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MedWatch akut Von Heißgetränken und Heilsteinen bei PMS und Asthma

Zwei Tassen gefüllt mit heißer Schokolade.
Kann Kakao wirklich gegen PMS helfen? © Freepik

Die Firma Fembites will mit Kakao PMS lindern. Asthma-Beschwerden verschwinden angeblich mit sogenannten Heilsteinen. Was ist dran? MedWatch klärt auf.

Jetzt, wo die Tage kälter werden, greifen viele Menschen nach einem heißen Kakao. Die Firma Fembites hat dem Heißgetränk jedoch einige Inhaltsstoffe hinzugefügt. Ihr Produkt „Fempow PMS Support“ soll für „Wohlbefinden vor der Periode“ sorgen.

Das Prämenstruelle Syndrom, kurz: PMS, umfasst verschiedene Beschwerden, die vor der Regelblutung auftreten können. Die Symptome können physisch und/oder psychisch sein. 

Mit Kakao gegen PMS

Neben Kakao enthält „PMS Support“ auch die Vitamine B6 und B12 sowie Zink und Folat.  „Vitamin B6 trägt zur Regulierung der Hormontätigkeit bei“, schreibt Hersteller Fembites auf der Website. Diese Aussagen zur Wirkung sind allerdings nicht PMS-spezifisch. Und den Kakao von Fembites muss man dafür nicht kaufen. Denn das Pulver kostet natürlich auch etwas mehr als ein schnöder Kakao: 34,90 Euro pro Monatspackung.

Für drei weitere Inhaltsstoffe, Hagebutte, Maca – eine Knolle aus Peru – und L-Tryptophan, fehlen auf der Produktseite Aussagen zu möglichen Wirkungen. Nicht ohne Grund: Für sie sind von der EU keine gesundheitsbezogenen Aussagen zugelassen. Diese sogenannten „Health Claims“ müssen nämlich wissenschaftlich begründet sein.

Besserer Schlaf mit Kakao

Dennoch deutet Fembites auf der Produktseite von „PMS Support“ an, dass L-Tryptophan für einen besseren Schlaf sorgen soll. Die europäische Behörde für LebensmittelsicherheitLebensmittelsicherheit Lebensmittelsicherheit ist ein komplexer Bereich. Es wird zwischen sog. horizontalen und vertikalen Bestimmungen unterschieden. Ersteres bedient Bestimmungen für die Lebensmittelkennzeichnung, für Zusatzstoffe in Lebensmitteln sowie für Rückstände in Lebensmitteln. Vertikale Bestimmungen beziehen sich auf Nahrungsergänzungsmittel, Milch, Eier, Fisch, Fruchtsäfte und vieles mehr. Auch für kosmetische Produkte wie z.B. Zahncreme, Shampoo, Nagellack sowie Bedarfsgegenstände (Spielzeug, Geschirr, Schuhe, Textilien, Modeschmuck…) gilt das Lebensmittelrecht. Zusatzstoffe und neuartige Lebensmittel müssen zugelassen sein, schädliche Rückstände von Pflanzenschutzmitteln sind verboten. Kennzeichnungen müssen erkennbar machen, ob zum Beispiel Allergene enthalten sind. (EFSAEFSA Die EFSA ist die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit. Sie wurde 2002 mit Sitz in Parma eingerichtet, um die Lebensmittelsicherheit in der EU zu verbessern und ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten. Zu ihren Aufgaben gehört die wissenschaftliche Beratung zu bestehenden und aufkommenden Risiken in der Lebensmittelkette durch wissenschaftliche Gremien und Ausschüsse. Der Großteil ihrer Arbeit erfolgt auf Ersuchen durch die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedstaaten, manche der wissenschaftlichen Arbeiten werden auf eigene Initiative durchgeführt. Die EFSA kooperiert mit dem BfR – Bundesinstitut für Risikobewertung – und wird über den EU-Haushalt finanziert. Die Bewertung von lebensmittelbedingten Risiken erfolgt unabhängig von politischen Entscheidungsfindungen.) sieht dies jedoch nicht als wissenschaftlich bewiesen an. 

