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Beschleunigte Corona-Impfstoffzulassung Lassen sich seltene Nebenwirkungen überhaupt erkennen?

Eine Spritze wird aufgezogen
© Miriam Zilles / Pixabay

Sie fragen, wir antworten: Zusammen mit der Berliner Zeitung und der Westdeutschen Zeitung beantworten wir die drängendsten offenen Punkte zu Covid-19Covid-19 COVID-19 ist ein Akronym für die englische Bezeichnung Coronavirus Disease 2019, was so viel wie Corona-Virus-Krankheit 2019 heißt. Sie wird von dem neuen Beta-Coronavirus SARS-CoV-2 und seinen Varianten ausgelöst. Eine Erkrankung mit COVID-19 äußert sich zumeist – ca. vier bis sechs Tage nach Infektion – relativ unspezifisch durch Husten, Schnupfen, Halsschmerzen und Fieber sowie Störungen des Geruchs- und/oder Geschmackssinns. Atemnot, Kopf- und Gliederschmerzen, allgemeine Schwäche oder auch Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Appetitlosigkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfall können hinzukommen. Die Symptome können je nach Virusvariante variieren. Auch schwere Verläufe mit Aufenthalten auf der Intensivstation bis hin zum Tod sind möglich.. Ein Leser wollte wissen: Lassen sich seltene Impfstoff-Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten im Rahmen der beschleunigten Zulassung überhaupt erkennen? 

Bevor Menschen ein Impfstoff gegeben wird, muss er viele Entwicklungsstufen durchlaufen, zunächst auf dem Papier, dann in der Petrischale, zuletzt im Rahmen von klinischen Studien an Probanden. Darin wird er auf Sicherheit und Wirksamkeit geprüft – an immer mehr Menschen. Klinische Studien sind in vier Phasen unterteilt. In Phase III werden tausende Testpersonen eingeschlossen – um auch seltene Nebenwirkungen eines Wirkstoffs möglichst sicher festzustellen.  Nur wenn hier alles gut verläuft, erfolgt eine Zulassung. 

Eine „beschleunigte Zulassung“ bedeutet, dass im Ablauf der gesamten Entwicklung einzelne Schritte optimiert werden, sagt eine Sprecherin des Paul Ehrlich-Instituts. „Es bedeutet aber nicht, dass Zulassungsbehörden mit weniger aussagekräftigen Daten zufrieden wären.“

Für die aktuell in Phase III befindlichen Impfstoffkandidaten gegen CoronaCorona Mit Corona bezeichnet die Allgemeinbevölkerung zumeist SARS-CoV-2 (Severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2). Es ist ein neues Beta-Coronavirus, welches zu Beginn des Jahres 2020 als Auslöser der Krankheit COVID-19 identifiziert wurde. Coronaviren waren schon vor 2020 altbekannt. In Menschen verursachen sie vorwiegend milde Erkältungskrankheiten (teils auch schwere Lungenentzündungen) und auch andere Wirte werden von ihnen befallen. SARS-CoV-2 hingegen verursacht wesentlich schwerere Krankheitsverläufe, mit Aufenthalten auf der Intensivstation bis hin zum Tod. Der Virusstamm entwickelte und entwickelt seit seiner Entdeckung verschiedene Virusvarianten, die in ihren Aminosäuren Austausche aufweisen, was zu unterschiedlichen Eigenschaften bezüglich ihrer Infektiosität und der Schwere eines Krankheitsverlaufes führt. Seit Dezember 2020 steht in Deutschland ein Impfstoff gegen SARS-CoV-2 zur Verfügung. konnten Forscher etwa auf präklinische Studien zurückgreifen, die vor einigen Jahren innerhalb der Forschung für einen Impfstoff gegen das seit acht Jahren bekannte Mers-Coronavirus gemacht wurden, erklärt etwa Virologe Florian Krammer von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York (USA). Außerdem war den Forschern ein mögliches Ziel des Erregers – das sogenannte Antigen – bei Corona ebenfalls bereits bekannt. Dadurch wurde hier jahrelanges Ausprobieren unnötig.

Nebenwirkungen wie etwa Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten werden während der gesamten klinischen Prüfphase erfasst, soweit sie bekanntwerden. In den Phase-III-Prüfungen kann man Nebenwirkungen in einer Größenordnung von 1:1000 recht zuverlässig erkennen, teils auch Nebenwirkungen im Bereich 1:10.000. Weitere seltene Nebenwirkungen zeigen sich dann – egal ob der Impfstoff normal oder beschleunigt zugelassen wurde – wenn der Impfstoff auf dem Markt ist. Diese Phase nennt sich Phase IV.

