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Klick mit Risiken und Nebenwirkungen Medikamente ohne Rezept online bestellen

Geöffneter Laptop auf einem Tisch, daneben ein Handy. Auf dem Bislschirm des Laptops und groß Pillen und Tabletten
Per Klick Arzneimittel shoppen, auch ohne Rezept. Das kann ungesund werden. © Tumisu / Pixabay

Zahlreiche Online-Plattformen versprechen, verschreibungspflichtige Medikamente zu liefern – auch ohne Rezept. Auf diesem Weg bringen kriminelle Organisationen gefälschte und minderwertige ArzneimittelArzneimittel Arzneimittel sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die angewandt werden, um Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder Beschwerden zu heilen, zu lindern oder zu verhüten. Es kann sich hierbei ebenfalls um Mittel handeln, die dafür sorgen, dass Krankheiten oder Beschwerden gar nicht erst auftreten. Die Definition beinhaltet ebenso Substanzen, die der Diagnose einer Krankheit nutzen oder seelische Zustände beeinflussen. Die Mittel können dabei im Körper oder auch am Körper wirken. Das gilt sowohl für die Anwendung beim Menschen als auch beim Tier. Die gesetzliche Definition von Arzneimitteln ist im § 2 Arzneimittelgesetz (AMG) enthalten. auf den Markt. Andere Betreiber bieten Arzneimittel nach Ausfüllen eines Fragebogens an. Auch hier ist Vorsicht geboten. Medwatch hat sich auf verschiedenen Webseiten umgesehen.

Spätestens seit der PandemiePandemie Pandemie bezeichnet eine globale Epidemie, eine zeitlich begrenzte und zugleich weltweit stattfindende Infektionskrankheit. Fehlende Grundimmunitäten gegen, z.B. neu mutierte, Bakterien- oder Virenstämme erhöhen Infektions- und Todesraten. Während einer Pandemie mit schweren Krankheitsverläufen sind Überlastungen von Gesundheitsversorgungsstrukturen und des öffentlichen Lebens schnell erreicht. Bekannte Beispiele für durch Viren hervorgerufene Pandemien sind HIV (seit den 80er Jahren), das Influenza-A-Virus (H1N1) von 2009 sowie Corona (seit 2019). Der weltweite Handel, eine globale Mobilität sowie immer weniger Rückzugsorte für andere Lebewesen begünstigen nicht nur die Entstehung von Infektionskrankheiten, sondern auch deren Ausbreitung. Die WHO kontrolliert in einem ständigen Prozess das Auftreten und die Verbreitung von Infektionskrankheiten, die potentiell epidemisch oder pandemisch werden könnten. ist Online-Shopping zur Lieblingsbeschäftigung für Menschen jeglichen Alters geworden – auch im Gesundheitssektor. Laut einem Marktbericht des US-amerikanischen Auftragsforschungsunternehmens IQVIA wuchs im ersten Quartal 2022 der Absatz online freiverkäuflicher Arzneimittel im zweistelligen Prozentbereich.

Unzählige Webseiten versprechen: Auch verschreibungspflichtige Medikamente auf Rezept können Verbraucher:innen bequem von zu Hause bestellen – und das ganz ohne Arztgespräch. Im Sortiment: BenzodiazepineBenzodiazepine Bei Benzodiazepinen handelt es sich um verschreibungspflichtige Medikamente, die als Schlaf- oder Beruhigungsmittel in der Medizin gegen Angst- und Schlafstörungen eingesetzt werden. Der bekannteste Vertreter dieser Tranquilizer ist wohl Valium®. Benzodiazepine wirken angstlösend, beruhigend und muskelentspannend, teilweise auch krampflösend. Die psychoaktiven Substanzen binden an spezifische Rezeptoren, wodurch es zu einer gedämpften Aktivität bestimmter Hirnareale kommt. Diese Wirkweise sorgt für eine verminderte Antwort auf emotionale und psychische Reize. Auf Grund dessen, kommt es bei höheren Dosierungen zu Benommenheit, Niedergeschlagenheit und auch zu Gedächtnislücken. In Kombination mit anderen Substanzen kann ein Atem- und Herzstillstand folgen., Antidepressiva, Potenzmittel oder Arzneimittel zur Gewichtsreduktion. 

In Deutschland dürfen nur Apotheken mit einer Versandhandelserlaubnis mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln handeln. Sie müssen von approbierten Apotheker:innen betrieben werden.