Fragwürdige Studien

Studien zu Tryptophan

Laut Hersteller sind die Produkte „studienbasiert“ und für Tryptophan präsentiert Fembites gleich zwei Studien. Die haben allerdings weder etwas mit besserem Schlaf noch mit PMS zu tun.1Eine ist eine Laborstudie zum polyzytischen Ovarialsyndrom (PCOS), die andere ist eine Übersichtsstudie zum Einfluss von L-Tryptophan auf die Stimmung gesunder Erwachsener.

Auf Nachfrage schreibt Fembites: „Wir haben nicht alle verfügbaren Studien veröffentlicht, sondern nur eine Übersicht der Studienlage in der Tabelle.“ Das Team bestehe aus studierten Wissenschaftlerinnen und die Inhaltsstoffe seien anhand der Symptomatik von PMS ausgewählt. Als Begründung für L-Tryptophan in ihrem NahrungsergänzungsmittelNahrungsergänzungsmittel Nahrungsergänzungsmittel werden den Lebensmitteln zugeordnet und sind abgegrenzt von Medikamenten zu betrachten. So dürfen sie, wie der Name schon sagt, die normale Ernährung ergänzen, sie jedoch nicht ersetzen und zudem keine arzneiliche Wirkung zeigen. Sie werden als Kapseln, Tabletten, Tropfen oder Ähnliches angeboten und enthalten oft Vitamine, Mineralstoffe oder sonstige Nährstoffe, die eine Wirkung erzielen sollen. Sie dürfen jedoch nicht wie ein Arzneimittel beworben werden. Die Hersteller dürfen keine spezifische Wirkung wie die Linderung oder Vorbeugung einer Krankheit anpreisen oder für ein definiertes Anwendungsgebiet werben. fügt die Firma an: „Weil es einerseits wissenschaftlich belegt wurde, dass es eine Korrelation gibt in der Serotoninsynthese und bei PMS – und gleichzeitig aus Serotonin das Schlafhormon MelatoninMelatonin Melatonin – ein Hormon, welches den Tag-Nacht-Rhythmus steuert – wird größtenteils im Gehirn durch die Zirbeldrüse synthetisiert. Seine Ausschüttung ist abhängig von der Tageslichtmenge, die auf die Netzhaut des Auges fällt. Dunkelheit regt die Ausschüttung an, weswegen es auch Schlafhormon genannt wird. Melatonin wird in letzter Zeit vermehrt als Wundermittel gehandelt. Es soll zusätzlich zu Schlafstörungen als Anti-Aging-Agenz und gegen Krebs wirken. In Deutschland wurde bisher nur ein Medikament mit Melatonin zugelassen. Dies ausschließlich zur kurzfristigen Einnahme von Patienten über 55, bei denen eine (auf keiner Krankheit beruhende) Schlafstörung besteht. Hochdosierte Melatonin-Präparate sind zudem verschreibungspflichtig. Über die schlafstimulierende Wirkung hinausgehende Anwendungen sind bisher nur unzureichend untersucht. Dies gilt ebenso für Langzeit-, Neben- und Wechselwirkungen des Hormons sowie für die Einnahme durch Schwangere und Stillende. Ungeachtet dessen wird das Hormon in Form von Nahrungsergänzungsmitteln und Sprays vertrieben. gebildet werden kann.“

Tatsächlich scheint es einen Zusammenhang zwischen dem Serotoninspiegel und PMS zu geben. Es gibt jedoch keine verlässlichen Studien dazu, ob L-Tryptophan sich positiv auf PMS auswirkt. L-Tryptophan ist eine Vorstufe von Melatonin. Doch warum dies bei PMS helfen sollte, wird aus der Antwort von fembites nicht deutlich. Insbesondere, da – wie oben erwähnt – die EFSA es nicht als erwiesen ansieht, dass L-Tryptophan für besseren Schlaf sorgt.