Hierfür gibt es eigene Prozesse, die über das Bundesamt für ArzneimittelArzneimittel Arzneimittel sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die angewandt werden, um Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder Beschwerden zu heilen, zu lindern oder zu verhüten. Es kann sich hierbei ebenfalls um Mittel handeln, die dafür sorgen, dass Krankheiten oder Beschwerden gar nicht erst auftreten. Die Definition beinhaltet ebenso Substanzen, die der Diagnose einer Krankheit nutzen oder seelische Zustände beeinflussen. Die Mittel können dabei im Körper oder auch am Körper wirken. Das gilt sowohl für die Anwendung beim Menschen als auch beim Tier. Die gesetzliche Definition von Arzneimitteln ist im § 2 Arzneimittelgesetz (AMG) enthalten. und MedizinprodukteMedizinprodukte Medizinprodukte sind z.B. Implantate, Katheder, Infusionen, Herzschrittmacher und Co. Sie definieren sich durch eine vom jeweiligen Hersteller bestimmte medizinische Zweckbestimmung für die Anwendung beim Menschen. Anders als bei Arzneimitteln entfaltet sich ihre Hauptwirkung auf physikalische Weise. Verschiedenste Vorgaben regeln das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von Medizinprodukten. Dadurch soll für die Sicherheit und Eignung der Medizinprodukte gesorgt werden. Es geht hierbei zudem um den Schutz von Patienten, Anwendern und Dritter. (BfArMBfArM Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ist zuständig für die Zulassung und Registrierung von Arzneimitteln, Arzneimittelsicherheit (Pharmakovigilanz) sowie für die Risikoerfassung und -bewertung von Medizinprodukten. Es regelt sowohl das legale Inverkehrbringen von Betäubungsmitteln und ihren Ausgangsstoffen als auch deren Herstellung, Anbau und Handel. Das BfArM agiert ebenso dafür Forschung und regulierende Tätigkeiten miteinander zu vernetzen.) und das Paul Ehrlich-Institut (PEI) koordiniert werden. Sollte sich hier später herausstellen, dass in sehr seltenen Fällen Nebenwirkungen auftreten, werden Mediziner informiert, der BeipackzettelBeipackzettel Fertigarzneimittel dürfen ausschließlich zusammen mit einer Packungsbeilage ausgeliefert werden. Das Arzneimittelgesetz (AMG) gibt vor, wie der Beipackzettel eines Medikaments gestaltet sein muss. Es muss die vorgegebenen Angaben in festgelegter Reihenfolge beinhalten. Dazu gehören unter anderem der Name des Medikamentes, Anwendungsbereiche, Gegenanzeichen, Vorsichtsmaßnahmen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, Dosierung und Nebenwirkungen. Der Beipackzettel ist in erster Linie für die Anwender des Medikamentes verfasst. Damit dieser für Menschen ohne Fachwissen verständlich ist, durchlaufen Beipackzettel einen Lesbarkeitstest. Sie werden z.B. durch das BfArM oder das PEI geprüft und genehmigt, bevor sie in den Umlauf kommen. geändert oder ein Arzneimittel oder Impfstoff vom Markt genommen.

Einige Impfungen senken Krebsrisiko

Trotz aller Kontrollversuche kann es dennoch zu Nebenwirkungen kommen. Der Schweinegrippeimpfstoff Pandemrix führte 2009 offenbar aufgrund des Wirkstoffverstärkers in Europa zu deutlich mehr Nebenwirkungen als in Kanada. Hierzu zählen etwa Gesichtslähmungen, ein allergischer Schock und Gehirnentzündungen. Nach den Massenimpfungen erkrankten zudem einige Kinder und Jugendliche an Narkolepsie, einer unheilbaren Schlafkrankheit. Das Problem wurde erst verspätet bekannt – als die Schweinegrippe als gestoppt galt. Unter rund 30 Millionen geimpften Europäern kam es zu rund 1300 Fällen von Narkolepsie, die mit dem Mittel in Verbindung stehen sollen. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, die Sicherheit von Impfstoffen umfassend zu testen.