Um Verbraucher:innen innerhalb der EU eine Orientierung zu geben, welche Online-ApothekenOnline-Apotheken Eine Online-Apotheke betreibt einen Apotheken-Versandhandel im Internet. Sie unterliegt den gleichen Gesetzen wie Vor-Ort-Apotheken. Die Preise für verschreibungspflichtige Medikamente sind vorgegeben und festgesetzt. Bei rezeptfreien Arzneimitteln dürfen die Preise variieren. In Deutschland dürfen nur zugelassene Präsenzapotheken einen Online-Versandhandel betreiben. Eine vertrauenswürdige Online-Apotheke zeigt ein europaweit einheitliches Sicherheitslogo, direkt verlinkt mit dem Versandregister des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Es handelt sich hierbei um ein Icon mit grünen Streifen, überlagert von einem weißen Kreuz, zusätzlich versehen mit der Flagge des Ursprungslandes der Online-Apotheke. In der jeweiligen Landessprache ist darauf zu lesen: »Zur Überprüfung der Legalität dieser Website hier klicken«. vertrauenswürdig sind, führte die europäische Arzneimittelbehörde EMAEMA Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) gewährleistet die wissenschaftliche Bewertung, Überwachung und Sicherheitsüberprüfung von Human- und Tierarzneimitteln in der Europäischen Union, sie erleichtert die Entwicklung und Zugänglichkeit von Arzneimitteln und informiert Beschäftigte im Gesundheitswesen sowie Patienten. Darüber hinaus berät und unterstützt sie pharmazeutische Unternehmen im Bereich Forschung und Entwicklung. Sie ist vor allem für die europäische Zulassung von Arzneimitteln zuständig und überprüft diese auch nach der Einführung auf ihre Sicherheit. Dafür hat sie ein Pharmakovigilanz-Netzwerk eingerichtet. Der ursprüngliche Sitz der EMA war London, seit 2019 ist sie in Amsterdam verortet. 2015 ein Sicherheitslogo ein. Mit einem Klick auf das Logo erfahren die Nutzer:innen: Wer hier bestellt, erhält ein Arzneimittel einer legal agierenden Apotheke.

Medikamente ohne Rezept bestellen per Fragebogen

Doch das Logo allein schützt die Verbraucher:innen nicht vor allen Schäden durch online erworbene Arzneimittel. Google verweist bei Suchbegriffen wie „Arzneimittel kaufen ohne Rezept“ schnell auf Seiten wie Dokteronline1https://www.dokteronline.com/de/. Die Betreiber sitzen offiziell auf der karibischen Insel Curaçao. Allein im Juli 2022 besuchten die Website mehr als eine halbe Million Nutzer:innen2https://www.similarweb.com/de/website/dokteronline.com/#demographics, rund die Hälfte davon aus Deutschland.

Wer hier ein rezeptpflichtiges Arzneimittel ohne Rezept erwerben will, muss lediglich einen Fragebogen ausfüllen. Die Anbieter versprechen, dass ein:e Ärzt:in die Bögen auswertet. Die Bestellung löst die niederländische „Apotheek Bad Nieuweschans“ ein. Auf der Webseite der Apotheke3https://www.apons.eu/findet sich ebenso wie auf Dokteronline.com das Sicherheitslogo der EMA.

Der fiktive, betagte Patient „Norbert“ entsteht in den Köpfen der Medwatch-Redaktion. Er ist fast zwei Meter groß und wiegt 98 Kilogramm. Gegen seine Harnwegsinfektion bestellen wir bei Dokteronline das Antibiotikum Ciprofloxacin. Dafür sind nur wenige Klicks nötig. 

Ciprofloxacin soll bei Infektionen nur dann eingesetzt werden, wenn andere Therapien versagen. Denn unter dem Wirkstoff können schwere Nebenwirkungen auftreten, etwa Erweiterungen der Hauptschlagader oder Risse der Achillessehnen.

Die Betreiber rechnen das rezeptpflichtige Arzneimittel ohne Rezept und eine Arztgebühr ab, insgesamt 38,20 Euro. Zehn Tage später erreicht uns eine Packung mit 20 Tabletten, die jeweils 250 mg Ciproflaxin des Herstellers Aliud Pharma enthalten. Die Auskunft des Arztes „Dr. I Malik“ erreicht uns per E-Mail. Sie umfasst die Info „zweimal täglich für fünf bis sieben Tage“ und den Hinweis, die Arznei nur einzunehmen, wenn von einem Arzt dazu geraten wurde.

Wer haftet bei einer falschen Verschreibung?

