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Fragwürdige Gesundheitswerbung für Kokosblütenzucker & Co. Gesünder süßen mit Honig und Stevia?

geöffneter weiblicher Mund; die Zähne halten einen Zuckerwürfel.
Gibt es einen gesunden Zucker? Wohl eher nicht. © Zeppelin5 / FreeImages

Zuckeralternativen wie Kokosblütenzucker, Birkenzucker und Stevia-Extrakte haben ein natürliches Image und gelten als „gesünder“. Aber stimmt es auch, dass man mit ihnen gesünder süßen kann?

Ist Kokosblütenzucker „die gesündere Wahl“? Im Juni 2022 haben die Verbraucherzentralen erfolgreich eine solche irreführende Gesundheitswerbung abgemahnt: Ein Onlineanbieter behauptete, Kokosblütenzucker sei wegen seines Nährstoffgehalts und niedrigeren glykämischen Indexes eine gesündere Wahl als „weißer Industriezucker“. Ein Trugschluss, meinen die Verbraucherzentralen. Denn auch Kokosblütenzucker besteht wie normaler Haushaltszucker hauptsächlich aus Saccharose und hat daher dieselben gesundheitlichen Nachteile, wenn zu viel davon gegessen wird. Die beanstandete Werbung hat der Anbieter inzwischen gelöscht. Doch die These, dass Kokosblütenzucker oder Zuckeralternativen wie „Birkenzucker“, „Stevia“ und Honig besser sein sollen als Haushaltszucker, hält sich hartnäckig. Was ist tatsächlich dran?

Zuckeralternativen rechtlich betrachtet

Im Lebensmittelrecht unterscheiden sich die vier Zuckeralternativen jedenfalls deutlich: Nur Kokosblütenzucker und Honig zählen zu den klassischen Lebensmitteln – und sind echte Naturprodukte. Sie dürfen ohne Zulassung auf den Markt, da ihr Verzehr erfahrungsgemäß als sicher gilt.

Anders „Birkenzucker“, denn trotz seines Namens handelt es sich hier nicht etwa um einen aus Birke gewonnenen „natürlichen“ Zucker, sondern um Xylit. Birkenzucker ist ein umgangssprachlicher Begriff, der nicht allein auf dem Etikett stehen darf, weil Verbraucher:innen sonst getäuscht werden können. Xylit ist ein Zuckeraustauschstoff, der rechtlich als Zusatzstoff (E 967) gilt. 

Zusatzstoffe benötigen eine lebensmittelrechtliche Zulassung. Dabei wird ihre gesundheitliche Unbedenklichkeit geprüft und festgelegt, wie sie verwendet werden dürfen. Solch ein Verfahren mussten auch die aus der Stevia-Pflanze extrahierten Steviolglycoside (E 960 a und E 960 c) durchlaufen, bevor sie etwa Limonaden oder Milchspeisen zum Süßen zugesetzt werden durften.

Frische oder getrocknete Stevia-Blätter gelten dagegen als neuartiges Lebensmittel (Novel Food). Sie sind nur in kleinen Mengen als Zutat in Teemischungen und -getränken erlaubt, weil bisher nicht geklärt ist, ob größere Mengen gesundheitlich unbedenklich sind. Stevia-Blätter allein dürfen dagegen nicht als Lebensmittel verkauft werden.

Was bringen die alternativen Zucker?

Es stimmt, dass Kokosblütenzucker und Honig Vitamine und Mineralstoffe enthalten – anders als Haushaltszucker. Nur: Bei einer empfohlenen Zufuhr von maximal 50 Gramm Zucker pro Tag sind diese Mengen nicht relevant. Das verdeutlicht ein einfaches Rechenbeispiel: Ein Teelöffel (10 Gramm) Honig enthält rund 0,2 Milligramm Vitamin C. Um nur die Hälfte der täglichen für Erwachsene empfohlenen Zufuhr von rund 100 Milligramm über den Honigverzehr zu decken, wären 250 Teelöffel Honig nötig, also zweieinhalb Kilogramm. Eine Bewerbung von Honig als „Vitamin-C-reich“ ist daher auch unzulässig. Solche nährwertbezogenen Angaben sind nach der EU-Health-Claims-VerordnungHealth-Claims-Verordnung Die Health-Claims-Verordnung ist eine europaweit einheitliche Regelung zu Nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben. So dürfen z.B. Informationen zu Lebensmitteln oder auf Lebensmittelverpackungen wie »fettarm« und »zuckerfrei« nicht falsch oder irreführend sein und müssen zugleich von Verbrauchern verstanden werden. Alle Angaben dazu müssen sich auf wissenschaftliche Daten stützen. Auch müssen demnach auf Lebensmittelverpackungen ausgewiesene Substanzen im Endprodukt in ausreichender Menge vorhanden sein und in einer Form vorliegen, die der menschliche Körper verwerten kann. Wird im Gegenteil dazu mit der Reduzierung oder dem Verzicht auf gewisse Substanzen (z.B. Fett oder Zucker) geworben, dürfen diese tatsächlich nicht vorhanden bzw. müssen sie in ausreichend reduzierter Menge vorliegen. Zudem ist es nach der Health-Claims-Verordnung verboten, auf Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,5% gesundheitsbezogene Angaben zu machen. Die Verordnung dient dem Verbraucherschutz und gilt seit 2007 als unmittelbar anwendbares Recht. nur erlaubt, wenn eine übliche Verzehrmenge tatsächlich eine bedeutsame Menge des beworbenen Nährstoffs enthält.1vgl. OLG Celle, Urteil vom 06.06.2019, 13 U 2/19 zu „selenreich“ bei Nüssen und anderen Snackartikeln

Gesünder süßen – Gut für den Blutzucker?

