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Arzneimittel Neue Iberogast-Warnhinweise für die Schweiz, nicht für Deutschland

IberogastIberogast Iberogast® ist ein pflanzliches Arzneimittel des Pharmaunternehmens Bayer gegen Magen-Darm-Beschwerden. Iberogast® Classic beinhält Schöllkraut, eine Pflanzenart aus der Familie der Mohngewächse. Bei hoher Dosierung und längerer Anwendungsdauer kann Schöllkraut die Leber schädigen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel forderte bereits 2008 den damaligen Hersteller auf, über das Leberrisiko dieses Präparates im Beipackzettel aufzuklären. Nach langem Ringen und einem Todesfall im Jahr 2018 nahm Bayer einen entsprechenden Warnhinweis in den Beipackzettel auf. Seit Ende 2020 bietet Bayer eine Schöllkrautfreie Variante an (Iberogast® Advance). ist ein pflanzliches ArzneimittelArzneimittel Arzneimittel sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die angewandt werden, um Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder Beschwerden zu heilen, zu lindern oder zu verhüten. Es kann sich hierbei ebenfalls um Mittel handeln, die dafür sorgen, dass Krankheiten oder Beschwerden gar nicht erst auftreten. Die Definition beinhaltet ebenso Substanzen, die der Diagnose einer Krankheit nutzen oder seelische Zustände beeinflussen. Die Mittel können dabei im Körper oder auch am Körper wirken. Das gilt sowohl für die Anwendung beim Menschen als auch beim Tier. Die gesetzliche Definition von Arzneimitteln ist im § 2 Arzneimittelgesetz (AMG) enthalten. – es besteht aus vielen Extrakten: Auszüge von Angelikawurzeln, Kamillenblüten, Kümmelfrüchten, Pfefferminzblättern, weiteren Präparaten – sowie von SchöllkrautSchöllkraut Schöllkraut, eine Pflanzenart aus der Familie der Mohngewächse, ist in Iberogast® Classic enthalten; ein pflanzliches Arzneimittel des Pharmaunternehmens Bayer gegen Magen-Darm-Beschwerden. Bei hoher Dosierung und längerer Anwendungsdauer kann Schöllkraut die Leber schädigen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel forderte bereits 2008 den damaligen Hersteller auf, über das Leberrisiko dieses Präparates im Beipackzettel aufzuklären. Nach langem Ringen und einem Todesfall im Jahr 2018 nahm Bayer einen entsprechenden Warnhinweis in den Beipackzettel auf. Seit Ende 2020 bietet Bayer eine Schöllkrautfreie Variante an (Iberogast® Advance).. Iberogast wird bei Magen-Darm-Beschwerden eingesetzt, also bei Sodbrennen, Appetitlosigkeit, Blähungen und Völlegefühl, Übelkeit oder Brechreiz. Iberogast ist ohne Rezept in Apotheken erhältlich. Wie Zahlen des Marktforschungsinstituts Iqvia immer wieder belegen, ist Iberogast, das der PharmakonzernPharmakonzern Ein Pharmakonzern ist ein Großunternehmen, in dem mehrere Pharmaunternehmen zu einem Verbund zusammengeschlossen sind. Hier werden Arzneimittel erforscht, entwickelt, produziert und / oder vermarktet. Es kann sich hierbei um eigens neu entwickelte Medikamente oder um Generika (Nachahmungen) handeln. Für die Herstellung von Arzneimitteln oder Arzneistoffen brauchen pharmazeutische Unternehmen eine behördliche Erlaubnis und unterliegen speziellen arzneimittelrechtlichen Verpflichtungen, um Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit ihrer Produkte zu gewährleisten. Zu dem Produktsortiment der Pharmaunternehmen gehören verschiedenste verschreibungspflichtige und rezeptfreie Arzneimittel für die Human- und Veterinärmedizin, wie z.B. Medikamente, Blutprodukte und Impfstoffe. BayerBayer Bayer ist ein Chemie- und Pharmakonzern mit Sitz in Leverkusen. Bei den meisten Produkten, die das Unternehmen produziert, handelt es sich um Medikamente; hauptsächlich für Menschen, aber auch für Tiere. Zudem vertreibt es Nahrungsergänzungsmittel, Fußpflege-Produkte und Sonnencremes. Für die Landwirtschaft entwickelt Bayer Saatgut und Pflanzenschutzmittel. Wegen des Unkrautvernichters Roundup steht der Konzern immer wieder vor Gericht. teils groß im Fernsehen bewirbt, ein echter Topseller.

