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Sanacorp Homepage-Service: Zweifelhafte Quellen Text auf Website hunderter Apotheken befeuert Impf-Skeptiker

Eine Hand mit Latexhandschuh hält eine Spritze vor einen freigelegten Oberarm.
Corona-Impfung in der Apotheke: Möglich seit Februar. © Friso Gentsch / dpa

Apotheken bieten Menschen nicht erst seit der PandemiePandemie Pandemie bezeichnet eine globale Epidemie, eine zeitlich begrenzte und zugleich weltweit stattfindende Infektionskrankheit. Fehlende Grundimmunitäten gegen, z.B. neu mutierte, Bakterien- oder Virenstämme erhöhen Infektions- und Todesraten. Während einer Pandemie mit schweren Krankheitsverläufen sind Überlastungen von Gesundheitsversorgungsstrukturen und des öffentlichen Lebens schnell erreicht. Bekannte Beispiele für durch Viren hervorgerufene Pandemien sind HIV (seit den 80er Jahren), das Influenza-A-Virus (H1N1) von 2009 sowie Corona (seit 2019). Der weltweite Handel, eine globale Mobilität sowie immer weniger Rückzugsorte für andere Lebewesen begünstigen nicht nur die Entstehung von Infektionskrankheiten, sondern auch deren Ausbreitung. Die WHO kontrolliert in einem ständigen Prozess das Auftreten und die Verbreitung von Infektionskrankheiten, die potentiell epidemisch oder pandemisch werden könnten. Beratung in gesundheitlichen Fragen. Auch zu Impfungen beraten sie. Auf hunderten Apotheken-Websites zweifelte ein Text die Effektivität und Sicherheit von Impfstoffen an und verwies auf Literatur umstrittener Impf-Skeptiker. Verantwortlich ist ein Homepage-Service des Pharma-Großhandels SanacorpSanacorp . Betroffene Apotheken überraschten die Inhalte.

Jährlich verhindern Impfungen vier bis fünf Millionen Todesfälle.1https://www.who.int/news-room/facts-in-pictures/detail/immunization Dennoch werden Impfkampagnen oft begleitet von zahlreichen Falschinformationen und überproportional vielen Meldungen über angeblich schwere Nebenwirkungen.

Verunsicherte suchen sich Rat in ihren wohnortnahen Apotheken. Wer sich aber bis zum 8. Juni 2022 auf den Websites hunderter Apotheken über Impfungen informierte, las folgende Überschrift: „Impfungen – erst aufklären, dann entscheiden!“ Im Text darunter folgen Sätze, die einen Zweifel an der Wirksamkeit und Sicherheit von Impfungen erkennen lassen: „Bei Erreichen hoher Durchimpfungsraten soll es – so die Lehrmeinung – möglich sein, einzelne Krankheitserreger regional zu eliminieren und schließlich weltweit auszurotten.“ Impfungen würden vor Erkrankungen schützen, könnten aber auch bei gesunden Kindern „zu Behinderungen und schlimmstenfalls zum Tod führen“.