Es gibt bislang keine Hinweise darauf, dass Impfungen KrebsKrebs Statt eine spezifische Krankheit zu benennen, handelt es sich bei Krebs um einen Sammelbegriff für verschiedene Krankheiten. Ihnen allen gemeinsam ist jedoch das unkontrollierte Wachstum von Körperzellen, aufgrund eines Ungleichgewichts zwischen Zellwachstum und Zelltod. Die Folge daraus ist – außer bei Blutkrebsarten – eine Geschwulst ohne organspezifische Funktion. Dringt diese in das umliegende gesunde Gewebe ein, spricht man von bösartigen Tumoren; ausschließlich bösartigen Tumore werden als Krebs bezeichnet. Krebs kann zudem metastasieren, d.h. er breitet sich im Körper aus, indem die Krebszellen über Blut- und Lymphbahnen wandern und infolgedessen in anderen Organen Tochtergeschwülste bilden. erzeugen. Eher das Gegenteil ist der Fall: Einige Impfungen scheinen das Risiko zu senken, an bestimmten Krebsarten zu erkranken. So wurde festgestellt, dass die Bacille Calmette-Guérin-ImpfungImpfung Eine Impfung hilft, vor schwer verlaufenden Infektionskrankheiten zu schützen. Durch abgeschwächte Erreger, durch Bruchteile von Erregern oder seit Neuestem mit mRNA-Stücken von Erregern wird bei einer aktiven Schutzimpfung das Immunsystem über die gezeigten Antigene spezifisch aktiviert. Dem Körper wird durch eine Impfung vorgegaukelt mit einem echten Erreger infiziert zu sein. Dadurch wird die gesamte Immunsystem-Kaskade in Gang gesetzt, inklusive der Bildung spezifischer Gedächtniszellen. Ist der Organismus später dem tatsächlichen Erreger ausgesetzt, kann er schnell, effizient und spezifisch reagieren ohne schwere Komplikationen zu entwickeln. Eine generelle Impfpflicht gibt es in hierzulande nicht. Die Ausnahme bildet die Masernimpfung: Seit 2020 muss bei Eintritt in eine Kindertagesstätte oder Schule ein Masern-Impfnachweis erbracht werden. Die STIKO gibt für Deutschland Impfempfehlungen heraus, an denen sich orientiert werden kann. (BCG) gegen Tuberkulose etwas vor der Entstehung von Melanomen schützen kann. Diese Impfung wird in Deutschland allerdings nicht mehr empfohlen, weil Tuberkulose so selten ist und es wirksame Schutzmöglichkeiten gibt. Oder die Impfung gegen das humane Papillomavirus (HPVHPV Zumeist heilt eine Infektion mit HPV – humane Papillomviren – unbemerkt aus. Papillomviren sind stark verbreitet, so dass sich im Laufe des Lebens die meisten damit anstecken. In einigen Fällen verursachen sie Warzen auf der Haut (Papillomen) oder im Genitalbereich (Feigwarzen). Letztere sind unangenehm, aber harmlos und werden vom Frauenarzt bzw. von der Frauenärztin behandelt. Dennoch können sich aus bestimmten HP-Virustypen (Hochrisiko-Typen) – noch lange nach einer Infektion – bösartige Tumore bilden, vor allem Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom). Die wichtigsten hierbei sind HPV 16 und 18. Daher ist es wichtig, regelmäßig Abstrichkontrollen bei der Frauenärztin bzw. beim Frauenarzt durchführen zu lassen. Eine HPV-Ansteckung betrifft Frauen und Männer zugleich, die Krebsfolgen sind für Männer jedoch wesentlich geringer. Eine durchgemachte Infektion bietet keinen Schutz vor erneuter Ansteckung. Seit einigen Jahren gibt es eine HPV-Impfung, die gegen viele der Hochrisiko-Typen schützt. Die STIKO empfiehlt diese Impfung für alle Kinder (Mädchen und Jungen!) zwischen neun und 14 Jahren vor der ersten sexuellen Aktivität, auch später kann eine Impfung noch sinnvoll sein.): Diese Viren können die Schleimhaut von Geschlechtsorganen schädigen und so langfristig zu Gebärmutterhalskrebs führen. Aber auch zur Krebserkrankung am Anus, Penis und Rachen. Die HPV-ImpfungHPV-Impfung Aus bestimmten HP-Virustypen (Hochrisiko-Typen) können sich – noch lange nach einer Infektion – bösartige Tumore bilden, vor allem Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom). Seit einigen Jahren gibt es HPV-Impfungen, die gegen viele der Hochrisiko-Typen schützen. Die STIKO empfiehlt diese Impfung für alle Kinder (Mädchen und Jungen!) zwischen neun und 14 Jahren vor der ersten sexuellen Aktivität, auch später kann eine Impfung noch sinnvoll sein. Der Zweifach-HPV-Impfstoff schützt vor den Hochrisiko-HPV-Typen 16 und 18, welche 60 bis 70 Prozent aller Fälle von Gebärmutterhalskrebs verursachen. Der Neunfach-HPV-Impfstoff schützt zusätzlich vor den Hochrisiko-Typen 31, 33, 45, 52 und 58. Zusammen mit Typ 16 und 18 sind sie für 75 bis 90 Prozent aller Gebärmutterhalskrebs-Erkrankungen verantwortlich. Des Weiteren enthält der Neunfach-Impfstoff die Niedrigrisiko-Typen HPV 6 und 11. Diese gelten als Hauptursache für Feigwarzen. Die Impfstoffe enthalten Proteine aus der Virushülle. hat bereits jetzt zum Rückgang von Krebsvorstufen geführt und in Zukunft werden dadurch diese Krebsarten wahrscheinlich deutlich verringert.

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Das Projekt wird von der Robert-Bosch-Stiftung unterstützt.