Kaum ein Wirkstoff ist derzeit so populär wie SemaglutidSemaglutid Semaglutid ist ein sogenannter GLP-1-Rezeptor-Agonist. Solche Wirkstoffe ahmen natürliche Darmhormone nach, die der Körper ausschüttet, wenn er Nahrung aufgenommen hat.. Einen Boom erlebte die ursprünglich für Diabetiker:innen entwickelte Substanz mit dem Handelsnamen Ozempic als „Abnehm-Spritze“. Arzneimittelfälscher wittern das große Geld und bringen Spritzen in Umlauf, die statt Semaglutid Insulin enthalten. Diese Fälschungen kosteten in Österreich mehreren Menschen fast das Leben.
Über gefälschtes Ozempic in Deutschland berichtete das Bundesinstitut für ArzneimittelArzneimittel Arzneimittel sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die angewandt werden, um Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder Beschwerden zu heilen, zu lindern oder zu verhüten. Es kann sich hierbei ebenfalls um Mittel handeln, die dafür sorgen, dass Krankheiten oder Beschwerden gar nicht erst auftreten. Die Definition beinhaltet ebenso Substanzen, die der Diagnose einer Krankheit nutzen oder seelische Zustände beeinflussen. Die Mittel können dabei im Körper oder auch am Körper wirken. Das gilt sowohl für die Anwendung beim Menschen als auch beim Tier. Die gesetzliche Definition von Arzneimitteln ist im § 2 Arzneimittelgesetz (AMG) enthalten. und MedizinprodukteMedizinprodukte Medizinprodukte sind z.B. Implantate, Katheder, Infusionen, Herzschrittmacher und Co. Sie definieren sich durch eine vom jeweiligen Hersteller bestimmte medizinische Zweckbestimmung für die Anwendung beim Menschen. Anders als bei Arzneimitteln entfaltet sich ihre Hauptwirkung auf physikalische Weise. Verschiedenste Vorgaben regeln das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von Medizinprodukten. Dadurch soll für die Sicherheit und Eignung der Medizinprodukte gesorgt werden. Es geht hierbei zudem um den Schutz von Patienten, Anwendern und Dritter. (BfArMBfArM Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ist zuständig für die Zulassung und Registrierung von Arzneimitteln, Arzneimittelsicherheit (Pharmakovigilanz) sowie für die Risikoerfassung und -bewertung von Medizinprodukten. Es regelt sowohl das legale Inverkehrbringen von Betäubungsmitteln und ihren Ausgangsstoffen als auch deren Herstellung, Anbau und Handel. Das BfArM agiert ebenso dafür Forschung und regulierende Tätigkeiten miteinander zu vernetzen.) erstmals am 6. Oktober 2023. Das BfArM bestätigte nun auf seiner Website, dass in den Fertigpens – also Einmalspritzen – nicht der Ozempic-Wirkstoff Semaglutid enthalten ist, sondern Insulin. Insulin senkt den Blutzucker. Es wird Diabetikern verabreicht, die entweder selbst kein Insulin bilden können oder bei denen das Insulin weniger stark den Blutzucker senkt.
Mutmaßlich haben Fälscher Insulin-Pens lediglich mit Etiketten von Ozempic versehen. Wer so einen Pen nutzt, läuft Gefahr, zu unterzuckern. Das kann im schlimmsten Fall tödlich enden.
Woher kommen die gefälschten Ozempic-Pens?
Die Spur der gefälschten Produkte ist unübersichtlich. Ein Pharmagroßhändler in Großbritannien hatte die Fälschungen entdeckt, die ihm zuvor ein weiterer Großhändler mit Sitz im deutschen Lörrach lieferte. Der Geschäftsführer der deutschen Firma (Pharma MedTech) gab an, am 27. September selbst das BfArM über den Vorfall informiert zu haben.
Laut Recherchen von NDRNDR NDR – Norddeutsche Rundfunkanstalt – produziert Inhalte für das Fernsehen, den Hörfunk sowie Online mit Sitz in Hamburg (Lokstedt). Der NDR ist eine gemeinsame Landesrundfunkanstalt der Länder Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen sowie Schleswig-Holstein., WDR und SZ stammen die Lieferungen zum Großhändler in Lörrach wiederum vom österreichischen Pharmagroßhändler „AZ Naturemed“.1https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/abnehmen-spritzen-praeparate-faelschungen-100.html Neben Arzneimitteln und CannabisCannabis Cannabis gehört zu den weltweit am weitesten verbreiteten Suchtmitteln. Es wird hauptsächlich rauchend konsumiert und aus der Cannabispflanze gewonnen, die zur Gattung der Hanfgewächse gehört. Die Pflanze besitzt fast hundert verschiedene Cannabinoide, von denen einige psychoaktiv – rauscherzeugend – wirken. Das bekannteste Cannabinoid ist THC. Cannabis birgt die Gefahr der Abhängigkeit und kann nach regelmäßigem Konsum sogar Psychosen verursachen. Auf Grund einer therapeutischen Wirkung (z.B. gegen Übelkeit bei einer Chemotherapie) ist 2017 ist das Gesetz "Cannabis als Medizin" in Kraft getreten. Es regelt in Einzelfällen den Einsatz von Cannabis als Arzneimitteln bei schwerwiegenden Erkrankungen.-Produkten vertreibt diese Firma auch Homöopathika und esoterische Heilmittel wie „Druidenpflanzen“. Bereits am 9. Oktober entzog das österreichische Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen der Firma die Großhandelszulassung. Unklar ist, ob AZ Naturemed die Fälschungen lediglich einkaufte oder selbst herstellte. Die Staatsanwaltschaft Steyr ermittelt.