Quellen der Impf-Skeptiker wissenschaftlich zweifelhaft

Im Anschluss folgten Buchempfehlungen, die Eltern bei der Entscheidung zum ImpfenImpfen Eine Impfung hilft, vor schwer verlaufenden Infektionskrankheiten zu schützen. Durch abgeschwächte Erreger, durch Bruchteile von Erregern oder seit Neuestem mit mRNA-Stücken von Erregern wird bei einer aktiven Schutzimpfung das Immunsystem über die gezeigten Antigene spezifisch aktiviert. Dem Körper wird durch eine Impfung vorgegaukelt mit einem echten Erreger infiziert zu sein. Dadurch wird die gesamte Immunsystem-Kaskade in Gang gesetzt, inklusive der Bildung spezifischer Gedächtniszellen. Ist der Organismus später dem tatsächlichen Erreger ausgesetzt, kann er schnell, effizient und spezifisch reagieren ohne schwere Komplikationen zu entwickeln. Eine generelle Impfpflicht gibt es in hierzulande nicht. Die Ausnahme bildet die Masernimpfung: Seit 2020 muss bei Eintritt in eine Kindertagesstätte oder Schule ein Masern-Impfnachweis erbracht werden. Die STIKO gibt für Deutschland Impfempfehlungen heraus, an denen sich orientiert werden kann. ihres Kindes helfen sollten: ein Buch von Friedrich P. Graf, eines von Martin Hirte. Hirte ist Kinderarzt, Mitglied des Vereins „Ärzte für Individuelle Impfentscheidung“ und war zuletzt an der Spitze der CoronaCorona Mit Corona bezeichnet die Allgemeinbevölkerung zumeist SARS-CoV-2 (Severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2). Es ist ein neues Beta-Coronavirus, welches zu Beginn des Jahres 2020 als Auslöser der Krankheit COVID-19 identifiziert wurde. Coronaviren waren schon vor 2020 altbekannt. In Menschen verursachen sie vorwiegend milde Erkältungskrankheiten (teils auch schwere Lungenentzündungen) und auch andere Wirte werden von ihnen befallen. SARS-CoV-2 hingegen verursacht wesentlich schwerere Krankheitsverläufe, mit Aufenthalten auf der Intensivstation bis hin zum Tod. Der Virusstamm entwickelte und entwickelt seit seiner Entdeckung verschiedene Virusvarianten, die in ihren Aminosäuren Austausche aufweisen, was zu unterschiedlichen Eigenschaften bezüglich ihrer Infektiosität und der Schwere eines Krankheitsverlaufes führt. Seit Dezember 2020 steht in Deutschland ein Impfstoff gegen SARS-CoV-2 zur Verfügung.-Proteste im Landkreis Starnberg.2https://www.sueddeutsche.de/muenchen/starnberg/starnberg-landrat-frey-impf-debatte-1.5509954?reduced=true

Im Buch „Fakten-Check Impfen“ sah sich Autor Jan Oude-Aoust die Argumente von Martin Hirte genauer an. Er schreibt: „Oft konzentrieren sie sich auf Ergebnisse einzelner Studien, die im Widerspruch zum wissenschaftlichen Kenntnisstand stehen“. Nur, wer sich die Studien genauer ansehe oder Expert:innen befrage, erkenne, dass manche Studienergebnisse so verzerrt dargestellt werden, dass sie ins Gegenteil verkehrt werden (Anmerk. der Red.: Mitautorin des Buchs ist MedWatch-Chefredakteurin Nicola Kuhrt). Auch der Homöopath Graf verfasste Bücher, die Impfungen skeptisch gegenüberstehen.

Wer nach dem Text „Impfungen – erst aufklären, dann entscheiden!“ auf Google suchte, stieß auf die Websites von 341 Apotheken mit genau diesem Text. Wussten die Apotheken von den Inhalten?

Der Apotheken-Text verändert sich

Kathrin Paul ist Inhaberin der Sonnenhut-Apotheke in Berlin und geht schnell ans Telefon. Auch auf der Homepage ihrer Seite fand sich der Impf-kritische Text. Auf unsere Nachfrage reagiert sie irritiert: „Nein, wir warnen nicht vor Impfungen. Wir impfen in der Apotheke sogar selbst.“ Paul bedankt sich für den Hinweis und versichert nachzuprüfen, wie sie den Inhalt schnellstmöglich entfernen kann.

Auch Apotheker Johannes Merkle von der Eyach-Apotheke in Balingen sieht den Eintrag zum Impfen auf der Homepage zum ersten Mal. „Eigentlich haben wir beim Website-Service die ganzen automatischen Ratgeber-Artikel deaktiviert. Denn wer sich beraten lassen will, soll mit uns sprechen.“

Wenige Minuten nach diesem Telefonat beginnt der Text, sich zu verändern, und zwar auf allen 341 Apotheken-Websites: Die neue Überschrift heißt nun „Training fürs Immunsystem“, die Literaturempfehlungen Grafs und Hirts verschwinden. Der Rest bleibt unverändert.

Wer übernimmt Verantwortung?

Dem Impressum der betroffenen Apotheken ist zu entnehmen: Die Texte stammen vom Homepage-Service des Pharma-Großhändlers Sanacorp aus einer Kooperation mit der Firma „meXXart pohl & veith GbR“. Verantwortlich ist Diplom-Pharmazeut Torsten Veith. Auch er geht schnell ans Telefon. Er schreibt die meisten Texte für die Apotheken-Websites selbst, sagt er, auch den über das Impfen. Der Impf-Text stamme sogar schon aus dem Jahr 2001. 2016 ergänzte er die Buchempfehlungen zur „Impfentscheidung“.