Studien zur Hagebutte

Auch für die Hagebutte gibt es zwei Studien auf der Website; z.B. eine, in der antientzündliche Effekte der Frucht bei Ratten untersucht wurden.2https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0378874111004818 Die zweite – aus dem Jahr 2011 – schaute sich unter Laborbedingungen antioxidative Eigenschaften der Pflanze an. Ob und wie Hagebutten PMS beim Menschen beeinflusst – darauf geben beide Studien keine Antwort. Das liegt vielleicht daran, dass es generell kaum seriöse Studien zu dem Thema gibt. Das scheint die Firma zu wissen, da sie MedWatch schreibt: „Da der weibliche Körper dennoch stark unerforscht ist, machen wir es uns zur Aufgabe, die Beschwerdebilder bei PMS aufzuarbeiten und den weiblichen Körper individuell zu unterstützen.“

Studien zur Heilknolle

Aber womit? Bleibt noch die „Heilknolle“ Maca. Fembites nennt eine Studie aus dem Jahr 2014, in der Maca das luteinisierende Hormon (LH) bei Ratten erhöht. Damit könnte Maca im Menschen einen Effekt auf die Fertilität haben, schreiben die Autor:innen. PMS suchen wir im Text erneut vergeblich. Bei der zweiten Maca-Studie ging Fembites wohl die Luft aus, denn auf der Website fehlen Teile des Titels, das Jahr und der Name des Journals. Wer die Studie trotzdem findet, lernt, dass Maca als Alternative zu einer Hormonersatztherapie für Frauen in der Perimenopause untersucht wurde. Fembites schreibt auf Nachfrage: „Maca ist als Adaptogen bekannt und wird nicht nur bei PMS, sondern auch unter anderem bei der Menopause eingesetzt, hierzu gibt es eine breite wissenschaftliche Evidenzbasis.“ Doch bei der Menopause handelt es sich eben nicht um PMS, weshalb sich Studienergebnisse nicht einfach übertragen lassen.

Auf ihrer Website verspricht Fembites: „No Bullshit“ und darunter: „Wir entwickeln nur Produkte auf Basis aktuellster Studien“. Die sind allerdings weder sonderlich aktuell noch relevant bei Hagebutte und Maca, wenn es um PMS geht. 

Fazit: Viel Geld für wenig Evidenz. Wer unter PMS-Beschwerden leidet, sollte darüber lieber mit einem:r Gynäkolog:in sprechen.


HeilsteineHeilsteine Als Heilsteine werden Mineralien, Gesteine und Fossilien bezeichnet, die – vor allem in esoterischen und pseudowissenschaftlichen Kreisen – zur Behandlung bzw. Heilung von physischen und psychischen Krankheiten eingesetzt werden. Bereits Hildegard von Bingen führte Steine mit besonderen Kräften auf. Bei ihr handelte es sich um Mineralien, die in der Bibel Erwähnung finden. Die Wirkweise dieser Steine wurde ihr in Visionen übermittelt. Heutzutage gehen Verfechter der Heilsteintherapie hingegen davon aus, dass von den Steinen energetische Schwingungen ausgesandt werden, die der Symptombehandlung dienen. Diese Wirkungen sind bislang weder wissenschaftlich nachweisbar noch medizinisch anerkannt. gegen PMS

Ebenfalls gegen PMS-Beschwerden soll ein hübsches Armband wirken. Die Influencerin je_suis_marlis erklärt auf Instagram, das von ihr verkaufte Schmuckstück mit Aquamarin, Hämatit und Amazonit sei ein „super Begleiter“ bei PMS. Es gibt jedoch keine Evidenz, dass sogenannte „Heilsteine“ irgendeine Wirkung haben, weder auf PMS noch auf andere körperliche Beschwerden.