Auch Werbeaussagen zum glykämischen Index (GI) sind unzulässig, denn sie gelten als gesundheitsbezogen und müssen daher gesetzlich zugelassen sein. Solche Zulassungen gibt es aber nicht.2vgl. OLG Celle, Urteil vom 06.09.2019, 13 U 69/18 Der GI beschreibt, wie stark ein Lebensmittel den Blutzuckerspiegel im Vergleich zu Traubenzucker (Glucose) ansteigen lässt. Traubenzucker verursacht den stärksten Blutzuckeranstieg und hat per definitionem einen GI von 100. Je geringer der GI ist, desto weniger und langsamer steigt der Blutzuckerspiegel. 

Wichtig: Die Aussagekraft des GI ist begrenzt, denn er bezieht sich immer nur auf ein isoliertes Lebensmittel. Andere Nahrungsbestandteile können beeinflussen, wie schnell oder wie hoch ein zuckerhaltiges Lebensmittel den Blutzuckerspiegel ansteigen lässt.3Strohm, D. (2013) Ernährungsumschau; 1, S. M26

Es lohnt sich auch, bei der Werbung genau hinzuschauen: So soll Kokosblütenzucker einen GI von nur 35 haben – also etwa halb so viel wie normaler Haushaltszucker. Das ist aber wenig glaubhaft: Zum einen stützt sich die Behauptung auf eine Studie mit nur zehn Personen.4Trinidad TP u.a. (2010) Journal of Functional Foods; Vol 2, S. 271 Zum anderen ist es nicht plausibel, dass der Wert so niedrig sein soll, da Kokosblütenzucker genauso wie Haushaltszucker praktisch nur Saccharose enthält.

Gewicht und Karies

Wer gegen überflüssige Pfunde kämpft, hofft vielleicht, in Steviolglycosiden und Xylit etwas Unterstützung zu finden. Richtig ist: Steviolglycoside sind kalorienfrei. Xylit hat pro Gramm einen Brennwert von 2,4 Kilokalorien, also rund 40 Prozent weniger als Zucker. Allerdings dürfen Anbieter von kalorienarmen oder kalorienfreien Süßungsmitteln nicht mit gewichtsreduzierenden Effekten werben. Denn belegt ist solch eine Wirkung nicht und schließlich kommt es auch darauf an, was und wie viel man sonst noch isst.

Ein echter Vorteil der Steviolglycoside und Zuckeralkohole wie Xylit: Sie haben keine kariogene Wirkung – ganz im Gegensatz zu Honig, der aufgrund seiner Klebrigkeit besonders schädlich für die Zähne ist. Nach der Health-Claims-Verordnung darf daher ein „zuckerfreier“ Kaugummi, der anstelle von Zucker zum Beispiel Xylit enthält, mit der Aussage „trägt zum Erhalt der Zahnmineralisation bei“ beworben werden. Nicht erwiesen und daher unzulässig ist hingegen, dass Xylit eine spezifische Anti-Plaque-Wirkung hätte, das heißt das Anheften von Bakterien auf den Zähnen verhindern könnte.

Gesünder süßen – Eine Frage der Menge

Süßende Zusatzstoffe können also im Einzelfall gewisse Vorteile gegenüber Haushaltszucker haben. Es gibt aber auch Nachteile. Für Steviolglycoside gelten Höchstmengenbeschränkungen, Zuckeralkohole können in größeren Mengen abführend wirken. Und naturbelassen sind die Produkte keineswegs, auch wenn Begriffe wie „Birkenzucker“ oder „aus Stevia“ diesen Eindruck wecken. Naturbelassene Zuckeralternativen wie Honig oder Kokosblütenzucker machen die Ernährung nicht gesünder. Auch hier gilt: Weniger ist mehr.

Der Beitrag erschien zuerst bei Gute Pillen – Schlechte Pillen und wurde für die Veröffentlichung bei MedWatch angepasst.


Redaktion: Sigrid März, Angela Bechthold, Nicole Hagen

  • 1
    vgl. OLG Celle, Urteil vom 06.06.2019, 13 U 2/19 zu „selenreich“ bei Nüssen und anderen Snackartikeln
  • 2
    vgl. OLG Celle, Urteil vom 06.09.2019, 13 U 69/18
  • 3
    Strohm, D. (2013) Ernährungsumschau; 1, S. M26
  • 4
    Trinidad TP u.a. (2010) Journal of Functional Foods; Vol 2, S. 271