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MMS-Begleiter Der „Rope Worm“ – ein Parasitologie-Hoax?

Foto eines Sees mit aufgemaltem Monster
Auch nicht der Rope Worm: Nessie, das Monster von Loch Ness in einem Bild © Ad Meskens / Wikimedia Commons

Seit 2018 sammelt der Amerikaner Alex Volinsky auf der Crowdfunding-Seite gofundme.com Geld, angeblich, um das Erbgut des Rope Worms zu entschlüsseln. Das Problem: Der Rope Worm existiert nicht und ist lediglich eine Erfindung von MMSMMS MMS ist die Kurzform für Miracle Mineral Supplement. Damit wird eine Chlordioxid-Lösung, auch CDL genannt, bezeichnet. Der Begriff geht auf Jim Humble zurück, welcher ein ehemaliges und langjähriges Scientology-Mitglied war und 2010 eine weitere Sekte gründete (Genesis II, Church of Health & Healing). Chlordioxid, ClO2, ist bei Raumtemperatur ein bernsteinfarbenes Gas, welches bei einer Konzentration von über 10% in der Luft explosiv ist. Deshalb wird es zumeist in wässriger, nicht explosiver, Lösung angeboten (MMS / CDL). Chlordioxid besitzt eine oxidative Wirkung, so dient es z.B. als Bleichmittel von Zellstoff (z.B. Papier) oder auch der Desinfektion von Trinkwasser. Auf vielen Foren wird es als Allheilmittel – auch gegen Corona – beschrieben, oft mit verehrenden gesundheitlichen Folgen. Die Anrufe beim Giftnotruf häufen sich und auch die Gabe von CDL / MMS an kleine Kinder wird propagiert. Für die angepriesene Heilung der verschiedensten Krankheiten gibt es aktuell keine wissenschaftliche Grundlage.-Befürworten.

Der Rope Worm – deutsch Seilwurm, lateinisch Homo funis vermis – soll laut verschiedener Autoren ein parasitärer Eingeweidewurm sein. ParasitenParasiten Bei einem Parasiten handelt es sich um einen Organismus, der auf oder in einem anderen Organismus, seinem Wirt, lebt. Bei diesen Schmarotzern kann es sich um Tiere, Pflanzen, Pilze oder Bakterien handeln. Sie schädigen ihren Wirt, indem sie ihm z.B. Nährstoffe entziehen. Schädigungen durch die Abgabe von Giften oder die mechanische Verletzung von Haut und Geweben sind ebenso möglich. Zudem können sie Krankheiten übertragen.Parasit-Wirt-Interaktionen existieren für die unterschiedlichsten Arten. So werden z.B. auch Pflanzen regelmäßig von Parasiten heimgesucht. Bekannte Beispiele für Parasiten des Menschen sind u.a. Zecken, Kopfläuse, Bandwürmer, Flöhe sowie der Malaria-Erreger Plasmodium. Infektionen mit Parasiten häufen sich in tropischen und subtropischen Gebieten. Darmparasiten tauchen vermehrt unter schlechten hygienischen Bedingungen auf. In Industrieländer immigrieren dort nicht heimische Parasiten durch Wanderbewegungen des Menschen und vermehren sich anschließend in Personen mit geschwächtem Immunsystem. Gegen zahlreiche Parasiteninfektionen stehen wirksame Medikamente zur Verfügung. sind Schmarotzer, die aus dem Zusammenleben mit anderen Lebewesen einseitig Nutzen ziehen, sie schädigen oder Krankheiten hervorrufen können.

Alex Volinsky und Kollegen postulieren, dass der Seilwurm so gut wie alle Menschen befallen hat. Er sei nicht nur einer der am weitesten verbreiteten Krankheitserreger der Welt, sondern dem Gros der internationalen Ärzteschaft auch unbekannt. Alex Volinsky selbst hat – wie auch seine Co-Autoren – weder eine parasitologische oder mikrobiologische noch medizinische Ausbildung, sondern ist an der University of South Florida als Professor für Maschinenbau tätig.

Bis heute fehlt seriöse wissenschaftliche Literatur zum Seilwurm. Lediglich zwei Dokumente behandeln den vermeintlichen Parasiten: „Human anaerobic intestinal ‚rope‘ parasites“ (2013) und „Development stages of the ‚rope‘ human intestinal parasite“ (2013). Beide Manuskripte wurden 2013 auf den Preprint-Server arXiv hochgeladen und sind damit erste Entwürfe, die von Fachkollegen noch nicht begutachtet wurden. Für die zwei Texte ist das offensichtlich seit fast zehn Jahren nicht geschehen. Hauptautor beider Studien ist: Alex Volinsky.

Parasit mit außergewöhnlicher Anatomie

Den Lebenszyklus des Seilwurms beschreiben die Autoren als komplex und in fünf Stadien unterteilt: Die erste Phase verbringe der Seilwurm als „Schleim mit wenigen Blasen, die sich überall im Körper befinden können“. Im zweiten Stadium soll der Parasit einem „viskosen Rotz mit sichtbaren Gasblasen, aus denen sich später Saugnäpfe entwickeln“ gleichen. Es folgen eine dritte Phase als „verzweigte Qualle“ sowie eine vierte Phase, die als Jugendform dem adulten Seilwurm bereits gleiche. Lediglich kleiner sei er zu diesem Zeitpunkt. In seiner adulten Form weist der dann bis zu einem Meter lange Rope Worm angeblich eine gedrehte Struktur auf, die an das namensgebende Seil erinnert.