In der Schweiz ist Iberogast ebenfalls erhältlich, auf ärztliche Verschreibung wird es auch bei Schmerzen im oberen Bauchbereich sowie bei Bauchkrämpfen eingesetzt. Die dortige Arzneimittelbehörde Swissmedic hat jetzt die Arzneimittelinformation von Iberogast Tinktur für die Schweiz angepasst. Dieser Schritt erfolgt aufgrund neuerer Meldungen über sehr seltene, aber teils schwerwiegende Leberschädigungen, erklärt ein Sprecher auf Nachfrage von MedWatch. Der Behörde liegen einige Berichte über Leberschädigung unter Iberogast vor, die vorwiegend in den letzten Jahren gemeldet wurden. Die Leberschädigungen unter Iberogast treten äußerst selten auf, berichtet der Sprecher, seien aber nicht voraussehbar und könnten schwerwiegend, sogar lebensbedrohend verlaufen.

Auf dem BeipackzettelBeipackzettel Fertigarzneimittel dürfen ausschließlich zusammen mit einer Packungsbeilage ausgeliefert werden. Das Arzneimittelgesetz (AMG) gibt vor, wie der Beipackzettel eines Medikaments gestaltet sein muss. Es muss die vorgegebenen Angaben in festgelegter Reihenfolge beinhalten. Dazu gehören unter anderem der Name des Medikamentes, Anwendungsbereiche, Gegenanzeichen, Vorsichtsmaßnahmen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, Dosierung und Nebenwirkungen. Der Beipackzettel ist in erster Linie für die Anwender des Medikamentes verfasst. Damit dieser für Menschen ohne Fachwissen verständlich ist, durchlaufen Beipackzettel einen Lesbarkeitstest. Sie werden z.B. durch das BfArM oder das PEI geprüft und genehmigt, bevor sie in den Umlauf kommen. von Iberogast Tinktur in der Schweiz werden nun Menschen gezielt angesprochen, die an einer Lebererkrankung leiden. Diese sollen vor der Einnahme von Iberogast zunächst ihren Arzt befragen. Außerdem soll bei der Einnahme darauf geachtet werden, ob sich Anzeichen und Symptome einstellen, die „möglicherweise auf eine Leberfunktionsstörung hindeuten“: Etwa Appetitverlust, ungewöhnliche Müdigkeit oder Schmerzen im rechten Oberbauch.

Und weiter heißt es im Schweizer Beipackzettel:

Welche Nebenwirkungen kann Iberogast haben? Sehr selten: akutes Leberversagen, Leberentzündung (Hepatitis) und nachteilige Wirkungen auf die Leberfunktionswerte (erhöhte Transaminasen- und Bilirubinwerte)

Auch die Fachinformation – also die Hinweise, die speziell für Ärzte und Apotheker aufbereitet sind – enthalten in der Schweiz den Hinweis, dass

Schöllkraut-Präparate in sehr seltenen Fällen mit Leberschädigungen in Verbindung gebracht wurden. Bei Patienten mit aktuell bestehender oder früherer Lebererkrankung sowie bei Patienten, die mit anderen Arzneimitteln behandelt werden, welche die LeberLeber Die Leber ist ein Stoffwechselorgan im menschlichen Körper. Als Hauptentgiftungsstelle verantwortet sie die Verwertung von Nahrungsbestandteilen, den Abbau und die Ausscheidung von Stoffen. Sie baut, zusammen mit anderen Organen, alte oder beschädigte Blutkörperchen ab. Auch die Produktion lebenswichtiger Proteine gehört zu ihren Aufgaben. Sie speichert Vitamine und Spurenelemente und stellt mit Hilfe von Vitamin K Eiweiße her, die für die Blutgerinnung wichtig sind. Die Leber steuert zusätzlich den Blutzuckerspiegel und stellt Ausgangsprodukte für die Hormonproduktion her. Sie nimmt eine wichtige Rolle im Fettstoffwechsel ein. Eine Besonderheit der Leber ist, dass sie sich nach Verletzungen zu einem Großteil regenerieren kann, was für andere Organe nicht der Fall ist. oder die Leberwerte beeinträchtigen können, muss nach der neuen Fachinformation der Nutzen des Arzneimittels sorgfältig gegen das Risiko von akutem Leberversagen oder einer nachteiligen Wirkung auf die Leberfunktionswerte abgewogen werden.