Laut eines Urteils des Oberlandesgerichts Köln entspricht dieses Vorgehen nicht dem fachlichen Standard. Zwei Apothekerkammern in Nordrhein-Westfalen hatten den Arzneimittelversender Shop Apotheke verklagt, weil die Firma eine Kooperation mit dem Telemedizinanbieter ZAVA beworben hatte. Auch Fragebögen dienten bei dieser Zusammenarbeit als Grundlage einer Diagnose. Shop Apotheke legte Berufung gegen die Klage ein, die das Oberlandesgericht Köln zurückwies. Laut Urteil ist die Werbung für die Fragebögen unzulässig.

Die Begründung: Einerseits habe die Ärzt:in bei einem Online-Fragebogen keine Möglichkeit, etwa Gestik und Mimik der Patient:in zu beobachten oder nachzufragen.  Andererseits sei „die Fehlerquote zur Einschätzung der richtigen Indikation […] erhöht.“ Deshalb steige die Gefahr, dass aufgrund von fehlerhaften Angaben ein falsches Rezept ausgestellt werde oder Nebenwirkungen und allergische Reaktionen aufträten.

Im SWR-Format „Marktcheck“ erklärte Konstantin Dietrich von der Verbraucherzentrale Berlin: In diesem Fall könnten Patienten juristische Konsequenzen eventuell nur schwer geltend machen. Bei Verschreibungsfehlern läge die Haftung zwar bei den behandelnden Ärzt:innen. „Es könnte hier aber sein, dass die Person im EU-Ausland sitzt und dadurch schwer zu erreichen ist“, sagte Dietrich dem SWR.

Bei einer Fehlverschreibung oder der falschen Dosierung setzen sich Verbraucher einem gesundheitlichen Risiko aus. Unser Tipp: Sprechen Sie mit Mediziner:innen, bevor Sie ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel einnehmen möchten.

Illegale Webshops: Rund die Hälfte der Medikamente gefälscht

Die Google-Suche nach Shops für verschreibungspflichtige Arzneimittel führt neben Dokteronline zu vielen weiteren Angeboten. Unzählige von ihnen bieten rezeptpflichtige Medikamente ohne Rezept für Patienten an.

Hinter den Webseiten stehen keine zugelassenen Apotheken, sondern kriminelle Netzwerke. Über die illegalen Wege eröffnet sich für sie eine Möglichkeit, gefälschte und minderwertige Arzneimittel auf den sonst streng regulierten europäischen Markt zu bringen.

Die zwischenstaatliche Organisation Interpol versucht, diesen illegalen Handel zu unterbinden. 2022 nahmen 94 Länder an der „Operation Pangea XV“ teil. Die Strafverfolgungsbehörden konfiszierten in nur einer Woche mehr als 7.800 Medikamentenpackungen und entfernten 4.000 Weblinks. Fast die Hälfte der beschlagnahmten Packungen enthielten illegale oder gefälschte Arzneimittel.

Oft verkaufen die Webshops Potenzmittel wie Sildenafil (Viagra) oder Tadalafil (Cialis). Seit 2022 vertreiben illegale Seiten auch vermehrt gefälschte COVID-19Covid-19 COVID-19 ist ein Akronym für die englische Bezeichnung Coronavirus Disease 2019, was so viel wie Corona-Virus-Krankheit 2019 heißt. Sie wird von dem neuen Beta-Coronavirus SARS-CoV-2 und seinen Varianten ausgelöst. Eine Erkrankung mit COVID-19 äußert sich zumeist – ca. vier bis sechs Tage nach Infektion – relativ unspezifisch durch Husten, Schnupfen, Halsschmerzen und Fieber sowie Störungen des Geruchs- und/oder Geschmackssinns. Atemnot, Kopf- und Gliederschmerzen, allgemeine Schwäche oder auch Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Appetitlosigkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfall können hinzukommen. Die Symptome können je nach Virusvariante variieren. Auch schwere Verläufe mit Aufenthalten auf der Intensivstation bis hin zum Tod sind möglich.-Arzneimittel und CoronaCorona Mit Corona bezeichnet die Allgemeinbevölkerung zumeist SARS-CoV-2 (Severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2). Es ist ein neues Beta-Coronavirus, welches zu Beginn des Jahres 2020 als Auslöser der Krankheit COVID-19 identifiziert wurde. Coronaviren waren schon vor 2020 altbekannt. In Menschen verursachen sie vorwiegend milde Erkältungskrankheiten (teils auch schwere Lungenentzündungen) und auch andere Wirte werden von ihnen befallen. SARS-CoV-2 hingegen verursacht wesentlich schwerere Krankheitsverläufe, mit Aufenthalten auf der Intensivstation bis hin zum Tod. Der Virusstamm entwickelte und entwickelt seit seiner Entdeckung verschiedene Virusvarianten, die in ihren Aminosäuren Austausche aufweisen, was zu unterschiedlichen Eigenschaften bezüglich ihrer Infektiosität und der Schwere eines Krankheitsverlaufes führt. Seit Dezember 2020 steht in Deutschland ein Impfstoff gegen SARS-CoV-2 zur Verfügung.-Diagnostika. 