Er sagt, dass jeder Kunde auch die Option hätte, eigene Inhalte zu ergänzen. Dies hätten beim Impfen aber nur vier von hunderten von Kunden in Anspruch genommen. Bei den restlichen findet sich der Text Torsten Veiths auf ihrer Homepage. Autor Veith ist sich sicher, dass der Text von Anfang an neutral formuliert war. „Das Einzige, das eventuell nicht neutral sein könnte“, keift er, „sind die Literaturempfehlungen. Aber die haben wir ja jetzt für die Blöden entfernt.“ Wenn sich eine Apotheke wünscht, die Buchempfehlungen doch wieder auf ihrer Website zu haben, könne er sie wieder nach Wunsch eintragen, sagt Veith.

20 Jahre lang habe sich niemand an seinen Texten gestört, erklärt Veith weiter. Nur jetzt scheint das Thema für ihn eine gewisse neue Brisanz aufgenommen zu haben. Daher habe er nun auch die Literaturempfehlungen entfernt. „Im Grund steht jetzt nur noch im Text, dass Impfungen existieren“, sagt Veith. „Wer nur die eindimensionale Haltung vertritt, dass ImpfungImpfung Eine Impfung hilft, vor schwer verlaufenden Infektionskrankheiten zu schützen. Durch abgeschwächte Erreger, durch Bruchteile von Erregern oder seit Neuestem mit mRNA-Stücken von Erregern wird bei einer aktiven Schutzimpfung das Immunsystem über die gezeigten Antigene spezifisch aktiviert. Dem Körper wird durch eine Impfung vorgegaukelt mit einem echten Erreger infiziert zu sein. Dadurch wird die gesamte Immunsystem-Kaskade in Gang gesetzt, inklusive der Bildung spezifischer Gedächtniszellen. Ist der Organismus später dem tatsächlichen Erreger ausgesetzt, kann er schnell, effizient und spezifisch reagieren ohne schwere Komplikationen zu entwickeln. Eine generelle Impfpflicht gibt es in hierzulande nicht. Die Ausnahme bildet die Masernimpfung: Seit 2020 muss bei Eintritt in eine Kindertagesstätte oder Schule ein Masern-Impfnachweis erbracht werden. Die STIKO gibt für Deutschland Impfempfehlungen heraus, an denen sich orientiert werden kann. gut seien, wird nun glücklich sein.“

Auf Anfrage erklärt auch Sanacorp, dass die Texte Ende Mai 2022 wegen möglicher Bedenken besprochen worden seien. Mit zweifelhaften Literaturvorschlägen sei Sanacorp nicht einverstanden, weshalb der Text nun aktualisiert werde. Allgemeine Hinweise zum Impfen seien jedoch wünschenswert, erklärt ein Pressesprecher gegenüber Medwatch.


Redaktion: Nicola Kuhrt, Nicole Hagen

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    https://www.who.int/news-room/facts-in-pictures/detail/immunization
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    https://www.sueddeutsche.de/muenchen/starnberg/starnberg-landrat-frey-impf-debatte-1.5509954?reduced=true
1 comment
  1. Krass.
    Der ImpfgegnerImpfgegner Eine Impfgegnerin oder ein Impfgegner ist eine Person, die Impfungen ablehnt, oder sie zumindest verzögert wahrnimmt, trotz guter Verfügbarkeit eines Impfangebotes. Diese Haltung beruht wohl auf einem mangelnden Bewusstsein gegenüber dem Gefahrenpotential einer Infektionskrankheit wie Masern, Polio und Co., da diese Krankheiten samt ihren negativen Folgen aktuell aufgrund jahrelanger konsequenter Impfungen in der Bevölkerung nicht mehr wahrnehmbar sind. Weitere Gründe sind sowohl mangelnde Information sowie eine mangelnde Informationsbereitschaft als auch bewusst falsch gesetzte Fehlinformationen über Impfungen und mögliche Impfreaktionen. So lauten oft aufgeführte Argumente: »Impfungen helfen nicht, da auch Geimpfte erkranken.«, »Impfungen sind schädlich und können Krankheiten wie Autismus auslösen.« sowie »Es ist besser, der Körper setzt sich auf natürliche Weise mit dem Erreger auseinander.« All diese Argumente sind falsch. Im extremsten Fall leugnen Impfgegner*innen sogar das Viren Krankheiten auslösen oder gar die Existenz von Viren an sich. Torsten Veith wurde ertappt, moniert indes abermals, dass Impfungen irgendwie blöde sind, und entfernt widerwillig die Literaturempfehlungen aus der Hölle.

    Übrigens sind Apotheken für die Inhalte ihrer Webpages verantwortlich, wissen die das nicht?