfrequenz- und Blutdruckanstieg, unter anderem Schlafstörungen, Herzrasen erkauft, die medizinisch unerwünscht sind.
Mynewhealth.eu bietet einen offensichtlicher Fake, dennoch werden einige Verbraucher über die pseudo-wissenschaftliche Werbung im Netz stolpern. Wer abnehmen will und per Google nach Unterstützung sucht, findet sich unter Umständen bald bei dem Professor aus Ohio wieder. Wer hat Kankusta Duo entwickelt? Ist das Mittel auf Sicherheit und Nutzen geprüft, oder gibt es Gesundheitsgefahren? Unter der angegebene Mail-Adresse kommt eine Standardantwort: „Wir lesen diese Mails nicht“ zurück. Rückfragen bei einem Verantwortlichen sind ebenfalls nicht möglich, wie der Anruf bei der Hotline zeigt. Ein mürrischer Callcenter-Mitarbeiter kann und will unsere Fragen nicht beantworten. Stoisch fragt er zurück: Wie viel Kilo ich denn abnehmen will? Er hätte da was für mich…
Betrieben wird mynewhealth.eu laut Domainauskunft durch eine Firma „Michau Enterprises Limited“, genauer durch einen Michal Pleban aus Polen. Als Adresse ist allerdings eine Straße in Nicosia auf Zypern angegeben, die hinterlegte Website wiederum ist die einer polnischen Internettauschbörse.
Kann dieser Irrsinn wirklich sein?
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte könnte mehr dazu sagen, wurde uns gesagt. Doch das BfArMBfArM Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ist zuständig für die Zulassung und Registrierung von Arzneimitteln, Arzneimittelsicherheit (Pharmakovigilanz) sowie für die Risikoerfassung und -bewertung von Medizinprodukten. Es regelt sowohl das legale Inverkehrbringen von Betäubungsmitteln und ihren Ausgangsstoffen als auch deren Herstellung, Anbau und Handel. Das BfArM agiert ebenso dafür Forschung und regulierende Tätigkeiten miteinander zu vernetzen. kann keine Bewertung über Schaden und Nutzen von Kankusta Duo durchführen, zunächst jedenfalls. Dies ist laut Gesetz Aufgabe der Landesbehörde, in dem der Betreiber der Seite oder des Shops gemeldet sind.
Nun kommt mynewhealth.eu ja aus Polen und auch der Shop hat keine deutsche Adresse, dieser läuft über den Anbieter bestpromocenter.com – und ist in den USA registriert. In derartigen Fällen muss die Koordinierungsstelle der Landesgesundheitsbehörden entscheiden, ob sich eine Landesbehörde dem Fall annimmt, oder ob man vielleicht doch das BfArM hierum bittet. Wir haben verschiedene Stellen um ihre Einschätzung gebeten – und werden berichten, was nun passiert.