Der Einsatz von Schöllkraut ist schon seit langer Zeit umstritten – auch in Deutschland. Das Pendant zu Swissmedic, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte – kurz BfArMBfArM Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ist zuständig für die Zulassung und Registrierung von Arzneimitteln, Arzneimittelsicherheit (Pharmakovigilanz) sowie für die Risikoerfassung und -bewertung von Medizinprodukten. Es regelt sowohl das legale Inverkehrbringen von Betäubungsmitteln und ihren Ausgangsstoffen als auch deren Herstellung, Anbau und Handel. Das BfArM agiert ebenso dafür Forschung und regulierende Tätigkeiten miteinander zu vernetzen. – hatte schon im Jahr 2005 ein Verfahren eingeleitet. Schrittweise und in Gespräch mit den Herstellern sollten entsprechender Präparate mit einer Schöllkraut-Tagesdosis von mehr als 2,5 mg ihre Zulassung verlieren, für alle anderen sollten Hinweise auf mögliche Leberschädigungen in der Packungsbeilage vorgeschrieben werden. Jedoch legte ein Hersteller hiergegen Klage ein, das Verfahren dauert bis heute an. Der EU-Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel, kurz HMPC, ansässig bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMAEMA Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) gewährleistet die wissenschaftliche Bewertung, Überwachung und Sicherheitsüberprüfung von Human- und Tierarzneimitteln in der Europäischen Union, sie erleichtert die Entwicklung und Zugänglichkeit von Arzneimitteln und informiert Beschäftigte im Gesundheitswesen sowie Patienten. Darüber hinaus berät und unterstützt sie pharmazeutische Unternehmen im Bereich Forschung und Entwicklung. Sie ist vor allem für die europäische Zulassung von Arzneimitteln zuständig und überprüft diese auch nach der Einführung auf ihre Sicherheit. Dafür hat sie ein Pharmakovigilanz-Netzwerk eingerichtet. Der ursprüngliche Sitz der EMA war London, seit 2019 ist sie in Amsterdam verortet., nahm sich 2011 der Risiken von Schöllkraut an.

Das unabhängige Magazin arznei telegramm spart nicht an Kritik: Während es in der Schweiz nun Warnhinweise gebe, fehlten in der Gebrauchsinformation von Iberogast in Deutschland Hinweise auf die mögliche leberschädigende Wirkung – und das seit Jahren. Das BfArM möchte den Vorgang auf Grund des laufenden Verfahrens auf Nachfrage von MedWatch nicht kommentieren.

Und was sagt Bayer?

Der für die Herstellung von Iberogast verwendete Schöllkraut-Extrakt enthält nur eine sehr geringe Menge an Alkaloiden: Die mit der empfohlenen Tages- Dosierung von dreimal täglich 20 Tropfen Iberogast aufgenommene Menge an Schöllkraut-Alkaloiden liegt bei etwa 0,3 mg.

Wie Bayer jedoch auch erwähnt, hatte das BfArM im Jahr 2008 für Tagesdosen zwischen 2,5 Mikrogramm und 2,5 Milligramm die Aufnahme der Hinweise zu möglichen Leberschädigungen vorgeschrieben – Iberogast wäre also hiervon erfasst. Die Firma will dies jedoch nicht akzeptieren, da „umfassende toxikologische und klinische Studien“ das positive Nutzen-Risiko-Profil für Iberogast belegen würden, wie eine Konzernsprecherin schreibt: 

Eine Änderung der aktuellen Patienten- und Fachinformationen hinsichtlich der Verwendung von Schöllkraut ist derzeit nicht vorgesehen. Es liegen keine neuen Fakten vor, sodass sich die Sach- bzw. Beurteilungslage von Iberogast nicht verändert hat. Das Nutzen-Risikoprofil zu Iberogast bleibt unverändert positiv. 

Anders sahen dies im Jahr 2011 die Experten des Ausschusses für pflanzliche Arzneimittel in ihrer Stellungnahme: Das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Schöllkraut sei negativ, urteilten sie damals – auch da Daten zu einer klinischen Wirksamkeit fehlen würden. Und das arznei-telegramm erklärte: „Wir raten von der Einnahme des unter anderem bei funktionellen Magen-Darm-Erkrankungen verwendeten Kräuterextraktgemischs ab.“

Ob die Warnhinweise in der Schweiz bestehen bleiben? Aus einer Mitteilung von Swissmedic lässt sich erahnen, dass auch dort ein Rechtsstreit befürchtet wird: „Sollte die Anpassung (der Produktinformation) der endgültigen gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten, wird Swissmedic zu gegebener Zeit darüber informieren“, heißt es dort.

Auf unsere Anfrage zum Hintergrund dieses Satzes erklärt ein Sprecher, dass es zwischen Bayer und der Behörde zu „Differenzen bezüglich Umfang und Formulierung der Warnhinweise“ gegeben habe. Aus diesem Grund habe Swissmedic die geforderten Anpassungen mittels Verfügung angeordnet. Gegen diese Verfügung sei bereits ein Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen anhängig, dessen Ausgang noch offen ist. Gleichzeitig hat das Gericht im Rahmen eines Zwischenentscheids aber entschieden, dass die Arzneimittelinformation die Leber-Probleme aufführen muss, solange noch kein Urteil gesprochen ist.

Der deutsche Beipackzettel wird hingegen offenbar frühestens dann auf mögliche Leberschädigungen hinweisen, wenn nach dem jahrelangen Rechtsstreit ein rechtskräftiges Urteil vorliegt. Wir bleiben dran.