Online-Handel mit Medikamenten ohne Rezept bleibt trotz Interpol

Trotz solcher Aktionen wie der von Interpol blüht der Handel mit illegalen Medikamenten. Verschwinden Plattformen an der einen Ecke, tauchen sie an einer anderen direkt wieder auf. Medwatch sah sich eine dieser Websites genauer an.

Die Händler vertreiben ein breites Sortiment an Medikamenten gegen Erektionsstörungen. Auch Mittel zum Abnehmen bietet das Portal an, etwa Lida Daidaihua. Die Betreiber bewerben das Produkt als „natürliches pflanzliches Mittel“, das nach Vorschriften der traditionellen chinesischen Medizin hergestellt wird.

Drei Wochen nach der Bestellung erreichte uns eine Packung Lida Daidaihua. In türkischer Sprache informiert ein Aufdruck auf den blau-silbernen Blistern: „Schlankheitskapseln, eine PillePille Hormonelles Verhütungsmittel – Kontrazeptivum – mit dem der Eisprung verhindert wird. Im Allgemeinen handelt es sich hierbei um ein Östrogen-Gestagen-Kombinationspräparat. Daneben gibt es reine Gestagen-Produkte. täglich“.

Überwachungsbehörden warnen seit Jahren vor den Diätkapseln. Wiederholt hatten sie chemische Zusätze in den Kapseln gefunden, wie etwa im Jahr 2015 die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA. Das untersuchte Präparat Lida Daidaihua enthielt das Amphetamin-Derivat Sibutramin.

Als Arzneistoff ist Sibutramin in den USA und der Europäischen Union nicht mehr zugelassen, nachdem Kontrollbehörden im Zusammenhang mit der Einnahme schwere Nebenwirkungen sowie Todesfälle registriert hatten. Häufige Nebenwirkungen sind erhöhter Blutdruck, trockener Mund, Schlafstörungen und Herzrasen. Das Deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und MedizinprodukteMedizinprodukte Medizinprodukte sind z.B. Implantate, Katheder, Infusionen, Herzschrittmacher und Co. Sie definieren sich durch eine vom jeweiligen Hersteller bestimmte medizinische Zweckbestimmung für die Anwendung beim Menschen. Anders als bei Arzneimitteln entfaltet sich ihre Hauptwirkung auf physikalische Weise. Verschiedenste Vorgaben regeln das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von Medizinprodukten. Dadurch soll für die Sicherheit und Eignung der Medizinprodukte gesorgt werden. Es geht hierbei zudem um den Schutz von Patienten, Anwendern und Dritter. (BfArMBfArM Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ist zuständig für die Zulassung und Registrierung von Arzneimitteln, Arzneimittelsicherheit (Pharmakovigilanz) sowie für die Risikoerfassung und -bewertung von Medizinprodukten. Es regelt sowohl das legale Inverkehrbringen von Betäubungsmitteln und ihren Ausgangsstoffen als auch deren Herstellung, Anbau und Handel. Das BfArM agiert ebenso dafür Forschung und regulierende Tätigkeiten miteinander zu vernetzen.) erfasste auch Herzinfarkte nach der Einnahme von Sibutramin.

Unser Tipp: Auf sichere Quellen setzen!

Über den illegalen Online-Handel bringen kriminelle Netzwerke neben gefälschten oder minderwertigen Arzneimitteln auch Medikamente in Umlauf, die hierzulande wegen eines zu hohen Risikos nicht mehr zugelassen sind.

Verunreinigungen oder falsche Wirkstoffe können den Verbraucher:innen schaden. Eine schlechte Qualität erkennt ein Laie nicht unbedingt. Selbst bei korrektem Wirkstoff kann die Wirkung gefälschter Arzneimittel verspätet einsetzen, was die Gefahr erhöht, dass Verbraucher erneut zur Tablette greifen. Die Gefahr für Nebenwirkungen steigt.

Erwerben Sie Ihre Arzneimittel deshalb bei vertrauenswürdigen Quellen, wie öffentlichen Apotheken oder Online-Apotheken mit entsprechender Versandhandelslizenz.


Redaktion: Nicole Hagen, Nicola Kuhrt und Sigrid März

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    https://www.dokteronline.com/de/
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    https://www.similarweb.com/de/website/dokteronline.com/#demographics
  • 3
    https://www.apons.eu/