Im Körper solle sich der Seilwurm per Rückstoß fortbewegen oder sich mit Saugnäpfen an der Darmwand festhalten, so die Theorie der Autoren. Weil laut Autoren Stadium 4 und 5 blutige Köpfe aufwiesen, soll sich der Seilwurm vom Blut des Wirts ernähren.

Im Gegensatz zu wissenschaftlich beschriebenen Faden-, Band und Saugwürmern fehle dem Seilwurm sowohl ein Nervensystem als auch Muskulatur und Geschlechtsorgane, schreiben Volinsky und seine Co-Autoren.

Keine vergleichbaren Parasiten zum Rope-Worm bekannt

Die veröffentlichten Texte der Autoren zum Seilwurm widersprechen dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand. Aufgrund der von Volinsky und Kollegen beschriebenen Seilstruktur ähnelt der Rope Wurm am ehesten parasitologisch bekannten Fadenwürmern des Darmes. Jedoch: Abgesehen von ihrem äußeren Erscheinungsbild und Lebensraum zeigen Fadenwürmer weder in der Anatomie noch in ihrem Lebens- und Fortpflanzungszyklus irgendwelche Gemeinsamkeiten mit dem Seilwurm.

Da Seilwürmer einen Kopf mit Saugnäpfen besitzen sollen, erinnern sie außerdem an endoparasitäre Band- und Saugwürmer. Allerdings beschreiben die Autoren um Volinsky die Köpfe der Seilwürmer als blutig und schließen daraus auf Blut als Ernährungsgrundlage. Die meisten Band- und Saugwürmer saugen jedoch kein Blut, sondern ernähren sich von dem, was sie in den Organen ihres Wirts finden. Vorhandene Saugnäpfe dienen lediglich der Verankerung. Auch ein wie für den Rope Wurm beschriebener Lebenszyklus ist für keine der etwa 9.500 Arten an Band- und Saugwürmern bekannt.

Die Autoren um Volinsky beschreiben, dass Menschen mit einem alkalischen Blut-pH-Wert zwischen 8 und 10 am häufigsten von Seilwürmern befallen seien. Bei gesunden Menschen schwankt der pH-Wert des Blutes zwischen 7,35 und 7,45. Zwar kann der pH-Wert des Blutes kurzfristig über einen Wert von 7,45 steigen – etwa durch exzessive Abatmung von Kohlenstoffdioxid beim Hyperventilieren, höhenbedingte Sauerstoffarmut oder wiederholtes Erbrechen –, Werte über 7,7 sind jedoch tödlich.

Wurm „Ergebnis“ alternativmedizinischer Darmspülungen

Es ist unwahrscheinlich, dass das laut Volinsky am weitesten verbreitete Pathogen der Welt bis heute von wissenschaftlichen Quellen nicht beschrieben wurde. Warum also das alles?

Der Rope Worm wird von Anhängern gern für alternativmedizinische Darmspülungen beworben. So beschreibt Andreas KalckerAndreas Kalcker Andreas Ludwig Kalcker vertreibt und bewirbt in Medien, Büchern und auch Kongressen MMS – Miracle Mineral Supplement – als Allheilmittel. Durch die Einnahme von MMS drohen schwerwiegende körperliche Schäden. Hinter dem Impfgegner steht Ex-Scientology-Mann Jim Humble und seine neue Kirche. in seinen 80-seitigen „The KalckerKalcker Andreas Ludwig Kalcker vertreibt und bewirbt in Medien, Büchern und auch Kongressen MMS – Miracle Mineral Supplement – als Allheilmittel. Durch die Einnahme von MMS drohen schwerwiegende körperliche Schäden. Hinter dem Impfgegner steht Ex-Scientology-Mann Jim Humble und seine neue Kirche. Parasite Protocol“ die Miracle Mineral Solution (MMS) als Heilmittel gegen den Rope Worm. Obwohl Kalcker online als Mitarbeiter von Alex Volinsky bezeichnet wird, erklärt letzterer, dass es kein wirksames Wurmmittel gegen den Seilwurm gibt. Zur Behandlung empfiehlt er eine Abfolge von Einläufen etwa mit Natriumhydrogencarbonat (Backsoda) und Eukalyptusöl. Alternativ könnten auch Zitronensaft, Milch und Salz zur Heilung dienen. Keiner dieser Behandlungsansätze ist durch klinische Studien belegt.

Da keinerlei wissenschaftliche Evidenz zum Rope Worm existiert, gibt es auch keine professionelle medizinische Behandlung. Selbst Alternativmediziner sind sich uneinig. Oft erachten sie den Seilwurm als beschädigtes Gewebe, das nach dem Konsum von MMS ausgeschieden wird. Eine Rolle erfüllt er somit für sie: Er dient ihnen als angeblicher Nachweis für eine „Wirkung“ von MMS.


Redaktion: Sigrid März, Henrik Müller, Nicole Hagen