Das stellt auch ein Urteil des Landgerichts Hamburg aus dem Jahr 2008 fest. Es untersagte einer Online-Händlerin, „Steinen krankheitsvorbeugende und/oder krankheitslindernde und/oder krankheitsheilende Wirkung zuzuschreiben“. Denn, so steht im Urteil: „Aus wissenschaftlicher Sicht bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sog. ‚Heilsteine‘ Krankheiten vorbeugen, lindern oder heilen können.“

Weil es keinen Anhaltspunkt gibt, warum Steine irgendeine Wirkung haben sollten, fehlen auch hochwertige Studien. Einige Forscher:innen haben trotzdem ein bisschen herumprobiert. So etwa der Psychologe Christopher French von der Goldsmiths University in London. Auf der British Psychological Society Centenary Annual Conference im Jahr 20013https://explore.bps.org.uk/content/bpshpu/28/3/104https://www.gold.ac.uk/apru/pubs/conferences/ präsentierte er seinen Versuch. 80 Menschen sollten 5 Minuten mit einem Stein meditieren. Zuvor erfuhren sie, welche Effekte diese Steine haben könnten, etwa mehr Konzentration und Energie. Das Ergebnis: Die „richtigen” Heilsteine „wirkten“ genauso gut (oder schlecht) wie Steine aus Glas – ein klassischer Placebo-Effekt. Die Studie wurde nie publiziert.

Heilsteine gegen Asthma

Der Placebo-Effekt erklärt auch ein zweites Video der Influencerin. Dort erzählt sie, sie habe „ganz schlimmes Asthma“. Einmal sei sie jedoch „zu faul gewesen”, um ihr Asthma-Medikament zu holen. Sie habe gemerkt, dass ihre Lunge sich zusammenkrampfte. Doch mit einem Apophyllit auf der Brust, „ein absoluter Ober-Asthma-Stein“, seien diese Symptome wieder verschwunden. Darunter schreibt je_suis_marlis: „Asthma Adeeeee!!!!“ Aber ist das so einfach? Was kann passieren, wenn ein:e Asthma-Patient:in auf einen „Heilstein“ setzt und Medikamente nicht regelmäßig oder gar nicht nimmt? Ein Beispiel: Asthmatiker:innen sind anfälliger für eine Pneumokokken-Infektion als gesunde Menschen. Wird Asthma nicht medikamentös behandelt, steigt das Risiko weiter.5https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0012369213601014 Nicht zuletzt ist es eine potenziell tödliche Krankheit. Laut Robert-Koch-Institut starben im Jahr 2015 mehr als tausend Menschen an Asthma. Es ist daher dringend davon abzuraten, sich auf die vermeintliche Wirkung eines Steins zu verlassen. Womit „je_suis_marlis“ ihre Empfehlungen belegt, hat sie MedWatch nicht beantwortet.


MedWatch akut: Die schnelle Hilfe gegen falsche Gesundheitsversprechen

In diesem Format widmen wir uns jeweils zwei bis drei Beiträgen, die uns in den sozialen Medien aufgefallen sind und auf die wir besonders schnell reagieren möchten. Journalistische Standards halten wir dabei trotzdem ein. So werden etwa die betroffenen Influencer:innen und Unternehmen immer vor Veröffentlichung konfrontiert.

Ihnen ist ein Video oder Posting aufgefallen, auf das wir schnell reagieren sollen? Dann melden Sie sich gerne beim Team von MedWatch akut. Sie erreichen uns über akut@medwatch.de oder direkt bei Instagram, TikTok, X und Bluesky.


Redaktion: Sigrid März, Marie Eickhoff, Nicole Hagen

  • 1
    Eine ist eine Laborstudie zum polyzytischen Ovarialsyndrom (PCOS), die andere ist eine Übersichtsstudie zum Einfluss von L-Tryptophan auf die Stimmung gesunder Erwachsener.
  • 2
    https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0378874111004818
  • 3
    https://explore.bps.org.uk/content/bpshpu/28/3/10
  • 4
    https://www.gold.ac.uk/apru/pubs/conferences/
  • 5
    https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0012369213601014