Dem BfArM liegen keine Informationen vor, dass in Deutschland Personen eine Fälschung erhalten haben. In Österreich hingegen mussten mehrere Patient:innen wegen des falschen Wirkstoffs intensivmedizinisch behandelt werden.2https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2023/10/24/ozempic-faelschungen-sorgen-fuer-mehrere-krankenhaus-faelle Sie alle hatten das vermeintliche Ozempic von ein und demselben Schönheitschirurgen bezogen. Mittlerweile entdeckten auch Arzneimittelbehörden in den USA Fälschungen.3https://nypost.com/2023/11/08/lifestyle/fda-is-investigating-deaths-and-hospitalizations-caused-by-fake-ozempic-reports/ Sie stehen in Verbindung mit dem Tod zweier Frauen.
Der Ozempic-Boom
Fälschungen sind in der EU seltener
In Ländern mit weniger finanziellen Ressourcen finden sich gefälschte Medikamente häufiger als in Deutschland. Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO sind in Ländern mit mittlerem und geringem Einkommen rund 10 Prozent aller Arzneimittel auf dem Markt minderwertig oder gefälscht.
Als wichtigste Ursache für das Problem sehen Expert:innen die mangelnde Verfügbarkeit vieler Arzneimittel in diesen Ländern. Bei leeren Regalen behelfen sich Menschen oft mit Produkten nicht-registrierter Händler, bei denen Kriminelle einfacher Fälschungen einschleusen können. Sie machen damit mehr Gewinn als im Drogenhandel und es droht eine im Vergleich geringere Strafverfolgung.
In der EU ist nicht nur die Medikamenten-Verfügbarkeit oft besser. Ebenso ist der legale Arzneimittelmarkt besser vor Fälschungen abgesichert. Seit 2019 müssen hier verschreibungspflichtige Arzneimittel fälschungssicher verpackt und mit einem eindeutigen Code versehen werden. Die Hersteller hinterlegen die Daten jeder Verpackung auf einer verschlüsselten Datenbank. Großhändler und Apotheken prüfen die Medikamente auf Echtheit, indem sie den Code auf den Packungen einscannen und so auf die verschlüsselten Verpackungsdaten zugreifen.
Leichter können kriminelle Organisationen Fälschungen über den illegalen Arzneimittelmarkt einschleusen, insbesondere über nicht-registrierte Onlineapotheken. Am häufigsten werden hier Lifestyle-Medikamente gefälscht, darunter Potenzmittel, Steroide zum Muskelaufbau und neuerdings auch moderne Abnehmmittel wie Ozempic.
Sie können sich vor Fälschungen schützen, indem Sie bei Arzneimitteln auf vertrauenswürdige Quellen setzen. Dazu zählen öffentliche Apotheken oder Online-ApothekenOnline-Apotheken Eine Online-Apotheke betreibt einen Apotheken-Versandhandel im Internet. Sie unterliegt den gleichen Gesetzen wie Vor-Ort-Apotheken. Die Preise für verschreibungspflichtige Medikamente sind vorgegeben und festgesetzt. Bei rezeptfreien Arzneimitteln dürfen die Preise variieren. In Deutschland dürfen nur zugelassene Präsenzapotheken einen Online-Versandhandel betreiben. Eine vertrauenswürdige Online-Apotheke zeigt ein europaweit einheitliches Sicherheitslogo, direkt verlinkt mit dem Versandregister des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Es handelt sich hierbei um ein Icon mit grünen Streifen, überlagert von einem weißen Kreuz, zusätzlich versehen mit der Flagge des Ursprungslandes der Online-Apotheke. In der jeweiligen Landessprache ist darauf zu lesen: »Zur Überprüfung der Legalität dieser Website hier klicken«. mit entsprechender Versandhandelslizenz.
Redaktion: Sigrid März, Marie Eickhoff, Nicole Hagen
- 1https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/abnehmen-spritzen-praeparate-faelschungen-100.html
- 2https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2023/10/24/ozempic-faelschungen-sorgen-fuer-mehrere-krankenhaus-faelle
- 3https://nypost.com/2023/11/08/lifestyle/fda-is-investigating-deaths-and-hospitalizations-caused-by-fake-ozempic-reports/
